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Nr. 12a Bemerkungen des Ministers für Kultus und Unterricht Graf Thun zur Einführung des ABGB. in Ungarn, [Wien] o. D. (Beilage zu: MRP-1-3-01-0-18520519-P-0012.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; Beilage zum Ministerkonferenzprotokoll v. 19. 5. 1852.

MRZ. – KZ. –

Nach dem Wortlaut des Ah. Patentes vom 31. Dezember 1851 soll das ABGB. auch in Ungarn und den übrigen Teilen des Reiches, in denen es bisher keine Geltung hat, eingeführt werden "nach und mit den angemessenen Vorbereitungen und mit Beachtung der eigentümlichen Verhältnisse dieser Länder". In dem vorliegenden Entwurfe des Einführungspatentes ist zwar schon hierauf Rücksicht genommen, und es sind deshalb auch einige von den Paragraphen des ABGB. abweichende Bestimmungen in Antrag gebracht. Ich glaube jedoch, daß hierin noch etwas weiter gegangen werden sollte, und zwar hinsichtlich derjenigen Partien, die sich auf die Aufrechterhaltung der Autorität in der Familie und auf die Erhaltung des Vermögens in derselben beziehen, indem ich es überhaupt und bei den Zuständen jener Länder insbesondere für sehr wichtig halte, das Band der Familienverhältnisse nicht ohne Not zu lockern. Das ABGB. hat, mehr als die Gesetzgebung irgendeines anderen Landes, die väterliche Gewalt auf ein Minimum reduziert. Wenn in den fraglichen Ländern dem Vater mehr Autorität über seine Kinder gesetzlich zusteht, so soll meines Erachtens sehr reiflich erwogen werclen, ob und inwieweit ein praktischer Grund vorhanden sei, sie auf ein geringeres Maß zu beschränken. Ebenso hat das ABGB. die Eheleute in Beziehung auf ihre Vermögensverhältnisse vollkommen unabhängig voneinander gestellt, was zur Folge hat, daß der Mann die Frau nicht hindern kann, ihr Vermögen zu verschwenclen, daß aber auch niemand einen verschwenderischen Mann hindern kann, durch seinen natürlichen Einfluß auf sie ihr Vermögen mit in seinen Ruin zu ziehen. Wenn solchen Übelständen in den fraglichen Ländern bisher durch gesetzliche Bestimmungen vorgebeugt ist, so scheint mir ebenfalls kein Grund vorhanden, sie der bloßen Gleichförmigkeit der Gesetze zum Opfer zu bringen. In Beziehung auf Intestaterbfolge hat das ABGB. den Grundsatz gleicher Teilung nach Stamm ohne alle Rücksicht auf die Provenienz des Vermögens, also auf die Idee eines Familiengutes, durchgeführt. Ich glaube, daß es im Interesse des Staates liegt, diese Idee, wo sie besteht, zu erhalten. Sie liegt der Avitizität zugrunde, wenn sie auch faktisch durch dieselbe sehr schlecht verwirklicht wurde. Ich bin der Ansicht, daß bei Aufhebung derselben der Grundsatz paterna paternis hinsichtlich des liegenden Vermögens bei der Intestaterbfolge bis zu einem gewissen Grade aufrecht erhalten werden sollte. Endlich scheint es mir nicht ausführbar, das ABGB. schon im laufenden Jahre in jenen Ländern einzuführen. Soll denselben eine Wohltat damit erwiesen werden, so muß man den Richtern, Advokaten und Parteien Zeit gönnen, sich damit vertraut zu machen. Verwirrungen in tausend Verhältnissen sind sonst ganz unvermeidlich.

Thun