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Nr. 156 Ministerkonferenz, Wien, 3. September 1853 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 3. 9.), Bach 6. 9., Baumgartner 6. 9.; abw. Thun, K. Krauß.

MRZ. – KZ. 3444 –

Protokoll der zu Wien am 3. September 1853 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Organisierung der Bezirksämter in Schlesien

Der Minister des Inneren referierte über die Organisierung der Bezirksämter in Schlesien nach seinem Vortrage vom 31. August 1853, KZ. 3674, MCZ. 2974. Nach demselben sollen die dermaligen Bezirke in ihrer Zahl, Abgrenzung und mit den bisherigen Standorten der Bezirksbehörden beibehalten, 20 gemischte und zwei politische Bezirksämter errichtet und mit einem Personale im ganzen von 221 Individuen mit einer Beköstigung von jährlich 105.874 fr. ausgerüstet werden.

Die Konferenz fand nichts dagegen zu erinnern1.

II. Organisierung der Komitatsbehörden im Oedenburger Verwaltungsgebiet

Vortrag des Ministers des Inneren vom 31. August 1853, KZ. 3674, MCZ. 2972, im Betreffe der Organisierung der Komitatsbehörden im Verwaltungsgebiete der Oedenburger Statthalterei­abteilung. Nach demselben würden die bisherigen neun Komitate mit einigen nicht bedeutenden Modifikationen in der Abgrenzung, dann die dermaligen Standorte der Komitatsbehörden beibehalten, diese letzteren selbst aber mit einem im ganzen aus 131 Individuen bestehenden Personale und einem Salarialstatus von 95.512 fr. dotiert werden.

Hiermit war die Konferenz einverstanden2

III. Organisierung des Landesgerichts in Czernowitz

Der Antrag des Justizministersstellvertreters3 vom 26. August 1853, KZ. 3620, MCZ. 2927, wegen Errichtung eines Landesgerichts zu Czernowitz für das Herzogtum Bukowina und Systemisierung seines Personal- und Besoldungsstandes mit 69 Individuen und 47.164 fr. (dann über den schwebenden Status für die Landtafel etc. mit drei Individuen und 2000 fr.), vorgetragen statt des wegen Unpäßlichkeit abwesenden Justizministers durch den Minister des Inneren, gab keinem Votanten der Konferenz Anlaß zu irgendeiner Einwendung4.

IV. Organisierung der Gerichtshöfe erster Instanz im Großwardeiner Gebiet

Der Minister des Inneren referierte für den wegen Unwohlseins verhinderten Justizminister über die Anträge des Stellvertreters desselben vom 23. August 1853, KZ. 3609, MCZ. 2910, wegen Organisierung der Gerichtshöfe erster Instanz im Sprengel des Großwardeiner Oberlandesgerichtes. Fünf solcher Gerichtshöfe, und zwar ein Landesgericht zu Großwardein und vier Kreisgerichte zu Debreczin, Szathmár (Némethi), Gyula und Arad, sollen hiernach errichtet und deren Personal- und Salarialstatus zusammen mit 212 Individuen und 152.210 fr. systemisiert werden.

Von keiner Seite der Konferenz ergab sich dagegen eine Erinnerung5.

V. Verordnung gegen Verlautbarung von Hof- und Dienstnachrichten durch die Privatpresse

Der Minister des Inneren brachte den zwischen ihm und dem Stellvertreter des Justizministers, dann dem Chef der Obersten Polizeibehörde vereinbarten Entwurf einer Verordnung wegen Namhaftigmachung der Quellen der in öffentlichen Blättern enthaltenen Hof- und Dienstnachrichten zum Vortrage. Um unrichtigen oder entstellten Nachrichten dieser Art zu begegnen und, sofern, wenn sie richtig sind, eine Verletzung des Amtsgeheimnisses eintritt, dieselbe zu ahnden, sollen die Redakteure periodischer Druckschriften, welche solche Nachrichten in ihre Blätter aufnehmen, in jedem Falle verpflichtet sein, über Aufforderung der kompetenten Behörde die eigentliche Quelle derselben anzugeben, und es soll beim Verdacht einer Amtsgeheimnisverletzung überhaupt jedermann schuldig sein, der inquirierenden Behörde hierwegen Rede zu stehen – bei Strafe von 25–200 fr.

Die Konferenz erklärte sich mit dem hiernach bei Sr. Majestät zu erstattenden Vortrage (KZ. 3692) einverstanden6

VI. Gnadengabe für die Kriminalratswaise Lubich

Im Vortrage vom 24. August 1853, KZ. 3612, MCZ. 2923, erbittet sich der Justizministers­stellvertreter gegen das Einraten des Finanzministeriums eine Gnadengabe von 40 fr. jährlich für die geisteskranke Tochter des abgelebten Königgrätzer Kriminalrates Lubich. Da ihre Mutter schon seit 1844 eine Pension von 266 fr. 40 Kreuzer genießt, nur für dieses eine Kind zu sorgen hat, während das Gesetz zur Beteilung der Kinder deren mehr als drei fordert, da endlich der größte Teil der Pension (200 fr.) aus den Stadtrenten und nur 66 fr. 40 Kreuzer ab aerario bezahlt werden, so trat der statt des unpäßlichen Justizministers referierende Minister des Inneren der auch vom anwesenden Finanzminister vertretenen Ansicht bei, daß kein genügender Anhaltspunkt vorliege, auf die Beteilung dieser Waise anzutragen.

Hiernach ist die Majorität der Konferenz gegen den Antrag des Justizministersstellvertreters7.

VII. Besitz von Immobilien durch Juden

Infolge der Ab. Entschließung vom 29. Juli 1. J., betreffend die Wiederherstellung des vorigen Verhältnisses der Juden rücksichtlich der Erwerbung unbeweglicher Güter und Anordnung eines Provisoriums bis zur definitiven Regelung der Judensachen8, hat der Minister des Inneren sich mit dem Justizminister ain dem Entwurfe einer kaiserlichen Verordnung geeinigt, wornach zwar die vor 1848 in jedem Kronlande bestandenen, die Besitzfähigkeit der Juden beschränkenden Vorschriften provisorisch in Kraft treten, abera in dem Entwurfe einer kaiserlichen Verordnung geeinigt, wornach zwar die vor 1848 in jedem Kronlande bestandenen, die Besitzfähigkeit der Juden beschränkenden Vorschriften provisorisch in Kraft treten9, aber die bisher erfolgte Erwerbung eines unbeweglichen Gutes durch einen Juden, auch wenn dieselbe noch nicht in die öffentlichen Bücher eingetragen ist (unter den gehörigen Vorsichten gegen etwaige Zurückdatierung der den Erwerbungstitel enthaltenden Urkunden), als gültig angesehen werden soll10.

Die Konferenz erklärte sich hiermit einverstanden.

VIII. Behandlung der seit 1849 in Disponibilität versetzten politischen Beamten

Mit 14. September 1853 hat das den in Disponibilität versetzten politischen Beamten durch Ah. Entschließung vom 14. September 1852 11 zugestandene Begünstigungsjahr abzulaufen. Mehrere sind bereits definitiv untergebracht oder in Ruhestand versetzt worden, die andern stehen noch in Verwendung. Der Grund, warum der Termin bis 14. September 1853 festgesetzt worden, war wohl kein anderer, als daß man hoffte, bis dahin mit der neuen Organisierung fertig zu sein. Hierin hat man sich getäuscht, und es werden noch Monate vergehen, ehe die neu organisierten respektive zu organisierenden Behörden werden besetzt werden können12. Es schien also dem Minister des Inneren billig, den noch in Verwendung stehenden Beamten auch nach Ablauf des Begünstigungsjahres ihre Bezüge so lange zu belassen, bis infolge des Inslebentretens der neuen Organisierung ihr Schicksal definitiv entschieden werden kann. Ist doch den durch Aufhebung des Ministeriums für Landeskultur bdisponibel gewordenen Beamtenb das Begünstigungsjahr bis 2. Dezember 1853 gewährt13. Es wäre hart, wenn die politischen Beamten bloß des zufälligen Umstandes wegen, daß die Ah. Bestimmung für sie früher erfloß, übler daran sein sollten. Da der Finanzminister sich bereits im Korrespondenzwege und heute auch mündlich in thesi hiermit einverstanden erklärt hat, so wird der Minister des Inneren mit Zustimmung der Konferenz den Antrag an Se. Majestät dahin erstatten, daß im allgemeinen zwar der Termin bis 14. September 1853, insbesondere rücksichtlich der schon itzt infolge ihrer Qualifikation zur definitiven Behandlung reifen Beamten, aufrechterhalten, denjenigen aber, welche für den Dienst noch nötig und zur Anstellung bei den neuen Behörden geeignet sind, die Wirkungen des Begünstigungsjahres bis zur vollendeten Organisierung erstreckt werden14.

IX. Kolonisation in Ungarn

Die Kolonisierung in Ungern beschäftigt gegenwärtig die Aufmerksamkeit Deutschlands.

Dem Minister des Inneren sind bereits von Baron Varnbüler, welcher einem Geschäfte dieser Art sich unterziehen möchte, hierwegen Eröffnungen gemacht worden, welche dahin zielen, ein größeres Staatsgut in Ungern unter günstigen Bedingnissen an sich zu bringen, welche den Proponenten in die Lage versetzen würden, dasselbe an Kolonisten aus Deutschland ebenfalls unter vorteilhaften Bedingnissen zu verteilen. Namentlich wird die Zugestehung mäßiger Zahlungsraten gewünscht, damit die Kolonisten in die Lage kommen, ihr Besitztum in der Heimat ohne Verlust zu verkaufen, den sie sonst, besonders bei der Auswanderung nach Amerika, || S. 311 PDF || unfehlbar dadurch erleiden, daß sie gezwungen sind, dasselbe auf einmal, also um jeden Preis, zu realisieren. Es ist offenbar, daß auf solche Weise und, wenn sich Männer, die Vertrauen genießen, an die Spitze eines solchen Unternehmens stellen, die Lust zur Ansiedlung in Ungern auch bei wohlhabenderen Familien in Deutschland geweckt und der Strom der Auswanderung von Amerika nach Ungern gelenkt werden dürfte. Da nun auch die Wiener Immobilien-Gesellschaft sich zur Unterstützung der Kolonisationswerber bei Veräußerung ihrer heimatlichen Besitzungen angeboten hat, so glaubte der Minister des Inneren, den Baron Varnbüler zur Einreichung eines diesfälligen Projektes auffordern und diese Angelegenheit hier in der Absicht zur Sprache bringen zu sollen, damit wegen Ausmittlung solcher zur Kolonisierung geeigneter Staatsgüter oder Gutsteile in Ungern, dann wegen Festsetzung der den Unternehmern zu gewährenden Erleichterungen in dem oben angedeuteten Sinne eine Verhandlung zwischen ihm und dem Finanzminister angeknüpft werden möge. Der Finanzminister erklärte sich hierzu bereit, indem in Ungern Gutskörper genug vorhanden sind, welche zu diesem Zwecke verwendet werden können und sollen, und weil die hierbei von der Staatsverwaltung etwa zu gewährenden Begünstigungen vielfach durch die Vorteile aufgewogen werden, welche die bessere Kultivierung des Landes und die Zunahme der Steuerkräfte gewähren. Nur müßte von Seite des Ministeriums des Inneren auf den Charakter und die Zuverlässigkeit der Unternehmer im großen Rücksicht genommen und bezüglich der Kolonisten selbst dasjenige festgesetzt werden, was deren Annehmbarkeit, Ausdauer und Leistungs- sowie nachhaltige Steuerfähigkeit zu verbürgen geeignet ist.

X. Einführung der Verzehrungssteuer in Krakau

Der Finanzminister referierte über die zwischen ihm und dem Minister des Inneren in der Hauptsache bereits vereinbarten Maßregeln zur Wiedereinführung der Verzehrungssteuer im Krakauer Gebiete cnach dem allgemeinen Prinzip für geschlossene Städte der zweiten Klassec, welche wegen mehrerer gleich anfangs dagegen erhobener Klagen wieder aufgehoben und nach dem früher im Freistaate bestandenen System modifiziert worden ist15.

Dieses System hat sich jedoch als nicht angemessen bewährt, weil dadurch eine Ungleichheit in der Besteuerung gegenüber den andern Kronländern aufrechterhalten würde und weil insbesondere die Stadt Krakau selbst bei ihren Einkünften || S. 312 PDF || aus dem Steuerzuschlage so wesentlich verkürzt wird, daß sie fortan zu Vorschüssen aus der Staatskasse ihre Zuflucht nehmen muß und am Ende nicht mehr im Stande sein wird, ihre Schulden zu tilgen. Darum sind beide Minister darin einig, die Verzehrungssteuer auf dem Fuße, wie sie für die geschlossenen Städte zweiter Klasse in den übrigen Teilen des Reichs besteht, im Krakauer Gebiete wieder einzuführen, und nur darin besteht zwischen ihnen eine Meinungsdifferenz, daß das Ministerium des Inneren bei der hierwegen angestellten Beratschlagung sich gegen die Steuerverpachtung in Krakau erklärte, weil es meinte, daß hierbei Vexationen und Überhaltungen der Steuerpflichtigen von Seite der Pächter, und besonders wenn die letztem Juden sind, bedenkliche Folgen eintreten dürften. Der Finanzminister erklärte dagegen, daß die Steuerverpachtung auch anderwärts und sogar zum Vorteile der Steuerpflichtigen besteht, weil der Pächter über manche kleinere Artikel, von denen bei der Staatsregie natürlich die Steuer unnachsichtlich eingehoben wird, wegen der damit verbundenen Umständlichkeit und Kosten hinauszugehen pflegt; daß ferner gegen Vexationen und Überhaltungen der Schutz der Behörden zur Einhaltung der Tarifsätze angerufen werden kann; daß ferner, was das Bedenken wegen der Juden betrifft, dagegen bemerkt werden muß, daß bei der Menge der Juden in Krakau der jüdische Pächter es auch meist mit seinen Glaubensgenossen zu tun haben wird, daß endlich die Steuereinhebung in eigener Regie dem Staate über 50% kostet, mithin in finanzieller Beziehung die Verpachtung derselben weit vorzuziehen ist16.

Durch die vom Finanzminister angeführten Gründe fand sich der Minister des Inneren bestimmt, von dem Widerspruche gegen die Verpachtung abzugehen, womach also dem einhelligen Beschlusse gemäß das Weitere vom Finanzminister wird veranlaßt werden17.

XI. Verzehrungssteuer-Satzänderung bei einigen Artikeln in Wien

Im Februarvertrage mit Preußen und den Zollvereinsstaaten ist festgesetzt, daß gewisse Verzehrungssteuergegenstände, welche aus dem Auslande eingeführt werden und der Verzollung unterliegen, den im Inlande erzeugten gleichartigen Artikeln gleichgehalten werden, d. h. keine höhere Verzehrungssteuer zahlen sollen, als der Zoll beträgt18 Dies hat die Anderung der Verzehrungssteuersätze bei einigen solchen Artikeln zur Folge, und zwar für Wien, wozu sich der Finanzminister die Zustimmung der Konferenz mit dem Bemerken erwirkte, daß bei einigen wichtigen Artikeln, z. B. Schlachtvieh, der Satz unverändert bleibt, bei manchen sogar eine Erhöhung zuläßt. Der Minister des Inneren mußte sich hierbei vorbehalten, den hiernach bei den städtischen Einnahmen an dem Verzehrungssteuerzuschlage sich ergebenden Ausfall in anderer Weise zu decken.

XII. Verfahren bei Ehrenflaggenverleihung

Bei Verleihung der mit Ah. Entschließung vom 16. April 1850, MCZ. 1520, eingeführten Ehrenflaggen wird das Verdienst eines Bewerbers darum zuerst von einer eigenen Kommission geprüft19. Erkennt sie demselben diese Auszeichnung nicht zu, so bleibt die Sache auf sich beruhen. Trägt sie darauf an, so geht der Antrag ans Ministerium und von diesem mit dessen eigenem Gutachten an Se. Majestät. Nun ist der Fall vorgekommen, daß bei Beurteilung der Ansprüche eines Bewerbers die Stimmen der Kommission gleichgeteilt waren, und es ist nun die Frage, was weiter zu geschehen habe. Der Handelsminister war einstimmig mit dem Präsidenten der Zentralsee­behörde20. der Ansicht, daß, wo gleiche Stimmen für und wider die Verleihung vorliegen, dies nicht als ein Antrag der Kommission auf die Verleihung angesehen werden könne und demnach die Sache auf sich zu beruhen habe.

Da die Konferenz diese Ansicht mit Rücksicht auf die überhaupt für die Stimmenzählung und Beschlußfassung geltenden Normen vollkommen teilte, so wird der Handelsminister diese Angelegenheit in dem Sinne erledigen, wie er angetragen hat.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Schönbrunn, 8. September 1853.