Nr. 606 Ministerrat, Wien, 26. Dezember 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Schwarzenberg keine BdE.
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg, BdE.Bestätigung der Einsicht fehlt), P. Krauß (BdE.Bestätigung der Einsicht fehlt), Baumgartner 2. 1., Bach 7. 1., Thinnfeld 27. 12., Thun, Csorich, K. Krauß; abw.abwesend Stadion, Kulmer.
MRZ. 4376 – KZ. 4623 –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten [in] Wien am 26. Dezember 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
[I.] Verfassungsrevision (7. Beratung)
Der Ministerpräsident las die ihm von Sr. Majestät übergebenen Entwürfe eines Ah. Patents und der in dessen Nachhange zu erlassenden Ah. Kabinettschreiben an den Minister- und an den Reichsratspräsidenten in betreff der Außerkraftsetzung der Verfassung vom 4. März 1849 und der Einleitung der Bearbeitung der wichtigsten und dringendsten Gegenstände der Organisierung nach den in der Beilage des ersten Ah. Kabinettschreibens vorgezeichneten Grundsätzen1.
Der Ministerpräsident eröffnete zugleich die Ah. Absicht Sr. Majestät, diesen wichtigen und dringenden Gegenstand in einer morgen unter dem Ah. Vorsitze stattfindenden Sitzung beraten zu lassen.
Dies gab jedoch dem Ministerrate Anlaß zu der Bitte um einen kleinen Aufschub, damit jeder Minister für sich und der Ministerrat insgesamt sich eine feste Meinung über die den Organisierungsarbeiten zu unterlegenden Grundsätze zu bilden vermöge, zumal nachdem der Ministerrat mit der Beratschlagung über das Elaborat der Kommission zu den Vorarbeiten der Verfassungsrevision bisher noch nicht zu Ende gekommen ist.
Als Deliberationspunkte über die in der Beilage des ersten Ah. Kabinettschreibens vorgezeichneten Grundsätze wurden nämlich schon heute bezeichnet vom Finanzminister : die Frage, ob bei Aufzählung der Kronländer in betreff Siebenbürgens des im § 1 der Verfassung vom 4. März vorkommenden Beisatzes „mit Inbegriff des Sachsenlandes etc.“ nicht ebenfalls erwähnt werden soll, da in dieser Beziehung den Sachsen wirklich Ah. Zugeständnisse gegeben worden sind; ob ferner nicht auch der so wichtigen Nationalitätsfrage Erwähnung getan und die Bestimmung des § 5 der Reichsverfassung wegen Gleichberechtigung aller Volksstämme und Wahrung ihrer Nationalität in den der neuen Organisierungsarbeit unterlegten Grundsätzen mit aufgenommen werden solle.
Weiters schien dem Finanzminister nötig, auch die meisten Bestimmungen des III. Abschnitts der Reichsverfassung ausdrücklich aufzunehmen, da nicht alle derselben in den zwei, im Patentsentwurfe enthaltenen Hauptgrundsätzen über die Gleichheit aller Staatsbürger|| S. 450 PDF || vor dem Gesetze und über die Aufrechthaltung der Befreiung von allem Untertansnexus begriffen sind, ihre ausdrückliche Aufführung mithin wesentlich zur Beruhigung des Publikums über einige wichtige Institutionen und Zugeständnisse gereichen würde.
Vom Minister des Inneren wurden als Deliberationspunkte hervorgehoben: der abgesonderte Bestand der Woiwodschaft und des Temescher Banats; die Beibehaltung der Distriktseinteilung Ungarns; die Frage, ob nicht statt den Gemeindevorständen den Gemeinden selbst die Verpflichtung zur Mitwirkung für öffentliche Angelegenheiten aufzuerlegen wäre; ob nicht den Kreisbehörden auch ein entscheidender Wirkungskreis einzuräumen, und statt der unbedingten Tutel der Gemeinden, nicht wenigstens deren Repräsentanten einige Wirksamkeit in Gemeindeangelegenheiten, z. B. bei Grundveräußerungen, Umlagen etc. zuzugestehen wäre; ferner die Notwendigkeit der Einführung des allgemeinen bürgerlichen und peinlichen Rechts und [der] Gerichtsordnung in allen Ländern der Monarchie; die Publikation der Rechnungslegung über den Staatshaushalt und die ausdrückliche Gewährleistung der Staatsschuld, in welch letzterer Beziehung auch der Finanzminister die Angemessenheit einer Ah. Erklärung hierüber anerkannte.
Vom Kultusminister wurde, bezüglich der Vertretung, die Schwierigkeit hervorgehoben, welche sich aus der Berufung der Schule dazu ergeben dürfte2, und in Ansehung der Justizorganisierungsgegenstände die näheren Erläuterungen des Justizministers vorbehalten, wobei übrigens schon itzt auf die Notwendigkeit der Beibehaltung der Staatsanwaltschaft, die Unzweckmäßigkeit der Instanzeneinteilung und von Seite des Kultusministers auf die alsogleiche Beseitigung der Geschwornengerichte sowie auf die Gründung eines besonderen Gerichtsstandes für die aus dem Gemeindeverbande eximierten großen Grundbesitzer hingedeutet wurde3.