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Nr. 482 Ministerkonferenz, Wien, 20. Dezember 1858 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Buol 21./24. 12.), gesehen Bach 21. 12., Thun 21. 12., Toggenburg, Bruck 23. 12., Nádasdy 23. 12.; abw. Grünne, Kempen.

MRZ. – KZ. 5171 –

Protokoll der am 20. Dezember 1858 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.

[I.] Beratung über die von Sr. k. k. Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Albrecht bestrittene Opportunität der Einführung der Wegmaut in Ungarn

Als Gegenstand der Beratung wurde von Sr. k. k. apost. Majestät bezeichnet: die Frage über die Opportunität der Einführung der ärarischen Straßenmauten in Ungarn mit 1. Mai 1859, welche Maßregel der durchlauchtigste Herr Erzherzog Generalgouverneur wegen des zu besorgenden schlimmen Eindruckes für bedenklich erklärt und daher für deren weiteren Aufschub stimmet1.

Der Handelsminister setzte hierauf in einem längeren Vortrage das bezüglich des Unterhalts der Ärarialstraßen ain Ungarna bestehende und gemäß Ah. Beschlusses am 1. Mai 1859 abzustellende System umständlich auseinander und begründete seine Meinung, daß dieses System 1. in finanzieller Beziehung sehr lästig sei, indem es dem Staatsschatze bz. B. in den Jahren 1854 und 1855b eine jährliche Zahlung von beiläufig 700.000 fl. Konventionsmünze an den Landesbaufonds auferlegt habe; 2. den administrativen und technischen Nachteil mit sich führt, daß die ganze Konservation einer Straße nicht in die Hand eines Pächters gelegt werden kann, was nur Mehrauslagen und Verzögerungen verursacht; und 3. auch in nationalökonomischer Beziehung verwerflich ist, weil man eine sehr große Anzahl von Händen den landwirtschaftlichen Arbeiten in diesem ohnehin dünn bevölkerten Land entzieht, um sie den Straßenkonservationsarbeiten zuzuwenden, welche – weil unfreiwillig und unentgeltlich – in einer Weise verrichtet werden, die bei weitem nicht das Dritteil der Leistung eines ordentlichen, bezahlten Arbeiters erreicht! Diese sogenannten Gratisarbeiter, wofür der Straßenfonds 20 Kreuzer Konventionsmünze per Tagschichte dem ungarischen Landesbaufonds vergütet, kosten so viel, daß die Straßenkonservation in Ungarn cmit Einrechnung der an den Landesfonds geleisteten Vergütung im Jahre 1855c 4500 fl. per Meile erforderte, während in der Woiwodschaft bei dungleich höherend Kosten des Straßenmaterials mit 4000 fl. ausgelangt wurde.

|| S. 173 PDF || Bei Einführung des Mautsystems würde man sich in Ungarn künftig der Unternehmer bedienen, welche ohne Zweifel sich die nötigen Arbeiter verschaffen werden. Für außerordentliche Fälle bliebe auch dann noch immer – wie schon jetzt in Siebenbürgen etc. – das Recht vorbehalten, unfreiwillige Arbeiter gegen Bezahlung zu requirieren. Dabei wäre auch dem jetzigen Übelstande gesteuert, daß die ungarischen Landesbehörden selbst die maßlose Verwendung der unfreiwilligen Arbeiter begünstigen, weil sie dadurch dem Landesfonds höhere Vergütungen aus dem Straßenfonds zuführen.

Unter diesen Umständen müsse der Handelsminister au. beantragen, daß der Ah. Beschluß wegen Einführung der Wegmauten in Ungarn am 1. Mai 1859 in Vollzug gebracht werde. Die Voreinleitungen zur Durchführung dieses in Siebenbürgen, der Woiwodschaft, Kroatien und Slawonien bereits lange und ohne Anstand bestehenden Systems scheine auch bereits größtenteils beendigt, die Gebäude für die Mauteinnehmer hergestellt etc.

Der Meinung des Handelsministers trat der Finanzminister vollkommen bei, mit der Bemerkung, daß den Eigentümlichkeiten des ungarischen Pferdeschlages im Mauttarife gehörig Rechnung getragen sei.

Der Kultusminister hob hervor, daß der Bauer bei Einführung der Wegmaut gewinne, denn seine landwirtschaftlichen Fuhren innerhalb des eigenen Hotters sind mautfrei, und er wird von der zeitvergeudenden Zwangsarbeit befreit. Graf Thun würde auch kein Bedenken tragen, die Wegmauten schon vom 1. Mai kommenden Jahres an einzuheben, wenn die Anwendung dieses Systems in Ungarn überhaupt in der Ah. Absicht liegt.

Der Justizminister bemerkte, daß ein abermaliger Aufschub der Wegmautabnahme in Ungarn in den ehemaligen Nebenländern dieses Königreichs, wo sie schon längst eingeführt wurde, viel Befremden erregen werde. In Ungarn selbst, wo schon vor 1848 sehr zahlreiche Privat- und Stadtmauten evon den nichtadeligen Reisendene eingehoben wurden, sei diese Zahlung bei der großen Masse der Bevölkerung auch nichts Neues.

Der Minister des Inneren setzte auseinander, daß das Generalgouvernement hauptsächlich auch deswegen für die Beibehaltung des jetzigen Systems stimme, weil bei dessen Aufgebung die Landesstraßen nicht länger, wie jetzt, mit den Ärarialstraßen gleichbehandelt werden könnten. Die Subvention, welche dem Landesbaufonds unter der Form von Arbeitstagvergütungen geleistet wird, könne derselbe aber nicht entbehren, und da die Deckung des diesfälligen Defizits durch Erhöhung des Steuerschlages nicht ohne zu große Belastung der Kontribuenten angestrebt werden kann, so erübrige nichts als ein Zuschuß aus den Finanzen, welcher die von der Einführung des Mautsystems erwarteten finanziellen Vorteile wohl aufwiegen würde.

Der tg. gefertigte Minister des Äußern erkannte in der Wegemaut eine Abgabe, bei der die Einhebungskosten einen übergroßen Teil verschlingen und die mit sehr lästigen Plackereien für die Reisenden verbunden ist. Man habe daher in vielen Ländern völlig darauf verzichtet, und Graf Buol würde es für zweckmäßig finden, die Wegemaut überhaupt durch eine mäßige Steuer auf Pferde und Wägen zu ersetzen.

|| S. 174 PDF || Se . Majestät der Kaiser geruhten zu erinnern, daß in Ungarn unter dem bestehenden Systeme der unfreiwilligen Naturalarbeitsleistung und deren teilweiser Reluition bezüglich des Straßenbaues sehr Anerkennenswertes geschaffen worden sei. Ob in letzter Auflösung das Mautsystem wesentliche finanzielle Vorteile bringen werde, erscheine zweifelhaft, und zwar umso mehr, als von einer weiteren Erhöhung des G[rund]steuer-zuschlags für den Landesbaufonds keine Rede sein könne. Andererseits erscheine es aus politischen Gründen rätlich, in dem laufenden Verwaltungsjahre, wo ohnehin manche unliebsamen Verhältnisse unaufhaltsam eingetreten sind, nicht noch eine neue, für viele ungarische Landeseinwohner vexatorische Maßregel ohne drängende Not durchzuführen.

Für den Fall, Se. k. k. apost. Majestät Allerhöchstsich für den Nichtvollzug in diesem Jahre zu entscheiden finden, schlug der Handelsminister ein Auskunftsmittel vor, welches darin besteht, daß dem Landesbaufonds die Konservation der Ärarialstraßen als Pächter gegen ein festzusetzendes jährliches Entgeltf überlassen werde. Die Landesbehörden werden sich dann eine ganz andere Aufgabe stellen als jetzt und auf möglichst ökonomische Verwendung der Naturalarbeit im Interesse des Landesfonds hinarbeiten, während auch die Finanzen bei dem Pauschal nur gewinnen können. Die Straßenkonservation würde unter Intervenierung und Kontrolle der Staatsbaubehörden stattfinden und so dafür gesorgt, daß der Unterhalt der Straßen in befriedigender Weise bewirkt werde. Minister v. Toggenburg hielte es für möglich, mit diesem neuen Systeme bereits am 1. Mai 1859 zu beginnen.

Der Minister des Inneren erklärte sich entschieden für diesen Vorschlag des Handelsministers, welcher auch eine wesentliche Geschäftsvereinfachung herbeiführen würde.

Schließlich bemerkte der Finanzminister , es sei eine nicht gerechtfertigte Last für das Ärar, parallel mit den Eisenbahnen und mit gleichen Ausgangs- und Endpunkten so viele hundert Meilen Ärarialstraßen mit großen Kosten zu unterhalten. Es werde sich daher in nicht ferner Zukunft die Notwendigkeit ergeben, eine Revision der Ärarialstraßen mit Hinblick auf das finanzielle Interesse vorzunehmen2.

|| S. 175 PDF || Am 21./24. Dezember 1858. Gr[af] Buol. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 25. Dezember 1858.