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Nr. 216 Ministerkonferenz, Wien, 14. April 1854 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 14. 4.), Bach, Thun, K. Krauß, Baumgartner.

MRZ. – KZ. 1486 –

Protokoll der zu Wien am 14. April 1854 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Aufhebung des Belagerungszustands im lombardisch-venezianischen Königreich

Der Minister des Inneren referierte über den Antrag des Feldmarschalls Generalgouverneurs des lombardisch-venezianischen Königreiches Grafen Radetzky wegen Aufhebung des Belagerungszustandes im Königreiche. Der Feldmarschall knüpft diesen Antrag zunächst an die Voraussetzung, daß die k. k. Regierung vermöge ihrer Stellung zu den Westmächten keinerlei Beunruhigung in Italien zu besorgen habe, dann an die Bedingung, daß zur Untersuchung der vorkommenden Hochverratsprozesse ein gemischter (Zivil- und Militär-) Spezialgerichtshof unter einem militärischen Chef und in Verbindung mit dem Generalgouverneur zu Mantua bestellt werde1.

In Beziehung auf die erstere Voraussetzung glaubte der tg. gefertigte Minister des Äußern die beruhigende Versicherung geben zu können, daß eine Störung der öffentlichen Ruhe im lombardisch-venezianischen Königreiche durch einen Einfluß von außen her nicht zu befürchten sei, solange die k. k. Regierung die bisher den auswärtigen Mächten gegenüber angenommene Haltung nicht wesentlich ändert und nicht etwa ganz unvorhergesehene Ereignisse eintreten2. Hierauf gestützt, glaubte die Konferenz einmütig, den Antrag des Feldmarschalls in thesi auf Aufhebung des Belagerungszustandes im lombardischvenezianischen Königreiche um so mehr bevorworten zu können, als diese Maßregel nicht verfehlen wird, sowohl im Lande selbst den günstigsten Eindruck zu machen als auch auswärts die Überzeugung von der Zuversicht Österreichs in seine Kraft zu befestigen. Was die Bedingung betrifft, unter welcher der Antrag gestellt wurde, so wurde dieselbe in zweifacher Beziehung gewürdigt, nämlich ob überhaupt ein Spezialgerichtshof für Hochverratsprozesse zu bestellen, dann wie derselbe zusammenzusetzen sei. Mit Ausnahme des Justizministers waren alle übrigen Stimmen für die Aufstellung eines einzigen Gerichtshofs im Königreiche zur Verhandlung der Hochverratsprozesse, weil bei dem organischen Zusammenhange der Revolutionspartei alle ihre Manifestationen so ineinandergreifen, daß sie nur von demjenigen gehörig durchschaut und verfolgt werden können, || S. 223 PDF || welcher in der vollen Kenntnis der diesfälligen Bestrebungen und Verbindungen ist. Dieses kann aber nur dann bewirkt werden, wenn sämtliche Hochverratsprozesse im Lande bei einem Gerichtshofe konzentriert werden. Der Justizminister hielt dagegen die Bestellung dieses Spezialgerichtshofs für überflüssig, weil für Hochverratsprozesse gesetzlich schon ein Spezialforum, das Landesgericht in der Hauptstadt des Kronlandes, besteht, und weil anach der Strafprozeßordnung die zusammen­hängenden Strafprozesse von einem und demselben Gericht verhandelt werden unda, wenn sich je ein besonderer Zusammenhang zwischen Hochverratsprozessen ergäbe, die etwa in beiden Gouvernementgebieten des Königreichs zugleich anhängig wären, leicht durch Delegation des einen oder des anderen der zwei Landesgerichte geholfen werden kann. Er hielt es auch für nicht unbedenklich, in dem Momente, wo die neue Strafprozeßordnung mit dem gesetzlich bestimmten Spezialforum für Hochverratssachen ins Leben treten soll, gleich wieder für eben diese Angelegenheit ein neues Ausnahmegericht zu statuieren3. bEndlich hielt der Justizminister es itzt noch nicht an der Zeit, einen Spezialgerichtshof für künftige Fälle zu bestimmen, da es noch immer dann erst tunlich sein wird, diese Frage in Verhandlung zu nehmen, wenn sich der Fall eines Hochverrates ergeben wird.b Was die Zusammensetzung des Gerichts anbelangt, so würde der Minister des Inneren keinen Anstand nehmen, für den Antrag des Feldmarschalls auf ein gemischtes Militär- und Zivilgericht unter militärischen Präsidium zu stimmen, sobald es nicht tunlich wäre, ein reines Zivilgericht zu bestellen, weil es sich ja um einen Übergang aus dem bisherigen Ausnahmezustande in den normalen handelt und nicht zu leugnen ist, daß militärische Richter in der Regel unabhängiger von der öffentlichen Meinung und frei von Einschüchterung sind als die nationalen.

Die übrigen, also eminent mehreren Stimmen aber erklärten sich gegen ein Militär- oder gemischtes Militärgericht, weil aus dem für die Notwendigkeit des Ausnahmegerichts angeführten Argumente die Notwendigkeit, daß selbes mit Militärrichtern besetzt werde, um so weniger sich ergibt, als der Feldmarschall selbst erklärt, gegen die Fähigkeit und Unbefangenheit der lombardisch-venezianischen Zivilrichter kein Mißtrauen zu hegen4.

A[h]. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 1. Mai 1854.