Nr. 145 Ministerkonferenz, Wien, 26. Juli 1853 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 27. 7.), Bach 30. 7., Thun; außerdem anw.anwesend Baumgartner; abw.abwesend K. Krauß.
MRZ. – KZ. 3088 – (Prot. Nr. 64/1853) –
- I. Organisierung des Landesgerichtes in Klagenfurt
- II. Organisierung der Gerichtshöfe erster Instanz in Österreich unter der Enns
- III. Organisierung der Gerichtshöfe erster Instanz im Küstenland
- IV. Gesuch des Kerkermeisters Joseph Fürnschuss um Pensionserhöhung
- V. Erziehungsbeitrag für die Delegationsarztenswaise Franziska Avoni
- VI. Gesuch der Lehrerswitwe Katharina Flunt um Gnadengaben für ihre zwei Kinder Johann und Theophila
- VII. Stipendien für Studierende der österreichischen Geschichte
- VIII. Aufhebung des Lehensbandes
Protokoll der am 26. Juli 1853 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein. Der Minister des Inneren referierte statt des mit Urlaub abwesenden Justizministers.
I. Organisierung des Landesgerichtes in Klagenfurt
Über die in der Kommission der Ministerien der Justiz, des Inneren und der Finanzen vereinbarte Errichtung eines Landes- zugleich Berggerichtes in Klagenfurt für das Herzogtum Kärnten und über die Systemisierung des Personal- und Besoldungsstandes für dieses Landesgericht1.
In diesem Kronlande soll nur ein Landesgericht mit dem Sitze in Klagenfurt bestehen, weil auch früher nur ein Stadt- und Landrecht für das ganze Land genügt hat. Der Personalstand für dieses Landesgericht wird angetragen mit: einem Präsidenten, einem Oberlandesgerichtsrate, neun Landesgerichtsräten, zwei Ratssekretären, neun Gerichtsadjunkten, einem Direktor der Hilfsämter und dem sonst erforderlichen Manipulations-, Kerkeraufsichts- und Dienerschaftspersonale. Das Kanzlei- und Dienerpersonale ist genau nach dem bisher angenommenen Verhältnisse zu dem Konzeptspersonale beantragt, und die Gehalts- und Diätenklassen entsprechen dem Ah. genehmigten Schema. Die Gesamtauslage dieses Landesgerichtes wird auf 42.582 fr. gegen die Anträge der Organisierungskommission um 8216 fr. geringer angeschlagen.
Die Ministerkonferenz fand gegen diese Anträge nichts zu erinnern2.
II. Organisierung der Gerichtshöfe erster Instanz in Österreich unter der Enns
Über die Organisierungsanträge bezüglich der im Erzherzogtume Österreich unter der Enns zu errichtenden Gerichtshöfe erster Instanz3.
Die Ah. genehmigte politische Einteilung dieses Kronlandes in vier Kreise nach dem von 1849 bestandenen Umfange wurde bei der Errichtung der Gerichtshöfe erster Instanz im wesentlichen zum Anhaltspunkte genommen. Hiernach soll im Einverständnisse der Minister der Justiz, des Inneren und der Finanzen für jeden der Kreise Ober- und Unter-Mannhartsberg, dann Ober-Wienerwald ein Kreisgericht, zusammenfallend mit dem Sprengel der politischen Kreisbehörde, errichtet werden. Für den Kreis Unter-Wienerwald soll wegen der Haupt- und Residenzstadt Wien eine Teilung in zwei Gerichtssprengel stattfinden und in Wien mit einem gewissen Bezirke ein Landesgericht und für den übrigen Teil des Kreises in Wiener Neustadt ein Kreisgericht errichtet werden. Für den Sprengel des Wiener Landesgerichtes soll ein für sich bestehendes Handelsgericht mit dem Sitze in Wien bestehen, und die übrigen Kreisgerichte sollen in ihren Sprengeln zugleich die Handelsgerichtsbarkeit ausüben4. Das Kreisgericht in St. Pölten soll zugleich die Berggerichtsbarkeit für den ganzen Umfang des Kronlandes Österreich unter der Enns haben5. Der Personalstand wurde nach dem strengsten Bedarfe bemessen, und die Besoldungsklassen entsprechen dem Ah. genehmigten Schema. Nur bezüglich des Gehaltes des Präses des Wiener Landesgerichtes ergab sich in der Ministerialkommission eine Meinungsverschiedenheit, indem der Justizminister für denselben einen Gehalt von 5000 fr. aus dem Grunde für wünschenswert hielt, um auf diesen Posten auch längerdienende und verdiente aRäte des Obersten Gerichtshofesa mit Vorteil übersetzen zu können, während die übrigen Minister den schemamäßigen Gehalt von 4000 fr. für zureichend erkannten.
Die Ministerkonferenz erklärte sich mit den obigen Organisierungsanträgen und, was das Gehalt des Präses des Wiener Landesgerichtes anbelangt, mit dem Ausmaß desselben von 4000 fr. einverstanden. || S. 240 PDF || Die Gesamtauslage der Gerichtshöfe erster Instanz in Österreich unter der Enns wird mit 425.642 fr. angegeben6.
III. Organisierung der Gerichtshöfe erster Instanz im Küstenland
Über die in dem Küstenlande zu errichtenden Gerichtshöfe erster Instanz7.
Für das aus den Kronländern Görz und Gradiska, Istrien und der Stadt Triest bestehende Küstenland soll a) ein Landesgericht in Triest, b) ein Handelsgericht ebendaselbst mit dem Sprengel des Landesgerichtes und zugleich Seegericht für das Küstenland, c) ein Kreisgericht zu Görz und d) ein Kreisgericht zu Rovigno errichtet werden. Die Kreisgerichte sollen zugleich Handelsgerichte für den Umfang ihrer betreffenden Sprengel sein, und die Berggerichtsbarkeit für das Küstenland soll einstweilen dem in Laibach zu errichtenden Gerichtshofe erster Instanz zugewiesen werden. Der Personalstand wurde nach Maßgabe des strengsten Bedürfnisses und die Gehalts- und Diätenstufen nach dem Ah. genehmigten Schema bemessen.
Die Ministerkonferenz fand gegen diese auch schon bei der vorläufigen Beratung in der Kommission der drei Ministerien des Inneren, der Justiz und der Finanzen vereinbarten Anträge nichts zu erinnern8.
IV. Gesuch des Kerkermeisters Joseph Fürnschuss um Pensionserhöhung
Der Minister des Inneren referierte weiter über eine Meinungsdifferenz zwischen seinem und dem Finanzministerium bezüglich des mit der Bezeichnung „ab Imperatore“ herabgelangten Gesuches des Joseph Fürnschuss, jubilierten Kerkermeisters bei dem Provinzialstrafhause in Gratz, um Erhöhung seines Ruhegenusses.
Der Bittsteller wurde im Jahre 1851 nach einer mehr als 50jährigen, im Militär und Zivile vollbrachten Dienstzeit mit dem vollen Gehalte von 250 fr. pensioniert, seinem Gesuche um Personalzulage als Entschädigung für die in der Aktivität genossenen Emolumente (welche sich auf beiläufig 138 fr. belaufen haben) wurde jedoch damals keine Folge gegeben, weil, nach der Erklärung des Finanzministeriums, die Normalien bei dem Genusse des vollen Gehaltes als Pension eine Entschädigung für die in der Aktivität genossenen Emolumente nicht zulassen. Nach dem gegenwärtig erneuerten ab Imperatore herabgelangten Gesuche ist der Bittsteller alt, kränklich, der Erblindung nahe und hat von dem erwähnten Pensionsbetrage auch sein Weib und drei unversorgte Töchter zu erhalten. Der Statthalter von Gratz und der Minister des Inneren erachteten, bei den dargestellten rücksichtswürdigen Umständen, daß dem Fürnschuss für die entgangenen Emolumente eine Gnadengabe jährlicher 100 fr. bewilliget werden dürfte, wogegen sich aber das Finanzministerium aus dem oberwähnten Grunde neuerdings erklärte.
Bei der Abstimmung hierüber beharrte der Finanzminister bei der Ansicht seines Ministeriums, während die übrigen Stimmführer die Entscheidung hierüber lediglich der Ah. Gnade Sr. Majestät anheimzustellen beschlossen9.
V. Erziehungsbeitrag für die Delegationsarztenswaise Franziska Avoni
Die weitere von dem Minister des Inneren vorgebrachte, in seinem au. Vortrage vom 22. Juli 1853, MCZ. 2416, dargestellte Meinungsverschiedenheit zwischen seinem und dem Finanzministerium bezüglich des der Delegationsarztenswaise Franziska Avoni zu bewilligenden Gnadenerziehungsbeitrags jährlicher 80 fr. hat sich dadurch behoben, daß die Minister des Inneren und der Finanzen übereingekommen sind und die Ministerkonferenz ihnen beigestimmt hat, für die gedachte Waise auf einen Gnadenerziehungsbeitrag von jährlichen 40 fr. bei Sr. Majestät au. anzutragen.
VI. Gesuch der Lehrerswitwe Katharina Flunt um Gnadengaben für ihre zwei Kinder Johann und Theophila
Der Kultus- und Unterrichtsminister Graf Thun referierte über das Ah. bezeichnete Gesuch der Elementarlehrerswitwe Katharina Flunt um Ag. Anrechnung der von ihrem Gatten Simon Flunt vor seiner Anstellung als Lehrer an der städtischen Hauptschule in Lemberg durch fünf Jahre geleisteten Supplierung an der Realschule in Brody.
Simon Flunt ist im Jahre 1844 nach einer aktiven Dienstleistung von fünf Jahren und neun Monaten an der Lemberger städtischen Hauptschule mit Hinterlassung der Witwe und von zwei damals unmündigen Kindern, Johann und Theophila, gestorben. Da seine früheren Supplentendienste an der Realschule zu Brody nicht anrechnungsfähig waren, er sonach nicht zehn aktive Dienstjahre zählte, || S. 242 PDF || so wurde seiner Witwe lediglich die normalmäßige Abfertigung aus dem Gehalte des Gatten von 200 fr. mit 50 fr. angewiesen. Aus Anlaß des oberwähnten Ah. bezeichneten Gesuches der Witwe Flunt, welche als arm, fast taub, erwerbsunfähig und einer Ag. Unterstützung würdig erkannt wird, trägt der referierende Unterrichtsminister auf Ag. Bewilligung einer jährlichen Gnadengabe in Form von Erziehungsbeiträgen für ihre zwei Kinder (Johann, nun 16, und Theophila, 14 Jahre alt) von 25 fr. für jedes bis zum erreichten Normalalter oder einer früheren Versorgung aus dem galizischen Studienfonds an. Das Finanzrninisterium und bei dem heutigen Vortrage über diesen Gegenstand der Finanzminister haben sich gegen diesen Antrag ausgesprochen, weil Simon Flunt nur eine anrechnungsfähige Dienstzeit von fünf Jahren und neun Monaten zurückgelegt hat und, wenn auch über zehn Jahre dieser Art nachgewiesen wären, Erziehungsbeiträge nur dann normalmäßig verliehen werden, wenn mehr als drei Kinder - hier aber nur zwei - vorhanden sind.
Die übrigen Stimmführer der Konferenz teilten diese Ansichten des Finanzministers, welcher Gegenstand sonach infolge der Ah. Bezeichnung des Gesuches als eine Gnadensache der Ag. Schlußfassung Sr. Majestät unterzogen wird10.
VII. Stipendien für Studierende der österreichischen Geschichte
Der Kultus- und Unterrichtsminister Graf v. Thun bemerkte, daß bei der anerkannten Wichtigkeit des bisher vernachlässigten Studiums der österreichischen Geschichte11 und zur Hebung dieses Zweiges des Wissens hierorts mit Ah. Genehmigung Sr. Majestät eine Schule für die österreichische Geschichtsforschung unter der Leitung des Universitätsprofessorsb Jäger seit zwei Jahren bestehe12 und gute Früchte zu tragen verspreche. Es haben sich wohl zum Teile Leute gefunden, welche sich diesem Gegenstande auf eigene Kosten widmen. Anderen fehlt es aber an Mitteln der sicheren Existenz, um dem gedachten Studium gehörig obliegen zu können. Zu berücksichtigen sei auch nach der Ansicht des Referenten, daß sich für die Beflissenen dieses Faches, da die meisten Stellen der Geschichtslehrer bereits besetzt sind und bei Archiven sich nur wenige Apperturen ergeben, nur wenig Aussicht auf baldiges Unterkommen ergebe. Der Minister Graf Thun beabsichtiget zwar dermal noch nicht, eine definitive Regulierung der gedachten Schule in Antrag zu bringen, indem er die Sammlung von weiteren praktischen Erfahrungen über die Erfolge derselben für wünschenswert hält, glaubt aber, daß es zur Förderung des gedachten Studiums und des Zweckes der genannten Schule notwendig sei, einige Stipendien für die sich diesem Studium widmenden mittellosen Leute zu errichten. || S. 243 PDF || Graf Thun will demnach acht Stipendien für die erwähnte Geschichtsschule mit einer jährlichen Gesamtauslage von 3000 fr. bei Sr. Majestät au. in Antrag bringen. Die gedachte Schule hat einen dreijährigen Kurs; im ersten Jahre würde kein Stipendium verliehen, und erst im darauffolgenden Jahre würden sechs Stipendien zu 400 fr. und zwei außerordentliche mit 300 fr. in Wirksamkeit treten, was eine jährliche Auslage von 3000 fr., und zwar erst von dem auf das Jahr 1854 folgenden Schuljahre angefangen, ausmachen würde.
Der referierende Minister ist zwar ermächtiget, einzelne zeitweilige Stipendien selbst zu verleihen, da er aber die hier in Rede stehenden Stipendien als bleibend angesehen wissen will, so beabsichtiget er, den diesfälligen au. Antrag an Se. Majestät zu richten, womit sich die Konferenz einverstanden erklärte13.
VIII. Aufhebung des Lehensbandes
Der Finanzminister Ritter v. Baumgartner erhielt die Zustimmung der Konferenz zu dem Ansuchen, bei Sr. Majestät um Ag. Ermächtigung wegen Aufhebung des Lehensbandes mit den Ministern der Justiz und des Inneren in Verhandlung treten und sohin einen Gesetzesentwurf in dieser Beziehung zur Ah. Genehmigung vorlegen zu dürfen. Zur Erwirkung der gedachten Ah. Ermächtigung wurde im allgemeinen geltend gemacht, daß das Lehensinstitut heutzutage bei den gegen früher so wesentlich geänderten Verhältnissen nicht mehr haltbar sei, daß die Lehensbesitzer nebst der Eigentumsübertragungsgebühr auch die Lehenstaxe entrichten müssen, welche vereinten Gebühren neben der ZaWung der Grundsteuer für sie unerschwinglich und sie zugrunde richtend seien, und daß den Finanzen aus der Aufhebung des Lehensinstitutes ein nicht unwesentlicher Vorteil zugehen würde. Der Minister des Inneren bemerkte insbesondere, daß im Jahre 1848 die Grundentlastung ausgesprochen und seitdem großenteils auch ausgeführt worden ist, daß aber die Konnexität dieser Entlastung mit den Lehen an mehreren Orten, namentlich im Ascher Gebiete, Ursache ist, daß die Grundentlastung daselbst aufgehalten werde14. Auch habe der Statthalter von Venedig dringend gebeten, in Ansehung der Lehen bald Ordnung machen zu wollen. Werde ferner der finanzielle Vorteil ins Auge gefaßt und der Umstand berücksichtigt, daß die Lehen gegenwärtig dem Staate nur einen geringen Ertrag abwerfen, so erscheine es allerdings sehr wünschenswert, daß dieselben auf eine einfache Art liquidiert und abgelöst werden. Der gegen die Aufhebung der Lehen früher geltend gemachte Umstand, daß das lehensherrliche Verhältnis dem Ah. Hofe gewisse Rechte gebe und die Anhänglichkeit || S. 244 PDF || der Vasallen sicherstelle, sei gegenwärtig nur im höchst beschränkten Sinne praktisch. Die großen Lehen, wie die böhmischen Kronlehen, sollen unberührt bleiben, und die Aufhebung der kleineren, durch Alienationskonsense15 bereits in mehrere andere Hände übergegangenen Lehen sei vom monarchisch-dynastischen Standpunkte betrachtet ganz unnachteilig. In Ungarn sei das wichtigere, das ganze Land umfassende Jus regium aufgehoben worden16, umso weniger Grund sei daher vorhanden, die Lehen in den anderen Kronländern bestehen zu lassen. Die mit den Lehen sonst verbundenen Dienste, als unentgeltliche Kriegsdienste und andere persönliche Dienstleistungen, seien schon lange außer Übung. Vom politischen Standpunkte selbst heute beurteilt, könne daher wohl kein Anstand obwalten, die erwähnte Frage im Prinzipe zu erörtern, und über die Modalitäten der Ausführung Sr. Majestät au. Anträge zu erstatten17
Wien, am 27. Juli 1853. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 4. August 1853.