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Nr. 600 Ministerrat, Wien, 17. Dezember 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg (bei I–V abw.; keine Angabe über den Vorsitz während dieser Zeit); BdE. und anw. (Schwarzenberg, bei I–V abw.; BdE. fehlt), P. Krauß 29. 12., Bach 19. 12., Thinnfeld 20. 12., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 4242 – KZ. 4455 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 17. Dezember 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Zulagen für die Professoren der siebenbürgischen Rechtsakademien

Der Minister für Kultus und Unterricht referierte über eine Meinungsdifferenz zwischen ihm und dem Finanzministerium in betreff der von ihm beantragten Zulagen für die vier Professoren der deutschen Fächer an den beiden siebenbürgischen Rechtsakademien. Die Organisierung der letzteren ist noch im Zuge; inzwischen wollen aber die gedachten vier Professoren wegen der Unzulänglichkeit ihrer Gehalte die Akademien verlassen und sich um andere, lohnendere Anstellungen bewerben1. Um sie zu fesseln, ward ein Zuschuß von monatlichen 25 f. für jeden beantragt, die Unterstützung dieses Antrags aber vom Finanzministerium abgelehnt2.

Nach der von dem Unterrichtsminister hier gegebenen näheren Aufklärung äußerte der Finanzminister , dem Antrage weniger in der Wesenheit als in der Form entgegen zu sein, und nachdem der Unterrichtsminister sich hierwegen dahin ausgesprochen hatte, daß in der vorgedachten Absicht die fragliche Zulage nur einstweilen und bis zur Regulierung des Personal- und Salarialstatus beantragt werde, erklärte der Finanzminister , seine Zustimmung dazu nicht vorenthalten zu sollen3.

II. Begünstigungen bei der Branntweinsteuer in Ungarn, Siebenbürgen und Kroatien

Gegen den Antrag des Finanzministers, in Ungern, Kroatien etc. adieselbe Begünstigung auf ein Jahr zuzugestehen, welche für Galizien durch Bewilligung von Abfindungen für die Branntweinsteuera gewährt worden ist, ergab sich keine Erinnerung4.

III. Militärinvalidenhaus in Lemberg

Der Kriegsminister brachte zur Kenntnis des Ministerrats, daß Se. Majestät die Errichtung eines eigenen Militärinvalidenhauses für Galizien Ag. zu genehmigen geruht haben und daß er behufs der Ausführung dieser Ah. Anordnung die Vorschläge des dortigen Landesmilitärkommandos im Einvernehmen mit dem Statthalter abgefordert habe, nach deren Einlangen er das weitere Einvernehmen mit dem betreffenden Ministerium pflegen wird5.

IV. Unterstaatssekretär für das Ministerium für Landeskultur und Bergwesen

Der Minister für Landeskultur und Bergwesen brachte die bereits unterm 12. d. M. sub Nr. V besprochene Absicht, Se. Majestät um die Erhebung des Ministerialrats v. Scheuchenstuel zum Unterstaatssekretär seines Ministeriums zu bitten, abermals mit der Bemerkung in Vortrag, daß die Unterstaatssekretärsstelle für dieses Ministerium systemisiert ist, während eine Sektionschefstelle es nicht ist, daß demnach, wollte Scheuchenstuel zum Sektionschef vorgeschlagen werden, eigentlich von dem systemisierten Status abgegangen werden müßte, bdaß der Gehalt eines Sektionschefs und Unterstaatssekretärs gleichmäßig 6000 f. betrageb, daß es endlich gerade bei diesem Ministerium, wo der Minister häufigere Bereisungen zu unternehmen genötigt ist, vorzüglich wünschenswert erscheint, ihn während seiner Abwesenheit durch einen höher gestellten Beamten vertreten zu lassen.

Nach dieser Äußerung nahmen der Finanzminister so wie die übrigen Stimmen keinen Anstand, dem Antrage auf Ernennung Scheuchenstuels zum Unterstaatssekretär beizutreten6.

V. Verdienstkreuz für Wenzel Stark

Der Handelsminister brachte − unter allseitiger Zustimmung − die Erwirkung des goldenen Verdienstkreuzes cmit Kronec für den Postkontrollor Stark in Berücksichtigung der langen und sehr belobten Dienstleistung sowie vorzüglich des ausgezeichneten Benehmens desselben im Jahre 1848 in Antrag7.d

VI. Einstellung des Geroldschen Nachdrucks des neuen österreichischen Zolltarifs

Mit Beziehung auf die Deliberation im Ministerrate vom 15. d. M. ad Nr. I betreffend die bei Gerold erschienene Auflage des neuen Zolltarifs brachte der Minister des Inneren zur Kenntnis des Ministerrates, daß, vermöge § 18 des Gesetzes vom 1846 zum|| S. 415 PDF || Schutze des literarischen Eigentumes8, die k. k. Ärarialstaatsdruckerei für ihre Erzeugnisse des ausgedehntesten Schutzes genießt und daß von denselben ohne besondere Erlaubnis der betreffenden Staatsbehörde kein Abdruck gemacht werden darf. Unter diesen Verhältnissen ist es nicht zweifelhaft, daß Gerold zum Nachdruck des Zolltarifs nicht berechtigt war und daß es keinem Anstande unterliege, die Verbreitung dieses Nachdrucks nach dem Antrage des Ministers des Inneren in polizeilichem Wege einzustellen9.

VII. Strafrestnachsicht für Johann Szittya

Der Justizminister reproduzierte seinen Begnadigungsantrag vom [Ministerrat v.] 11. Oktober 1851, Nr. XV, zu Gunsten des wegen Vorschubleistung zur ungrischen Revolution auf fünf Jahre verurteilten Pfarrers Johann Szittya (Sztverteczky).

Bei der damaligen Ministerberatung ward der Beschluß gefaßt, durch den Kultusminister über die Glaubwürdigkeit der zu Gunsten Szittyas ausgestellten Zeugnisse sowie über dessen Benehmen überhaupt nähere Erhebungen pflegen zu lassen. Das Resultat derselben fiel durchaus zu Gunsten Szittyas aus, und da seine Beteiligung bei der Revolution bloß in der Verkündigung der revolutionären Erlässe und Gebote bestand, denen von seiner Pfarrgemeinde keine weitere Folge gegeben worden war, so beantragte der Justizminister die Erwirkung der Nachsicht des von Szittya noch zu vollstreckenden dreijährigen Strafrestes, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte10.

VIII. Verfassungsrevision (1. Beratung)

Nun wurde mit der Beratschlagung über das Elaborat der durch Ah. Entschließung vom 4. Oktober 1851 bestellten Kommission begonnen, welche mit den Vorarbeiten zu der mit Ah. Kabinettschreiben vom 20. August 1851 angeordneten Revision der Reichsverfassung vom 4. März 1849 beauftragt war11.

Als Substrat der Beratschlagung diente die „Nachweisende Zusammenstellung der Hauptergebnisse der Beratungen“ der gedachten Kommissione ;12 es ward die Ablesung dieser Zusammenstellung und deren punktweise Beurteilung beliebt.

Gleich im Eingange (Seite 4) gab die Definition der staatlichen Einheit Anlaß zu Bemerkungen13.|| S. 416 PDF ||

Der Kultusminister glaubte, daß es nötig sei, hierbei vorzüglich der Einheit und Ungeteiltheit des Ministeriums in Bezug auf dessen Wirksamkeit über alle Kronländer zu erwähnen; der Justizminister , welcher ebenfalls diese Definition für zu eng hielt, glaubte, daß die staatliche Einheit vornehmlich durch die Einheit der Regierungsmaximen und der Gesetze dargestellt werde, und der Finanzminister führte weiter aus, wie auch in der ausübenden Gewalt bis in ihre unterste Gliederung die Einheit hergestellt werden müsse, indem er zugleich auf diejenigen – wie ihm scheint zweckmäßigen – Bestimmungen hindeutete, welche die Verfassung vom 4. März bezüglich der Reichs-, also allen Kronländern gemeinsamen Angelegenheiten enthält.

Der Minister des Inneren entwickelte in einem längeren Vortrage den historischen Gang der Trennung Ungerns vom Kaiserreiche und die hieraus sich ergebende Notwendigkeit, dasjenige klar aufzufassen und auszusprechen, wodurch alleine der Rückkehr zu ähnlichen Bestrebungen mit Erfolg vorgebeugt werden kann.

Auch der Handelsminister zeigte die Notwendigkeit einer neuen Redaktion der bezüglichen Stelle, damit eine positive Definition der betreffenden Begriffe die nachfolgenden negativen Erläuterungen entbehrlich mache.

Indem sofort der Finanzminister mit der Bemerkung schloß, daß es vornehmlich darauf ankommen dürfte, die Begriffe der staatlichen Einheit und der Bedingungen der monarchischen Gestaltung des Reichs sich als Grundlagen der nachfolgenden Deliberationen vollkommen klar zu machen, kam der Ministerrat vorläufig darin überein, die fragliche Stelle von jedem Minister neu textieren zu lassen und sich über definitive Annahme der endlichen Redaktion derselben in der nächsten Sitzung zu einigen14.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 21. Dezember 1851.