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Nr. 200 Ministerkonferenz, Wien, 4., 11. und 14. Februar 1854 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • Sammelprotokoll; RS.; P. Marherr (4. und 11. 2.), Wacek (14. 2.); VS. Buol-Schauenstein; BdE. (Buol 16. 2.), Bach, Thun, K. Krauß, Baumgartner.

MRZ. – KZ. 2177 –

Protokoll der zu Wien am 4., 11. und 14. Hornung 1854 abgehaltenen Ministerkonferenzen unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein. [4. Februar 1854] [anw. Buol, Bach, Thun, K. Krauß, Baumgartner]

I. Entwurf einer Verordnung über die politische Geschäfts- und Richteramtspraxis und die entsprechenden Prüfungen

In teilweiser Befolgung des Ah. Kabinettsschreibens vom 14. September 1852 1 hat der Justizminister im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren den Entwurf einer kaiserlichen Verordnung giltig für alle Kronländer mit Ausnahme der Militärgrenze ausgearbeitet und vorgelegt, womit die Bestimmungen über die zur politischen Geschäftsführung und zur Ausübung des Richteramts erforderliche Praxis und Prüfung festgesetzt werden2. Dieser Entwurf ward heute in Beratung genommen.

|| S. 143 PDF || § 1, ersten Absatzes in fine, wurde über Antrag des Ministers des Inneren mit Rücksicht auf das den Ministern im § 66 des Gesetzes über die Staatsprüfungen eingeräumte Dispensationsrecht3 die entsprechende Einschaltung respektive Modifikation dahin vorgenommen, daß es nach „theoretischen Staatsprüfungen“ zu lauten hat: „oder mit der etwa erhaltenen Dispens davon oder mit den nach dem Gesetze die Stelle dieser Staatsprüfungen vertretenden Belegen ausweise.“ [Zu] § 2 fand es der Minister des Inneren nicht angemessen, das Gesetz gleich nach dessen Erscheinen in Wirksamkeit treten zu lassen. Es wird unmöglich sein, es zu handhaben, weil Mangel an Kandidaten eher als Überfluß zu besorgen ist, also, um nur zur Besetzung der notwendigsten Stellen schreiten zu können, das Mittel häufiger Dispensationen wird eintreten müssen, was aber allemal das Ansehen des Gesetzes abschwächt. Er würde daher vorziehen, wenn das Gesetz erst vom Tage der vollendeten Realisierung der neuen Organisation4 in Wirksamkeit träte, welche Ansicht ain der Konferenza allenthalben beifällig aufgenommen wurde. Der Justizminister schlug vor, den diesem Antrag entsprechenden Beisatz im Eingang der Verordnung nach den Worten „daß vom usw.“ zu machen. Allein der Minister des Inneren glaubte, die Ausmittlung der geeigneten Stelle für diese Bestimmung einer späteren Erörterung vorbehalten zu sollen. Weiters gab die in diesem Paragraph angeordnete Forderung der zweifachen, politischen und Richteramtsprüfung von jedem, der mehr als Praktikant werden will, Anlaß zu Bemerkungen. Dem Minister des Inneren selbst schien sie zu hart, und er vermeinte, sie auf die Stellen der Bezirksadjunkten, Vorsteher und Kreiskommissäre beschränken zu sollen, damit nicht zu viele vom Eintritt in den Staatsdienst zurückgeschreckt würden. Auch der Kultus - und der Finanzminister hielten zwar die Forderung der doppelten Praxis, aber nicht so jene der Prüfung, für jeden Kandidaten für angemessen, weil ja ohnehin die theoretischen Staatsprüfungen vorausgehen, weil nicht jeder für beide Fächer geeignet, auch vielen ihre Laufbahn nur in einer Linie — entweder der politischen oder der Justizlinie — eröffnet, also in derlei Fällen die Prüfung aus beiden Fächern entbehrlich ist. Der Justizminister aber hielt die Forderung der doppelten Prüfung darum aufrecht, weil vermöge Ah. Anordnung auf die Erzielung eines für beide Branchen geeigneten Nachwuchses gesorgt werden soll; weil, wenn die Nützlichkeit der doppelten Praxis zugegeben wird, die Notwendigkeit der doppelten Prüfung sich von selbst ergibt, indem sonst keine Überzeugung gewonnen werden kann, ob der Kandidat in der doppelten Praxis auch für beide Fächer sich mit Erfolg ausgebildet habe; weil endlich, wenn von der Forderung der doppelten Prüfung im allgemeinen abgegangen würde, sich kaum ein Kandidat || S. 144 PDF || für die Bedienstungen bei den gemischten Bezirksämtern finden dürfte, indem den jungen Leuten die bessere Karriere bei den Kreisämtern oder Kollegialgerichten noch mit dem Nachlasse der einen Prüfung, also mit einer wesentlichen Erleichterung eröffnet sein würde5.

Nichtsdestoweniger haben sich bei der

am 11. Hornung unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern in Anwesenheit der sämtlichen übrigen Minister

fortgesetzten Beratschlagung alle übrigen Stimmen für die Einschränkung der Forderung der doppelten Praxis und Prüfung auf die Stellen eines Adjunkten und Vorstehers gemischter Bezirksbehörden erklärt.

Hiernächst muß bestimmt werden, für welche Posten des Justiz- und für welche Stellen des politischen Dienstes bei rein gerichtlichen oder politischen Ämtern die Prüfung aus der betreffenden Abteilung erfordert werden soll. In Ansehung der Gerichtsbehörden erklärte der Justizminister , daß jeder, welcher die Stelle eines Gerichtsadjunkten aspiriert, die Richteramtsprüfung abgelegt haben müsse, wogegen nichts zu erinnern war6. Politischerseits wurde festgesetzt, daß, um die erste Anstellung, das ist die eines Konzipisten, zu erlangen, die mit gutem Erfolge abgelegte politische Prüfung gefordert werden möge. Diesen Beschlüssen gemäß wird der § 2 umgearbeitet und bei der endlichen Redaktion des ganzen Entwurfs auch dasjenige berücksichtigt werden, was außer den weiter unten angeführten Reflexionen und Modifikationen auch noch in formeller, rein stilistischer Hinsicht beiläufig zur Sprache gebracht worden ist7.

Hiernach wird gleich der § 3 in Gemäßheit der neuen Bestimmungen des § 2 dahin abgefaßt werden müssen, daß jedem, der die Prüfung aus einem Fache ablegen will, bei welchem er nicht dient, der hierzu nötige Urlaubb erteilt werden solle.

Im § 5 muß in Gemäßheit der Überschrift des Entwurfs „gültig für alle Kronländer mit Ausnahme der Militärgrenze“ die Stelle „gilt für den ganzen Umfang des Reiches“ darnach modifizieret werden.

|| S. 145 PDF || § 6 kann, wie der Minister des Inneren bemerkte, im Rückblicke auf die Bestimmung im Eingange als selbstverständlich hinweggelassen werden. Er wurde daher gestrichen.

Zum § 11 bemerkte eben dieser Minister, daß es wünschenswert sei, daß die Prüfungen immer unter dem Vorsitze des Landeschefs oder dessen unmittelbaren Stellvertreters stattfinden und daß nicht eine weitere Stellvertretung des letzteren durch einen Mittelsrat zugelassen werde, denn es ist viel daran gelegen, daß sich die Chefs die unmittelbare Kenntnis von der Tüchtigkeit der Kandidaten verschaffen, und es geziemt sich, daß ein so wichtiger Akt auch von einem systemmäßig bestellten Vorsteher, nicht von einem den Beisitzern im Range gleichen Rate präsidiert werde. In Würdigung dieser Bemerkung wurde der § 11 dahin abgeändert: „Die Prüfungskommission hat unter dem Vorsitze des Landeschefs oder seines Stellvertreters aus zwei Räten usw. zu bestehen.“

Zu § 12 erachtete der Kultusminister , daß für den rein politischen Dienst von der Forderung der schriftlichen Prüfung abgegangen werden könnte, nachdem die theoretische Staatsprüfung und eine wenigstens einjährige Praxis des Kandidaten im politischen Dienste vorausgegangen sind, während welcher er wohl hinlänglich Gelegenheit gefunden haben dürfte, seine Konzeptsfertigkeit usw. zu zeigen. Allenfalls könnten dessen während der Praxis verfaßte Konzepte der Prüfungskommission zur Einsicht und Beurteilung vorgelegt werden. Der Minister des Inneren und mit ihm die Mehrheit bestanden aber auf der Forderung auch der schriftlichen Prüfung, weil diese der Probierstein der vollkommenen Eignung des Kandidaten zu allen Arten von Amtsschriften ist, welche — wie die Erfahrung leider nicht selten lehrt — nicht bei allen angetroffen wird, und weil die während der Praxis ausgearbeiteten Konzepte in der Regel nur einfache und formularmäßige Erledigungen enthalten, mithin der Beurteilung über die Tüchtigkeit des Kandidaten im Aufsatz nicht wohl zur Grundlage dienen können. Im § 15 muß erwähnt werden, daß auch „der Präsident“ Fragen zu stellen habe.

Fortsetzung am 14. Februar 1854. Vorsitz und Gegenwärtige wie in den früheren Sitzungen.

Der Minister des Inneren glaubte, mit Beziehung auf den Gegenstand der letzten Beratung noch die Bemerkung nachtragen zu sollen, daß die Details über die Abhaltung der Prüfungen (Zusammensetzung der Prüfungskommission, Fragestellung, Klausur etc.) nicht in das vorliegende Gesetz gehören dürften, sondern den Gegenstand einer besonderen Instruktion, welche die Minister hierüber erlassen würden, zu bilden hätten, zu welcher Ansicht sich auch der vorsitzende Minister des Äußern bekannte. Nachdem jedoch der Justizminister erinnert hatte, daß ähnliche Details auch in den Ah. genehmigten Vorschriften über die Abhaltung der Staatsprüfungen und der judiziellen Prüfungen aufgenommen erscheinen und daß Se. Majestät Ah. anzuordnen geruht haben, bei dem in der Rede stehenden Entwurf einer kaiserlichen Verordnung, auch über die Art der abzuhaltenden politischen und Richteramtsprüfungen Anträge Allerhöchstdemselben || S. 146 PDF || zu erstatten8, und da es diesem Minister wesentlich zu sein scheint, daß der wichtige Akt der Prüfungen einer bestimmt ausgesprochenen und auch von den Beteiligten im voraus gekannten Kontrolle unterworfen sei, haben die oberwähnten Stimmführer nicht weiter auf ihrer obigen Ansicht beharrt.

Bei der hierauf vom § 18 fortgesetzten Besprechung über den vorliegenden Verordnungsentwurf haben sich folgende Bemerkungen ergeben:

Im § 18, Zeile 17, ist nach dem einstimmigen Erachten der Konferenz statt „oder in bezirksgerichtlichen Geschäften“ zu setzen: „in gerichtlichen Geschäften bei einem Bezirksamte oder Bezirksgerichte.“

§ 19, sechste Zeile, in der Parenthese wäre größerer Deutlichkeit und Bestimmtheit wegen zu setzen: „(Statthalterei, Landesregierung, Statthaltereiabteilung)“, und im zweiten Absatze dieses Paragraphes, vierte Zeile, wären nach dem Wort „Gerichte“ noch die Worte: „oder Bezirksamte“ hinzuzufügen.

Im§ 21, lit. c, Zeile 9 und 10, sind nach dem Beschlusse zu § 11 dieser Verordnung, wornach die Prüfungskommission unter dem Vorsitze des Landeschefs oder seines Stellvertreters aus zwei Räten zu bestehen hat, von dem Vertreter des Landeschefs aber die weitere Vertretung an einen Rat nicht mehr übertragen werden soll, die Worte „oder einem Rat“ zu streichen.

Zu lit. d dieses Paragraphes, wornach der Kandidat, wenn er nebst der deutschen auch einer der im Oberlandesgerichtsbezirke9 üblichen Landessprache kundig ist, auf sein Verlangen auch in dieser Sprache zum Teil geprüft werden soll, bemerkte der Minister des Inneren , daß er diesen Absatz als die Prüfungen beirrend aus der Verordnung ganz weglassen würde. Ihm leuchtet die Notwendigkeit nicht ein, die Prüfung auch noch aus einer anderen als der allgemeinen Geschäftssprache, nämlich der deutschen, zu machen. Wenn ein Rat über die in der Sitzung vorzutragende Klassifikation der Prüfungskommission — bei der Voraussetzung der abgelegten Prüfung in zwei Sprachen — sein Votum über diese Klassifikation abgeben soll, so müßte er dieser beiden Sprachen mächtig sein, und daß überall und alle Räte, wo mehrere Landessprachen bestehen, dieser Sprache mächtig seien, sei schwer zu erreichen und der freien Verwendung der Beamten in diesem oder jenem Kronlande hinderlich. Die Erprobung der Sprachkenntnis gehöre, wie der Minister des Inneren weiter bemerkte, auf ein anderes Feld, und der Richter sei nicht berufen, über die Sprachkenntnis und Sprachfertigkeit der Kandidaten zu urteilen. Wenn ja schon die Sprachkenntnis einer anderen Landessprache zu erproben wäre, so könnte es allenfalls bei der schriftlichen Prüfung geschehen, bei welcher dem Kandidaten auch ein in dieser Sprache verhandelter Prozeß zur Entscheidung vorgelegt werden könnte. Der Justizminister sprach sich für die Beibehaltung dieser Bestimmung aus. Der Richter müsse mit den Parteien sprechen und in den Kronländern, wo mehrere Landessprachen bestehen, in gegebenen Fällen auch in diesen Sprachen mit den Parteien verhandeln. || S. 147 PDF || Es sei daher notwendig, sich die Überzeugung zu verschaffen, ob der künftige Richter der für ihn notwendigen Sprachen mächtig sei oder nicht, ob er sich in der erforderlichen Sprache gehörig ausdrücken könne, die gesetzlichen Ausdrücke innehabe usw. Die Vornahme der Prüfungen in der andern Landessprache unterliege auch keiner Schwierigkeit, weil dafür gesorgt worden sei und künftig werde gesorgt werden, daß bei jedem Oberlandesgerichte, wenn nicht alle, doch mehrere beider Landessprachen mächtige Räte angestellt werden. Auch könne die Lösung dieser Frage nicht wohl umgangen werden, weil, wie schon die Erfahrung bei den Advokatenprüfungen in Ungarn etc. gelehrt, sogleich die Anfrage gestellt wird, in welcher Sprache geprüft werden solle. Der Minister Graf Thun trat dieser letzteren Ansicht mit der Bemerkung bei, es sei bereits in der bisherigen Übung gegründet, bei welcher es ferner zu bewenden hätte, daß bei den Richteramtsprüfungen, um sich zu überzeugen, ob der zu Prüfende auch die ihm jedenfalls notwendige andere Landessprache innehabe, derselbe eine oder einige Fragen in dieser Sprache zu beantworten erhielt. Es unterliege schon jetzt und werde auch künftig keinem Anstande unterliegen, eine hinlängliche Anzahl von beider Sprachen mächtigen Räte zu haben. Dann bestimme die Verordnung, daß nur auf Verlangen der Kandidaten die Prüfung zum Teile auch in der andern Landessprache vorzunehmen ist. Diese Prüfungen können allerdings nicht der einzige Weg sein, eine Sprachkenntnis zu erproben, welche Erprobung noch auf mancherlei andere Art geschehen kann, allein ein geeigneter und angemessener Weg, sich über eine Sprachkenntnis und Sprechfertigkeit darin die Überzeugung zu verschaffen, bleibe dies immerhin. Der Minister Graf Thun und die übrigen Stimmführer der Konferenz sprachen sich einverständlich mit dem Justizminister für die Beibehaltung der in dem Artikel d der Verordnung enthaltenen Bestimmung aus. Der Minister des Inneren erklärte sich weiter auch mit dem letzten Absatze dieses Artikels d, wornach im lombardisch-venezianischen Königreiche und in Dalmatien es noch vorläufig gestattet sein soll, die Prüfung in italienischer Sprache allein abzulegen — vom Jahre 1859 angefangen sei dieselbe jedoch auch in diesen Kronländern zugleich in deutscher Sprache als der Geschäftssprache der Zentralregierung des Reiches vorzunehmen —, nicht einverstanden, weil die Vorbedingungen, die Maßregel zumal im lombardisch-venezianischen Königreiche auszuführen, daselbst mangeln und es gegenwärtig noch immer zweifelhaft ist, ob die Studierenden dort in der angegebenen Zeit der gestellten Forderung werden entsprechen können. Was die in diesem Absatze festgesetzte Zeit — das Jahr 1859 — anbelangt, wurde bemerkt, daß sich die Zeit, von welcher an die Prüfungen daselbst auch in der deutschen Sprache vorgenommen werden sollen, nur sehr schwer bestimmen ließe und allenfalls auf acht Jahre nach der Wirksamkeit dieses Gesetzes ausgedehnt werden dürfte. Nach längerer Besprechung über diesen Gegenstand, wobei insbesondere der Minister des Inneren den Wunsch aussprach, die heikliche Frage über die Geschäftssprache für das lombardischvenezianische Königreich nicht in das vorliegende Gesetz hineinzuziehen und dasselbe nur für die Kronländer der Monarchie mit Ausnahme der Militärgrenze, wie schon im Eingange der Verordnung bemerkt wurde, und des lombardischvenezianischen Königreiches, was im Eingange der Verordnung hinzuzufügen wäre, || S. 148 PDF || zu erlassen, einigte sich die Konferenz in der Ansicht, die in der Rede stehende Verordnung für Italien, wo gemischte Ämter ohnehin nicht vorhanden sind10, nicht zu erlassen, sondern für das lombardisch-venezianische Königreich einen eigenen Gesetzesentwurf über die politische Geschäfts- und über die Richteramtspraxis, dann über die praktischen politischen und Richteramtsprüfungen nach den Grundsätzen des vorliegenden Gesetzes zu verfassen und denselben gleichzeitig mit diesem Gesetze Sr. Majestät zur Ah. Schlußfassung vorzulegen11. Hiernach wäre der letzte Absatz des Artikels d aus dem vorliegenden Gesetze ganz wegzulassen.

Zu § 23 wurde bemerkt, daß der erste Satz dieses Paragraphes stante concluso zu § 2, wornach die Forderung der doppelten Praxis und Prüfung auf die Stellen eines Adjunkten und Vorstehers gemischter Bezirksbehörden eingeschränkt und in der politischen Linie, um die erste Anstellung, das ist die eines Konzipisten, zu erlangen, die mit gutem Erfolge abgelegte politische Prüfung gefordert werden soll, nun als entbehrlich erscheine, daher wegzulassen wäre.

§ 25, Zeile 19, ist statt „innerhalb eines Jahres“ „innerhalb dreier Jahre“ zu setzen, um den von dieser Bestimmung getroffenen Individuen hinlänglich Zeit zur Vorbereitung zu gönnen.

Der letzte Satz des § 26 wäre als überflüssig, weil die darin vorkommende Bestimmung nur schwer einer Kontrolle unterzogen werden könnte, wegzulassen12, und im § 27, siebte Zeile, wäre das Wort „besonders“ zu streichen und der Schluß dieses Paragraphes angemessener dahin zu textieren: „in einzelnen Fällen von der Praxis ganz oder teilweise oder von der Ablegung der Prüfung Nachsicht zu bewilligen.“

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf v. Thun bemerkte am Schlusse der Beratung, er könne sich mit dem dem vorliegenden Verordnungsentwurfe zum Grunde gelegten Prinzipe, daß alle Konzeptsbeamten in den Dienstzweigen der Justizpflege und der politischen Verwaltung einer Kategorie angehören und ihre Vorbildung durch das Studium an Universitäten erhalten sollen, nicht einverstanden erklären, und glaubte, diesem Entwurfe den Antrag entgegenstellen zu sollen, daß alle Stellen bei den Bezirksämtern und Stellen minderen Ranges bei den Statthaltereien und Landesregierungen und bei den Oberlandes- und Kollegialgerichten auch Individuen zugänglich gemacht werden, die nicht an Universitäten studiert haben. Die nähere Begründung dieses Antrages hat der Minister Graf v. Thun in dem hier ehrerbietigst angeschlossenen Votum niedergelegt13 und auf dem Grunde dieser Darstellung folgende von dem vorliegenden Verordnungsentwurfe abweichende Bestimmungen in Antrag bringen zu sollen erachtet:

1. Alle Dienststellen bei den Bezirksämtern sind auch Personen zugänglich, die keine Universität besucht haben.

|| S. 149 PDF || 2. Sie werden auf Grundlage des Zeugnisses über die mit genügendem Erfolge bestandene Maturitätsprüfung zunächst in den Kanzleidienst oder in den Steueramtsdienst aufgenommen, können aber auch zur Führung des Protokolls bei Einvernehmungen und Verhören und zu minder wichtigen Konzeptsarbeiten ebenso verwendet werden, wie dazu das Konzeptspersonale bei Kreisämtern, Magistraten, Landgerichten etc. stets verwendet wurde.

3. Nach einer mindestens sechsjährigen Dienstleistung können sie sich einer Prüfung aus dem adeligen Richteramte und dem Grundbuchswesen bei einem Kollegialgerichte und aus den politisch-administrativen Geschäftszweigen bei einem Kreisamte unterziehen und, wenn sie diese Prüfungen gut bestanden haben, können sie als Aktuare14 bei einem Bezirksamte angestellt werden.

4. Ausgezeichnete Aktuare solcher Art können zu minderen Stellen bei höheren Gerichtsbehörden oder bei der politischen Landesstelle befördert werden.

5. Es steht ihnen überdies frei, sich der Richteramtsprüfung bei dem Oberlandesgerichte und der Prüfung aus dem administrativen Dienste bei der politischen Landesstelle zu unterziehen und sich dadurch für das Amt eines Bezirksadjunkten oder Bezirksrichters zu qualifizieren.

6. Wer auf diesem Wege zum Bezirksaktuar oder weiter avanciert ist, der kann auch zu den theoretischen Staatsprüfungen zugelassen werden und sich dadurch die Befähigung zu jeder Anstellung erwerben.

Der Justizminister erklärte sich mit den hier von dem Minister Grafen Thun entwickelten Ansichten und den darauf gegründeten Anträgen nicht einverstanden. Nach diesem Antrage, bemerkte derselbe, würden, wenn die minderen Stellen durch absolvierte Gymnasiasten besetzt werden dürften, zwei voneinander gesonderte Klassen von Beamten entstehen, welche vielfältigen Anlaß zu Reibungen und Kollisionen geben würden, und es würde dadurch ein Proletariat von Beamten ins Leben gerufen, deren Schicksal nicht abzusehen wäre cund deren größter Teil sich nicht über die Mittelmäßigkeit erheben und von Einseitigkeit befreien könntec . Die Universitäten seien nicht bloß dafür da, um Gelehrte dund einige Professorend zu bilden, sondern auch um vollkommen brauchbare Beamte für den Staatsdienst heranzuziehen. Durch die Zulassung minder gebildeter Individuen zu dem Konzeptsdienste würden nur Routiniers, aber keineswegs in jeder Beziehung tüchtige, eehrenhafte und verläßlichee Beamte erzielt. Eine vierjährige wissenschaftliche Bildung auf der Universität gewähre ganz andere Anschauungen und Ideen fund ein viel regeres Gefühl für Rechtlichkeit und Ehrenhaftigkeitf als eine noch so lange, bloß praktische Dienstleistung in der untersten Sphäre. Jetzt sei die Stellung eines Bezirksamtes von ganz anderer Art, als [es] die Stellung der früheren Patrimonialämter und Patrimonialgerichte war. Die Bezirksämter haben jetzt die ganze Ziviljustiz, dann einen Teil der Strafjustiz und die || S. 150 PDF || Voruntersuchungen für die letztere in weit ausgedehnten Sprengeln zu verwalten. Um dieser Aufgabe im Sinne und in der Absicht der Regierung vollkommen zu genügen, seien höhergebildete Beamte erforderlich, über deren Eignung hierzu man sich die Überzeugung durch [eine] mit ihnen vorgenommene Prüfung verschafft hat. Durch bloße Routine und einfachen Schlendrian könne der erwähnten hohen Aufgabe keineswegs entsprochen werden. Unter dem früheren Studiensysteme seien Beamte auf den Universitäten gebildet worden, die auf einer höheren Stufe der für den Dienst erforderlichen Vollkommenheit standen als die damaligen Patrimonialbeamten, wo sie bestanden haben. Daß auch in dem Patrimonialdienste einzelne Beamte, welche Fleiß und Begabung hatten, es zu einer gewissen Auszeichnung und Vollkommenheit brachten, könne nicht in Abrede gestellt werden, allein die nur selten vorgekommene Ausnahme könne nicht als Regel aufgestellt und angenommen werden. Der Justizminister bemerkte ferner, daß, da höhergebildete und geprüfte Beamte den mindergebildeten und ungeprüften schon den allgemein bestehenden Anordnungen gemäß jederzeit werden vorgezogen werden müssen, der von dem Minister Grafen Thun gestellte Antrag nur die Heranziehung von Unzufriedenen zur Folge haben würde, zumal es bei dem immerwährenden Fortschreiten der Wissenschaft, worüber die Universität am besten und zuverlässigsten Auskunft und Kenntnis gewähren kann, diesen letzteren Beamten nicht so leichtfallen dürfte, sich den theoretischen und nach Umständen den praktischen Staatsprüfungen zu unterziehen. Der frühere zu große Andrang zu den juridischen Studien hatte darin seinen Grund, daß kein Polytechnisches Institut, keine Anstalt im Staate zur Bildung der Jugend für die Industrie und den Handel bestand und sich daher alles auf das Jus warf. Dieses habe aber jetzt und schon seit Jahren eine andere Wendung genommen, ohne übrigens einen Mangel an für den Staatsdienst gebildeten Aspiranten zu erzeugen. Der Minister des Inneren sprach sich in demselben Sinne aus. Er findet die vom Minister Grafen Thun für seinen Antrag angeführten Gründe und Motive, daß nämlich die gegenwärtige Einrichtung der Universitätsstudien und der Staatsprüfungen den erwähnten Vorgang notwendig mache und daß die Bezirksämter dadurch eine größere Stabilität erlangen, nicht entscheidend.

In den von Sr. Majestät über die Einrichtung der Bezirksämter Ah. erlassenen Bestimmungen sei ausgesprochen, daß Beamte dieser Ämter aus den jungen Männern, die als Konzeptspraktikanten aufgenommen sind, ergänzt werden sollen15. Die Konzeptspraktikanten müssen aber die juridischen Studien und die praktische Prüfung gemacht haben, wie sie das Gesetz vorschreibt16. Von diesen Bestimmungen könne daher nicht mehr abgegangen werden. Da ferner nach dem in dem vorliegenden Verordnungsentwurfe gestellten Antrage der Bezirksadjunkt und der Vorsteher des Bezirksamtes beide Befähigungen, die politische und judizielle, haben müssen und der Minister Graf Thun in Ansehung der Sache derselben Ansicht und nur in Ansehung der Zeit der Erwerbung dieser Befähigungen einer anderen Meinung ist, so würde sich der Antrag des Ministers Grafen || S. 151 PDF || Thun der Wesenheit nach nur auf die Aktuare erstrecken, zu welcher Stelle auch ohne Studien gelangt werden könnte. Ob es aber nötig und zweckmäßig sei, wegen. einer Stelle das sonst allgemein bestehende System zu alterieren, müsse mit Grund in Zweifel gestellt werden. Der Minister des Inneren fände ferner den Vorgang, daß die Vorsteher eines Amtes bloß auf der Basis der Routine zu diesem Posten gelangen, bedenklich; so wie er auch die Ansicht nicht teilen kann, daß die Studien deshalb, weil man sie für alle im Konzepte anzustellenden Beamten fordert, auf den Universitäten schlecht betrieben werden dürften und die jetzige Einrichtung der Staatsprüfungen deshalb eine andere werden müßte. Den Studien, meint dieser Minister, würde dadurch kein Eintrag geschehen, so wie er auch die Besorgnis nicht teilt, daß an dem für den Staatsdienst erforderlichen Nachwuchs ein Mangel entstehen dürfte.

Was die größere Stabilität der Bezirksämter anbelangt, bemerkte der Minister des Inneren, daß diese durch die Solidität und fixe Stellung der Beamten und nicht dadurch bedingt sei, daß dabei eine geringere Klasse von Beamten, gleichsam der Abhub derselben, Verwendung und Anstellung finde. Die Bezirksämter stehen im ausgedehntesten Rapport mit der Bevölkerung und sind am meisten der Verführung ausgesetzt. Wenn Leute nur mit Routine, von laxer Auffassung und Geschäftsführung und ohne Aussicht auf Beförderung dabei angestellt sind, so könne dies nicht anders als bedenklich für den Dienst erscheinen. Die Mängel der früheren Einrichtung der Pfleggerichte17 — der höhere Gehalt war nämlich an einen bestimmten Ort gebunden etc. — seien gegenwärtig beseitigt. Jetzt haben die Beamten der Bezirksämter im allgemeinen gleiche Bezüge und können in die höheren Gehaltsstufen überall, wo sie sich befinden, vorrücken, wodurch der jedenfalls nachteilige häufige Wechsel der Beamten am zweckmäßigsten beseitigt erscheint. Die Bezirksämter seien erste Instanzen in allen Zivilfällen und haben in den meisten Straffällen die Voruntersuchung vorzunehmen, wozu nicht unwissende und beschränkte Beamte, Beamte mit einer Art Pariastellung, verwendet werden können. Die Anstellung von nichtstudierten Leuten sei früher nur in Böhmen und Mähren üblich gewesen, und da seien für die Justizgeschäfte geprüfte Justitiäre18 bestellt gewesen. Die Einführung von etwas ganz neuem in den Kronländern, wo diese Übung nicht bestand, erscheine demnach durchaus nicht als Bedürfnis oder auch nur als wünschenswert. gZudem sei ja gerade jener Zweig der Verwaltung, welcher bei den Patrimonialämtern von nichtstudierten Leuten besorgt wurde, nämlich das Waisenrechnungssteuer- und Rentamtsgeschäft, teils ganz entfallen, teils werde es nicht bei den Bezirksämtern, sondern bei eigenen Ämtern, den Steuerämtern, besorgt, bei welchen, wie bei den Kanzleiposten, auch itzt nicht die juridischen Studien gefordert werden. Endlich spreche auch die früher in Dalmatien, Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Krain, Küstenland etc. gemachte Erfahrung gegen das von dem Herrn Unterrichtsminister vorgeschlagene System.g Zudem sei ja gerade jener Zweig der Verwaltung, welcher bei den Patrimonialämtern von nichtstudierten Leuten besorgt wurde, nämlich das Waisenrechnungssteuer- und Rentamtsgeschäft, teils ganz entfallen, teils werde es nicht bei den Bezirksämtern, sondern bei eigenen Ämtern, den Steuerämtern, besorgt, bei welchen, wie bei den Kanzleiposten, || S. 152 PDF || auch itzt nicht die juridischen Studien gefordert werden. Endlich spreche auch die früher in Dalmatien, Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Krain, Küstenland etc. gemachte Erfahrung gegen das von dem Herrn Unterrichtsminister vorgeschlagene System.

Der Minister des Inneren sprach sich sonach gegen den obigen Antrag des Ministers Grafen Thun aus, und die Minister der Finanzen und des Äußern fanden gegen die Ansichten des Justizministers und des Ministers des Inneren nichts zu erinnern19.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 12. Oktober 1854.