Nr. 328 Ministerkonferenz, Wien, 29. Jänner 1856 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 29. 1., 9. 5.), Bach (31. 1.), Thun (1. 2.), K. Krauß, Toggenburg, Bruck.
MRZ. – KZ. 1280 –
- I. Frist zur Einlösung der Rott-, Berg- und Zinsgründe in Ungarn, der Woiwodina, sowie in Kroatien und Slawonien
- II. Aufhebung des Sequesters auf das Vermögen der politischen Flüchtlinge des lombardisch-venezianischen Königreichs
- III. Aufhebung des 5%igen Abzugs von diesem Vermögen
- IV. Personalzulage für den Lehrer Johann Krauss
- V. Pension und Erziehungsbeitrag für die Oberlandesgerichtsratswitwe Therese v. Koller
Protokoll der zu Wien am 29. Jänner 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Frist zur Einlösung der Rott-, Berg- und Zinsgründe in Ungarn, der Woiwodina, sowie in Kroatien und Slawonien
Der Minister des Inneren referierte den Entwurf einer der Ah. Genehmigung Sr. Majestät zu unterziehenden kaiserlichen Verordnung wegen Erweiterung der in den Patenten vom 2. März 1853 zur Rücklösung der Rottgründe in Ungarn und in der Woiwodina, dann mit dem Patente von demselben Datum für Kroatien und Slawonien zu dem gleichen Endzwecke, dann zur Regulierung und Rücklösung der Berg- und Zinsgründe festgesetzten dreijährigen Frist1.
Diese Frist beruhte auf der Voraussetzung, daß die Urbarialgerichte in diesen Kronländern, welche hierüber zu verhandeln haben, bald nach jenen Patenten würden aktiviert worden sein. Nachdem jedoch diese Aktivierung erst vor kurzem erfolgt, mittlerweile aber die dreijährige Frist beinahe abgelaufen ist, so ergibt sich die Notwendigkeit einer Erstreckung, welche hiermit bis Ende Dezember 1859 beantragt wird. Die Konferenz war hiermit einverstanden2.
II. Aufhebung des Sequesters auf das Vermögen der politischen Flüchtlinge des lombardisch-venezianischen Königreichs
Der Minister des Inneren kam seinem in der Konferenz vom 4. Dezember v. J.3 (KZ. 35/1856, MCZ. 3873/1855) geäußerten Vorbehalte gemäß auf die damals vorläufig besprochene Angelegenheit wegen Aufhebung des auf das Vermögen der politischen Flüchtlinge des lombardisch-venezianischen Königreichs gelegten Sequesters und wegen künftiger Behandlung derselben zurück. Nach reiflicher Erwägung aller hierauf bezüglichen Verhältnisse glaubte er, im Einvernehmen mit dem Minister des Äußern, dann dem Ziviladlatus des lombardisch-venezianischen Generalgouvernements, Grafen v. Thun, seine Anträge dahin erstatten zu sollen, daß || S. 227 PDF || ohne hierwegen eine ämtliche Kundmachung zu erlassen den Beteiligten eine Frist bis Ende des Jahres 1856 gegeben werde, binnen welcher sie ihr gegenwärtiges Verhältnis zur k. k. Regierung je nach den unten aufgezählten Kategorien in die Regel setzen und sich von den durch das Generalgouvernement im Jahr 1849 angeordneten Maßregeln befreien können4. Es soll nämlich der Generalgouverneur ermächtigt sein, denjenigen, welche um die straffreie Rückkehr in ihr Vaterland und um Aufhebung des auf ihr Vermögen gelegten Sequesters binnen jener Frist ansuchen, dieses gegen Einlegung des Unterwerfungsreverses zu bewilligen. Ebenso soll [es] denjenigen, welche aus besonderen Gründen nicht mehr in ihr Vaterland zurückkehren wollen, oder die von der k. k. Regierung nicht mehr zurückgenommen werden würden, freistehen, um Aufhebung des auf ihr Vermögen gelegten Sequesters und um Anerkennung ihrer ausländischen Untertanschaft zu bitten. Die Entscheidung hierüber soll den Ministern des Äußern und Inneren im Einvernehmen mit dem Chef der Obersten Polizeibehörde zustehen, deren Ermessen es überlassen bleibt, in besonderen Fällen, wo die Zulässigkeit der Eigenschaft eines sujet mixte aus politischen Gründen nicht ratsam wäre, die Bewilligung an die Bedingung zu knüpfen, daß der Bewerber sein im lombardisch-venezianischen Königreiche gelegenes Realeigentum binnen einer angemessenen Frist zu veräußern gehalten sei. Wer bis Ende 1856 sich gar nicht meldet, würde als der ihm hiermit angebotenen Begünstigung verzichtend angesehen, und es würde sein inländisches Besitztum veräußert und der Erlös nach Umständen für ihn oder für seine Erben deponiert werden. Den nicht begüterten Flüchtlingen endlich kann vom Generalgouverneur auf ihr Ansuchen ebenfalls die straffreie Rückkehr oder die Auswanderung bewilligt werden; gegen abweisliche Entscheidung steht der Rekurs an die Ministerien offen. Für eine vertrauliche Mitteilung dieser Beschlüsse an die königlich-sardinische Regierung sowie dafür, daß auch die Beteiligten im geeigneten Wege davon Kenntnis erhalten, würde gesorgt werden.
Die Konferenz erklärte sich mit diesen Anträgen einverstanden; nachdem das in der Sitzung vom 4. Dezember v. J. erhobene einzige Bedenken wegen der zwangsweisen Veräußerung der Liegenschaften in den erwähnten Fällen durch die Bemerkung des Ministers des Inneren behoben war, daß es sich um eine rein politische Maßregel und um Leute handelt, denen man behufs der Erlangung einer schon mehrmals vergebens angebotenen Amnestie nunmehr eine letzte Frist, selbst unter einer lästigen Bedingung zu setzen berechtigt ist, die also wenn sie davon gar keinen Gebrauch machen oder die Bedingung nicht eingehen wollen, sich die Folgen ihres Vorgangs selbst zuzuschreiben haben würden5.
III. Aufhebung des 5%igen Abzugs von diesem Vermögen
Im Zusammenhange mit der (sub II) Verhandlung wegen Aufhebung des Sequesters auf das Vermögen der lombardisch-venezianischen politischen Flüchtlinge steht der Antrag des Ministers des Inneren wegen Auflassung der 5%, welche || S. 229 PDF || vom Kapitalswerte des sequestrierten Vermögens der lombardisch-venezianischen politischen Flüchtlinge aus Anlaß der Kosten der nach dem Mailänder Aufstande vom 6. Februar getroffenen Sicherheitsmaßregeln abgenommen worden sind6.
In dem Augenblicke, wo die Aufhebung des Sequesters selbst ausgesprochen und erklärt würde, daß damit in keinem Falle eine Vermögenskonfiskation gemeint gewesen, würde die Abnahme jener 5% als eine wenigstens teilweisen Konfiskation sich kaum rechtfertigen lassen.
Der Minister des Inneren beantragte daher deren Auflassung, und die Konferenz trat dieser Ansicht in der Voraussetzung bei, daß auch der Finanzminister, welcher sich behufs näherer Einsichtnahme die Verhandlungsakten ausgebeten und erhalten hatte, nichts dagegen einzuwenden finden würde.
IV. Personalzulage für den Lehrer Johann Krauss
Der Unterrichtsminister referierte über die Meinungsdifferenz, welche laut Vortrag vom 26. d. M., KZ. 319, MCZ. 297, zwischen ihm und dem Finanzminister in betreff des Antrags auf eine Personalzulage von jährlich 100 fr. für den Zaleszczyckier Kreishauptschullehrer Johann Krauss besteht.
Ungeachtet der auch heute vom Finanzminister aufrecht erhaltenen Einsprache gegen diesen Antrag, glaubte der Unterrichtsminister denselben aus den im Vortrage dargestellten Gründen der Ah. Gnade Sr. Majestät gegenwärtig halten zu dürfen7.
V. Pension und Erziehungsbeitrag für die Oberlandesgerichtsratswitwe Therese v. Koller
Bei der Abstimmung über die Meinungsdifferenz zwischen dem Justiz- und dem Finanzminister (Vortrag vom 18. d. M., KZ. 252, MCZ. 226) über die Beteiligung der Oberlandesgerichtsratswitwe Therese v. Koller und ihrer vier Kinder haben sich die Stimmen geteilt.
|| S. 230 PDF || Während der Finanzminister anfänglich auf seiner Ansicht beharrte, daß die Bittstellerin, welche normalmäßig keinen Anspruch auf Pension hat, durch Verleihung einer Gnadengabe von jährlich 500 fr. für sich und ihre Kinder ausreichend berücksichtigt sein dürfte, erklärte der Justizminister seinerseits, den Antrag auf die Pension von 500 fr. für die Witwe und auf einen Erziehungsbeitrag von 50 fr. für jedes ihrer Kinder aus den im Vortrage entwickelten Motiven der Ah. Gnade empfehlen zu können, und der Handelsminister schloß sich diesem Antrag an.
Die übrigen, also mehreren Stimmen aber vereinigten sich in dem Vorschlage des tg. gefertigten Vorsitzenden auf Ag. Verleihung einer Gnadenpension von 400 fr. für die Witwe und von je 50 fr. für die Kinder in der Rücksicht, daß hiermit einerseits der Grundsatz, Gnadenpensionen nicht in dem Ausmaße der normalmäßigen Gebühr zu gewähren, aufrechterhalten, andererseits aber doch auch der Familie einige Verbesserung ihres Einkommens zuteilwerden würde. Diesem vermittelnden Antrage trat schließlich auch der Finanzminister bei8.
Wien, am 29. Jänner 1856. 9. Mai [1856] Gr[af] Buol9.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Vortrags [sic!] zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, 11. Mai 1856.