Nr. 389 Ministerkonferenz, Wien, 4. April 1857 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 4. 4.), gesehen Bach 6. 4., Thun 7. 4., K. Krauß, Toggenburg, Bruck, Kellner; abw.abwesend Kempen.
MRZ. – KZ. 1272 –
- I. Personalzulage für den griechisch-katholischen Domkustos Michael Kuziemski
- II. Differenzen mit dem griechisch-katholischen Erzbischof von Fogaras in betreff der Ehesachen
- III. Taxordnung für die ehegerichtlichen Verhandlungen
- IV. Aufhebung der Mauterleichterung des Bauernfuhrwerks in Siebenbürgen und Kroatien
- V. Kompetenz der Augsburger und Helvetischen Konsistorien in Sachen der Kirchenzucht
Protokoll der zu Wien am 4. April 1857 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Personalzulage für den griechisch-katholischen Domkustos Michael Kuziemski
Die Meinungsdifferenz, welche zeuge des Vortrages vom 18. März 1857, KZ. 1080, MCZ. 982, zwischen den Ministern des Kultus und der Finanzen wegen Belassung der Personalzulage jährlicher 300 fr. für den Lemberger griechisch-katholischen Domkustos Michael Kuziemski besteht, wurde durch die Erklärung des Finanzministers behoben, daß er mit Rücksicht auf die im Vortrage ageschilderten besonderen Diözesanverhältnisse und auf diea geschilderten besonderen Diözesanverhältnisse und auf die sowohl von den Ministern des Inneren und der Justiz als auch von dem Generaladjutanten FML. Freiherrn von Kellner bestätigte besondere Verdienstlichkeit Kuziemskis dem Antrage des Kultusministers beitrete1.
II. Differenzen mit dem griechisch-katholischen Erzbischof von Fogaras in betreff der Ehesachen
Der Kultusminister referierte seinen Vortrag vom 30. März 1857, KZ. 1256, MCZ. 1139, über die Einstreuungen des griechisch-katholischen Erzbischofs von Fogaras in Siebenbürgen gegen einige Bestimmungen der Anweisung für die geistlichen Ehegerichte2.
|| S. 42 PDF || Nachdem der Versuch, den Erzbischof von der Unhaltbarkeit seiner Einwendungen in einer unterm 17. Jänner l. J. an ihn erlassenen Belehrung zu überzeugen3, fehlgeschlagen, derselbe vielmehr eine Vorstellung dagegen, sowohl an den Heiligen Vater als auch an Se. Majestät gemacht hat4, so erübrigt nach dem Erachten des Kultusministers nichts anderes, als einerseits den Erzbischof mit seinem Begehren im Ah. Namen Sr. Majestät abzuweisen und andererseits vom apostolischen Stuhle die Entscheidung über seine Vorstellung möglichst bald zu erwirken und unter einstweiliger Aufrechthaltung der Anweisung für die geistlichen Ehegerichte in allen Bestimmungen behufs deren gleichmäßiger Durchführung in der Fogaraser Kirchenprovinz auf die Berufung einer Provinzialsynode, unter dem Vorsitze eines päpstlichen Kommissärs, anzutragen.
Der Minister des Inneren erklärte sich mit diesen Anträgen ganz einverstanden, und auch die übrigen Stimmen der Konferenz fanden nichts dagegen zu erinnern5.
III. Taxordnung für die ehegerichtlichen Verhandlungen
Der Kultusminister referierte über den mit seinem Vortrage vom 27. März 1857, KZ. 1199, MCZ. 1090, zur Ah. Genehmigung vorgelegten Entwurf einer Taxordnung für die ehegerichtlichen Verhandlungen, beziehungsweise über die hierwegen zwischen ihm und dem Finanzminister obwaltende Verschiedenheit der Meinungen6.
Nachdem es in den Befugnissen des Gerichtsherrn liegt, die Gebühren für die Ausübung seiner Jurisdiktion festzusetzen, solche Gebühren bei den in Ungarn bestehenden geistlichen Ehegerichten von jeher eingeführt sind, und der Erzbischof von Wien versichert, daß das Gericht dabei mit aller jener Rücksicht vorgehen werde, welche die Staatsgesetze den Parteien gewähren, so glaubte der Kultusminister, daß in eine Detailkritik der einzelnen Ansätze nicht einzugehen, sondern sein Antrag, dem vorgelegten Entwurfe überhaupt die Genehmigung und zur Einbringung der darin festgesetzten Taxen die Exekution zu bewilligen, umso mehr der Ah. Genehmigung empfohlen werden dürfte, als demselben gemäß nach Verlauf von zwei Jahren Gelegenheit geboten sein wird, erfahrungsgemäß zu beurteilen, ob die Taxordnung den Verhältnissen entspreche. Mehr, als die Parteien im allgemeinen gegen Unbilligkeit zu schützen, dürfte hierbei überhaupt nicht die Aufgabe der Regierung sein.
|| S. 43 PDF || Allein um dieses bewirken zu können, muß nach der Bemerkung des Justizministers und des tg. gefertigten Präsidenten in eine Prüfung der einzelnen Ansätze eingegangen werden, und die Regierung kann, wenn sie überhaupt berufen ist, hier Einfluß zu nehmen, denselben nur dann üben, wenn sie ihr Aufsichts- und Überwachungsrecht auch bezüglich der Detailbestimmungen des Entwurfs geltend macht und sich darüber ausspricht. In dieser Beziehung nun glaubte die Konferenz, die Bemerkungen des Finanzministers über die Höhe der Taxansätze im allgemeinen, dann über die Lücken im Vergleiche mit den analogen Staatsgesetzen, namentlich in bezug der Gebührenfreiheit der Armen, für gegründet erkennen zu müssen, und es fügte der Justizminister noch die besondere Bemerkung über die Höhe des Taxsatzes per 6 fr. für die Einbegleitung eines Rekurses mit dem Zusatze bei, daß eine solche Taxe die Parteien einerseits von Rekursen abschrecke, andererseits sehr drückend und ungerecht sei, wenn dem Rekursbegehren stattgegeben, also das Erkenntnis des Ehegerichtes für ungesetzmäßig erklärt wird. bFerner fiel dem Justizminister auf, daß in der vorgelegten Taxordnung keine Erwähnung vorkomme, ob die Armen von der Taxentrichtung befreit seien oder nicht.b Der Minister des Inneren hob insbesondere den Mangel der Bestimmung hervor, wer die Taxen zu bezahlen habe, und war der Meinung, daß dem Erzbischofe die Anstände, welche hier und vom Finanzminister in der Zuschrift an den Kultusminister7 gegen den Entwurf erhoben worden sind, mit der Aufforderung mitgeteilt werden dürften, sich denselben zu konformieren coder sonst eine geeignete Vereinbarung mit denselben zustande zubringenc .
Der Kultusminister bezog sich hier auf das, im Vortrage schon erwähnte Resultat seiner im kurzen Wege mit dem Erzbischofe gepflogenen Verhandlung, dprach übrigens, ohne von seiner Ansicht abzugehen, daß es nicht an der Regierung sei, positiv in die Regelung dieser Angelegenheit einzugreifen, und daß kein hinreichender Grund sei, der Vorlage des Kardinals die Genehmigung zu versagen, den Wunsch aus, daß bei der hiervon abweichenden Ansicht der Konferenzd ein Gegenentwurf jener Taxordnung im Sinne der Majorität abgefaßt und zur Basis der weiteren Verhandlung genommen werden wolle, edamit wenigstens diese bald zu irgend einem Abschlusse gebracht werdee .
Die Konferenz nahm diesen Antrag auf, und der Finanzminister wurde eingeladen, einen solchen Gegenentwurf verfassen zu lassen und in Vortrag zu bringen8.
IV. Aufhebung der Mauterleichterung des Bauernfuhrwerks in Siebenbürgen und Kroatien
Zur Behebung der zwischen dem Finanz- und Handelsminister einer-, dann dem Minister des Inneren andererseits, laut des Vortrages vom 24. März 1857, KZ. 1175, MCZ. 1072, obwaltenden Meinungsdifferenz über den Zeitpunkt der Aufhebung der Mautbegünstigung des Bauernfuhrwerks in Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien, erklärte sich der Finanzminister bereit, den Termin der Einstellung jener Begünstigung bis Ende des Verwaltungsjahres 1858 erstrecken zu wollen, womit sich nicht nur die übrigen || S. 44 PDF || Votanten einverstanden erklärten, sondern auch schließlich der Minister des Inneren vereinigte9.
V. Kompetenz der Augsburger und Helvetischen Konsistorien in Sachen der Kirchenzucht
Der kalvinische Pastor in Laibach hatte von einem Ehewerber seiner Konfession, der eine Katholikin heiraten wollte, eine schriftliche Erklärung verlangt, daß er den Revers wegen Erziehung der Kinder in der katholischen Religion nicht ausstellen wolle10. Der Ehewerber stellte diese Erklärung aus, beschwerte sich aber nachträglich hierüber beim Konsistorium mit dem Bemerken, er habe sich zur Ausstellung jener Erklärung nur darum verstanden, um dem Ärgernis zu entgehen, welches sich in einem ähnlichen Falle eines Glaubensverwandten ergab, von welchem der Pastor bei Gelegenheit des Aufgebots desselben von der Kanzel herab erklärte, der Bräutigam habe seine evangelische Treue soweit vergessen, daß er den Revers wegen Erziehung seiner Kinder in der katholischen Religion ausstellte, was ihm Gott verzeihen wolle.
Beim Konsistorium haben drei lutherische Räte f(der vierte, welcher seine eigenen Söhne katholisch erziehen läßt, war wegen Krankheit abwesend)f das Benehmen des Pastors einstimmig mißbilligt, von den zwei kalvinischen Räten dagegen der eine zwar das Verlangen der fraglichen Erklärung gebilligt, dagegen den öffentlich von der Kanzel herab ausgesprochenen Tadel des Benehmens jenes anderen Bräutigams für unstatthaft erklärt, der zweite kalvinische Rat aber den Vorgang des Pastors in beiden Beziehungen gutgeheißen. Der Präses des Konsistoriums hat, mit Rücksicht auf gdiesen Sachverhaltg die Angelegenheit der Entscheidung des Kultusministers unterzogen11.
Nach der Ansicht des Kultusministers hat die Regierung weder Beruf noch Interesse, in dieser lediglich die Kirchendisziplin betreffenden Sache meritorisch zu entscheiden, sie würde sich vielmehr dadurch vielfachen Anfechtungen aussetzen. Die Forderung des Pastors, daß ihm der Brautwerber seiner Konfession verspreche, den Revers nicht ausstellen zu wollen, verletzt ebensowenig als die Mißbilligung des Ausstellers von der Kanzel herab ein positives Staatsgesetz. Beide Vorgänge sind nur von dem Standpunkte der Kirchenzucht zu beurteilen und würden, hätte sich der Fall von Seite eines katholischen Pfarrers ereignet, nicht von der Staatsverwaltung, sondern vom Bischofe zu || S. 45 PDF || entscheiden sein. Es hätte daher auch hier das Konsistorium zu entscheiden. Nachdem jedoch die Entscheidung nach der Stimmenzahl in demselben Grund zur Klage über Bedrückung der helvetischen durch die augsburgischen Konfessionsverwandten geben würde, so glaubte der Kultusminister, darin einen Ausweg finden zu können, wenn die Ah. Bestimmung erbeten würde, daß die vereinigten Konsistorien augsburgischer und helvetischer Konfession, welche vermöge der Instruktion von 1785 zwar in Angelegenheiten, welche nicht die Dogmen und die Liturgie betreffen, gemeinsam zu entscheiden haben, ermächtigt werden, auch in Angelegenheiten der Kirchenzucht, wie in dogmaticis et liturgicis, hwenn sie sich nicht verständigen könnenh, getrennt vorzugehen, wornach also künftig auch in Sachen der Disziplin von demjenigen Konsistorium zu erkennen wäre, dessen Glaubensverwandten es betrifft12.
Die Majorität der Konferenz konnte sich vorläufig mit diesem Antrage nicht vereinigen. Insbesondere schien ihr zu dem Antrage auf eine Änderung der Kompetenz der vereinigten Konsistorien aus Anlaß eines einzelnen Falles eine Notwendigkeit nicht vorhanden zu sein. Vielmehr glaubten die Minister des Inneren, der Justiz und des Handels, daß das vereinigte Konsistorium, da es nun einmal in seiner Verfassung besteht, nach seiner Kompetenz, salvo recursu13 an den Landesfürsten, entscheide. Der Landesfürst selbst oder dessen Minister wären nach der Ansicht der Minister des Inneren, der Justiz und der Finanzen, welchen auch FML. Freiherr v. Kellner beitrat, auch berufen, in merito zu entscheiden; und es schlug der Finanzminister vor, diese Sache, da sie nun einmal zur Entscheidung der Regierung vorgelegt worden, auch sogleich definitiv damit abzutun, daß den Konsistorien bedeutet werde: „Wenn der helvetische Pastor in seiner Forderung so weit gegangen wäre, die Trauung zu verweigern, der Vorgang gesetzwidrig gewesen wäre, auch die öffentliche Ausstellung des Benehmens des Bräutigams durch den Pastor von der Kanzel herab mit Nennung des Namens des ersteren, sei zu mißbilligen.“
Der tg. gefertigte Präsident äußerte sich dahin, daß, wenn bei der gegenwärtigen Zusammensetzung der Konsistorien in gemeinsamen Gegenständen nach der Stimmenzahl entschieden werden muß, die Kalviner für immer unterliegen würden. Seiner Ansicht nach dürfte dieser Grundsatz nicht bestehen, vielmehr dahin aufzufassen sein, daß die Konsistorien auch in gemeinsamen Angelegenheiten nur nach dem übereinstimmenden Gutachten der Räte beider Konfessionen vorzugehen haben. Um hierüber jedoch die nähere Aufklärung zu erhalten, schien es ihm wünschenswert, daß nebst der Vorlage der Instruktion der Konsistorien von 1785 auch aus den Akten derselben erhoben werde, ob Fälle solcher Art bereits vorgekommen, wo der Beschluß durch die Mehrheit der Stimmen der einen Konfession zum Nachteil der anderen gefaßt und ausgefertigt worden ist.
Der Kultusminister glaubte zwar, daß das Resultat einer solchen Nachforschung auf den vorliegenden Fall, der iein Ergebnis der erst in neuerer Zeit auch unter den Protestanten sich kundgebenden Reaktion gegen die rationalistischen, indifferentistischen Tendenzen der jüngsten Vergangenheit seii ein Ergebnis der erst in neuerer Zeit auch unter den Protestanten || S. 46 PDF || sich kundgebenden Reaktion gegen die rationalistischen, indifferentistischen Tendenzen der jüngsten Vergangenheit sei, eine entscheidende Einwirkung nicht haben werde. Nachdem jedoch die Mehrheit der Konferenz den Wunsch ihres Vorsitzenden teilte, übernahm der Kultusminister die Beibringung der verlangten Nachweisungen14.
Wien, am 4. April 1857. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 12. April 1857.