Nr. 16 Ministerkonferenz, Wien, 25. Juni 1859 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Bach; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Bach 25. 6.), Thun, Toggenburg 26. 6., Bruck 27. 6., Nádasdy 27. 6., Eynatten, Hartmann; abw.abwesend Rechberg.
MRZ. – KZ. 2309 –
Protokoll der zu Wien am 25. Junius 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Inneren Freiherrn v. Bach (in Abwesenheit des Ministers Grafen v. Rechberg).
I. Unterrichtssprache in den Gymnasien, wo die Bevölkerung überwiegend nichtdeutsch ist
Gegen die Bestimmung des Ah. Kabinettschreibens vom 9. Dezember 1854, wornach die Unterrichtssprache in den höheren Klassen der Gymnasien überall vorherrschend die deutsche sein soll1, hat sich bei den ungrisch-protestantischen Gymnasien, welche von Privatpatronen abhängig sind, eine Agitation bemerkbar gemacht, indem man in jener Bestimmung eine Unterdrückung der Landessprachen zu sehen vorgibt. Es ist daher der Wunsch nach einer Milderung derselben ausgesprochen und bei der jüngsten Beratung über das Statut zur Regelung der protestantischen Kirchenverhältnisse im Reichsrate der Antrag gestellt worden, hierwegen einen eigenen Paragraphen in das gedachte Statut aufzunehmen2.
Der Unterrichtsminister stellte die Untunlichkeit der Einschaltung eines solchen Paragraphes in das Statut über die Kirchenverfassung ader Protestantena vor, erklärte sich aber bereit, bdie angeregte Frage einer Erweiterung der Zulassung anderer als der deutschen Sprache als Unterrichtssprache in den Gymnasienb zum Gegenstande einer abgesonderten Verhandlung zu machen, und erhielt die Zustimmung dazu auch von Sr. k. k. Hoheit dem Herrn Erzherzog Albrecht, gegen dem, daß die diesfällige Verfügung zugleich mit der Kirchenverfassung ins Leben trete. Nach vorläufiger Beratung cin dem Unterrichtsministerium, welcher auch derc mit den ungrischen protestantischen dSchulverhältnissen sehr vertrauted Schulrat eder Ofner Statthaltereiabteilung Mikulás beigezogen wurdee, hat sich der Unterrichtsminister für die in der Beilagef formulierten, bei Sr. Majestät zu stellenden Anträge ausgesprochen:
|| S. 58 PDF || a) in Gegenden, deren Bevölkerung überwiegend nichtdeutsch ist, von der angefochtenen Bestimmung Umgang nehmen und die Beurteilung der didaktischen Mittel zur gehörigen Ausbildung der Schüler in der deutschen Sprache denjenigeng überlassen zu dürfen, hwelchen die Besorgung der bezüglichen Gymnasien und die Anstellung der Lehrer an denselben zustehth, weil eine zwangsweise Durchführung jener Bestimmung ian solchen Gymnasieni schwer, ja selbst durch Entziehung des Öffentlichkeitscharakters der betreffenden Lehranstalt kaum zu erreichen wäre, vielmehr zu hoffen ist, daß bei dem überall mehr und mehr sich geltend machenden Bedürfnisse der deutschen Sprache die Agitation dagegen jsich wesentlich mindernj werde, sobald man den Lehranstalten in dieser Beziehung eine größere Freiheit einräumt.
b) Für die gehörige Fertigkeit der Schüler in der deutschen Sprache zu sorgen würde außer der in Kraft bleibenden Bestimmung über den obligaten deutschen Sprachunterricht in allen Klassen noch die weitere Anordnung bestimmt sein, bei der Maturitätsprüfung selbe sowohl durch die Prüfung aus diesem Gegenstande als auch bei der Prüfung aus anderen Lehrfächern zu konstatieren. Dieses ist unerläßlich, weil sonst die absolvierten Gymnasiasten auf den Universitäten nicht fortkommen würden oder die Staatsverwaltung zu einer weiteren Konzession kbezüglich der Unterrichtssprache an der Universitätk gedrängt werden würde, lwelche nicht ohne Rückwirkung auf die Sprachkenntnis der Kandidaten des Beamtenstandes bleiben könnte.l
c) Um endlich wenigstens einen Teil der ungrischen protestantischen Gymnasien ganz in die Regel des Ah. Kabinettschreibens vom 9. Dezember 1854 setzen zu können mund überhaupt der Regierung gegenüber den protestantischen Schulen in Ungarn eine festere Stellung zu sichern,m wäre der Unterrichtsminister zu ermächtigen, wegen Übernahme eines solchen Gymnasiums in jedem der ungrischen Verwaltungsgebiete auf den Staatsschatz Verhandlungen zu pflegen und (nobgleich eine Bedeckung der Kosten im Staatsvoranschlage hierfür bisher nicht vorgesehen istn ) abzuschließen, indem nur auf diesem kürzesten Wege der günstige Moment der Unterhandlung erfaßt und benützt werden kann.
Die Konferenz erklärte sich mit diesen Anträgen einverstanden; insbesondere erklärte der Finanzminister gegen den Antrag ad c) nichts einwenden zu wollen, wenn er gleich befürchtet, daß die Frequenz der Schüler auf solchen vom Staate eingelösten Gymnasien nur eine geringe sein dürfte. Diese Besorgnis teilte der Justizminister nicht; dagegen bemerkte er ad b) daß ihm die Forderung der Ablegung der Prüfung aus mehreren, nicht vorher bestimmten Lehrfächern in deutscher Sprache für Nichtdeutsche etwas hart zu sein scheine, daß er daher die Forderung einer schriftlichen Ausarbeitung in deutscher Sprache umso mehr vorziehen würde, als das vorliegende || S. 59 PDF || schriftliche Elaborat auch odie Prüfungskommission gegen den etwaigen Vorwurf schützt, den Kandidaten wegen geringerer Kenntnis in der deutschen Sprache zu strenge behandelt zu habeno . Der Unterrichtsminister erwiderte dagegen, daß er auf der Probe des Kandidaten im mündlichen deutschen Vortrage wenigstens aus einigen Lehrfächern bestehen müsse, weil sonst die Fertigkeit desselben in Rede und Schrift nicht konstatiert werden könne pund diese Bestimmung den Impuls geben werde, die deutsche Unterrichtssprache, wenn nicht vorherrschend, so doch in einem oder dem anderen Gegenstande anzunehmen, was ihm unerläßlich scheine, um den Schülern Übung in der Sprache zu verschaffen und sie an die Benützung deutscher Bücher zu gewöhnen,p und daß über die Modalitäten der Ausführung, qbei welchen auf die Verschiedenheit der Verhältnisse und namentlich auch auf den Umstand, welche Gegenstände schon beim Unterrichte deutsch vorgetragen worden sind, Rücksicht zu nehmen sein werde,q er sich die geeignete Einleitung zu treffen vorbehalte3.
II. Bezahlung der Venediger Justizbeamten in Silber
Der Justizminister hat das Einschreiten des Venediger Oberlandesgerichtspräsidenten um Auszahlung der dortigen Justizbeamten wenigstens pro Julio in Silbergeld dem Finanzminister fürwortlich in der Rücksicht mitgeteilt, weil die Vaglien, deren Hinausgabe von Seite der Finanzverwaltung mit 1. Juli bevorsteht, voraussichtlich gleich einen Kurs erhalten, und die Beamten, denen überdies eine dreimonatliche Verproviantierung auferlegt wurde, dadurch in eine sehr bedrängte Lage versetzt werden4. Er verkennt indes auch die Bedrängnis der Finanzverwaltung nicht und beschränkt daher seinen Antrag auf die Beamten unter 500 fr. Gehalt. Der Finanzminister erklärte jedoch, auf diesen Antrag nicht eingehen zu können, nachdem er mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Militärs die Bestimmung, welche Zahlungen und in welchen Quoten in klingender Münze zu leisten sein werden, dem dortigen Finanzpräfekte im Einvernehmen mit dem Militärkommandanten überlassen hat und eine ausnahmsweise Begünstigung einer einzelnen Beamtenkategorie unstatthaft ist.
Hiernach wird der Justizminister das Einschreiten des Oberlandesgerichtspräsidenten erledigen5.
III. Vorstellung der lombardisch-venezianischen Zentralkongregation gegen das neue Anleihen
Der Minister des Inneren referierte über die an Se. Majestät gerichteten Vorstellungen der beiden Zentralkongregationen im lombardisch-venezianischen Königreiche, worin sie um Enthebung von der Aufbringung des ausgeschriebenen Anleihens bitten, indem sie die Unmöglichkeit darstellen, dem Lande dieses neue Opfer aufzulegen6. Zu bemerken ist dabei, daß, während die Vorstellung der lombardischen Zentralkongregation in anständigem Tone abgefaßt ist, jene der venezianischen am Schlusse die Absicht einer Demission der Deputierten in Masse für den Fall der Abweisung der Bitte zu erkennen gibt und daß der präsidierende Statthalter Graf Bissingen, welcher übrigens sich bei der ganzen Verhandlung nicht sehr taktvoll benommen zu haben scheint, nur bewirken konnte, daß jene Andeutung in eine etwas mildere Form, als die im ersten Entwurfe war, gebracht wurde. Nachdem bezüglich des größeren Teils der Lombardie infolge der Ereignisse für jetzt wenigstens eine weitere Verfügung nicht notwendig ist7, bezüglich des anderen Teils aber und der venezianischen Provinzen mit Rücksicht auf die allgemeinen Staatsbedürfnisse auf das von den Anleihen erwartete Einkommen nicht verzichtet werden kann und für die Einzahlung desselben ohnehin die Erleichterung eingetreten ist, daß selbe in den mittlerweile hinausgegebenen Vaglien geleistet werden kann8, so gedenkt der Minister des Inneren, unter allseitiger Zustimmung bei Sr. Majestät den au. Antrag zu stellen, daß dieser Bitte mit Rücksicht auf die durch die Zeitverhältnisse der ganzen Monarchie auferlegten großen Opfer keine Folge gegeben werde9.
Wien, am 25. Juni 1859. Bach.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Verona, am 9. Juli 1859.