Nr. 601 Ministerrat, Wien, 19. Dezember 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Schwarzenberg keine BdE., Schwarzenberg keine BdE.
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg, BdE.Bestätigung der Einsicht fehlt), P. Krauß 20. 12., Bach 23. 12. (bei I und II abw.abwesend), Thinnfeld 20. 12., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw.abwesend Stadion, Kulmer.
MRZ. 4266 – KZ. 4456 –
- I. Auszeichnung für Franz Pecoroni
- II. Zollämtliche Behandlung der Gegenstände des Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky v. Radetz
- III. Schließtage der Verschleißstätten für Tabak in Ungarn etc
- IV. Betrieb der Tabakfabrik in Temesvár an Sonn- und Feiertagen
- V. Termin zur Zahlung der direkten Steuern für 1851 in Kroatien etc
- VI. Auszeichnung für Karl Braun
- VII. Strafmilderung für Josef v. Komlósy
- VIII. Nachsicht des Strafrestes für Stefan Lapotsi
- IX. Verfassungsrevision (2. Beratung)
Protokoll der am 19. Dezember 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix von Schwarzenberg.
I. Auszeichnung für Franz Pecoroni
Dem Antrage des Finanzministers Freiherrn von Krauß , für den Finanzintendenten Pecoroni, welcher 49 Jahre mit Auszeichnung dient, den der Feldmarschall Graf Radetzky sehr anrühmt und der sich im Jahre 1848 gut benommen und seine Anhänglichkeit an die Regierung dargetan hat, von der Ah. Gnade Sr. Majestät die Auszeichnung mit dem Ritterkreuze des Franz-Joseph-Ordens zu erwirken, hat der Ministerrat beigestimmt1.
II. Zollämtliche Behandlung der Gegenstände des Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky v. Radetz
Der Finanzminister referierte weiter, es sei zur Kenntnis der Finanzverwaltung gekommen, daß für den Feldmarschall Grafen Radetzky eine Menge von Gegenständen bei den Zollämtern in Mailand und Verona zollfrei behandelt worden sind2.
Der hierüber um seine Äußerung angegangene Feldmarschall bemerkte, diese zollfreie Behandlung sei ohne sein Wissen geschehen, bat aber für die Zukunft um die Begünstigung, seine Bedürfnisse zollfrei beziehen zu dürfen3.
Der Finanzminister meint, daß, was das Vergangene anbelangt, bei Sr. Majestät die Passierung des dem Zollgefälle entgangenen, 12.000 Lire übersteigenden Betrages in Antrag gebracht werden dürfte, eine zollfreie Behandlung der Bedürfnisse des Feldmarschalls für die Zukunft aber könne wegen der Konsequenzen nicht zugestanden werden.
Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden4.
(Bei dem Vortrage und der Schlußfassung über No. I und II war der Minister des Inneren Dr. Bach nicht gegenwärtig.)
III. Schließtage der Verschleißstätten für Tabak in Ungarn etc
Hierauf brachte der Finanzminister die den Minister des Kultus zunächst angehende Frage zur Erörterung, an welchen Tagen in Ungarn und den ungarischen Ländern die Verschleißstätten für den Tabak geschlossen gehalten werden sollen. In den deutschen Ländern seien gewisse Tage bestimmt (die höchsten Feiertage des Jahres), an welchen die gedachten Verschleißstätten nicht geöffnet werden dürfen. Dieses, meint man, wäre auch in Ungarn und in den ungarischen Ländern zu beobachten und den geschlossenen Tagen noch das Fest des Landespatrons und rücksichtlich der augsburgischen und helvetischen Konfessionsverwandten der Karfreitag hinzuzufügen.
Der Herr Erzherzog Militär- und Zivilgouverneur von Ungarn hält die Anreihung des alleinigen Karfreitags für hinreichend5.
Der Finanzminister teilt diese Ansicht umso mehr, als, wenn man den Tag des Landespatrons von Ungarn hinzunehmen wollte, man es auch in den übrigen Provinzen der Monarchie nicht wohl verweigern könnte.
Der Kultusminister und der Ministerrat erklärten sich damit einverstanden6.
IV. Betrieb der Tabakfabrik in Temesvár an Sonn- und Feiertagen
In Temesvár befindet sich, wie der Finanzminister bemerke, eine Tabakfabrik, die sehr beschäftiget ist, weil Siebenbürgen von dort mit Tabak versehen werden muß. In dieser Fabrik stehet eine Tabakschneidmaschine, welche eben wegen des erwähnten großen Tabakbedarfs auch an Sonn- und Feiertagen von 8–12 Uhr im Betriebe erhalten wird.
FML. Graf Coronini sprach sich gegen die Benützung der Tabakschneidmaschine an Sonn- und Feiertagen aus, während die Tabakfabrikendirektion eine solche Unterlassung wegen des großen Tabakbedarfs nicht für ausführbar hält7.
Der Kultusminister fände es anstößig und zum Ärgernisse Anlaß gebend, wenn man die gedachte, Geräusch machende Maschine an Sonn- und Feiertagen gerade während der Zeit des Gottesdienstes arbeiten ließe, und da nach der Äußerung des mit den Verhältnissen der Tabakfabrikation genau bekannten Handelsministers sich die vier Arbeitsstunden, welche jetzt an Sonn- und Feiertagen in Anspruch genommen werden, sich leicht auf andere Tage einteilen lassen dürften, so sprach sich der Ministerrat gegen die Verwendung der Tabakschneidmaschine zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen aus, wornach der Finanzminister diesen Gegenstand seiner Erledigung zuführen wird8.
V. Termin zur Zahlung der direkten Steuern für 1851 in Kroatien etc
Dem Finanzministerium ist die Äußerung der Behörden in Agram zugekommen, daß die direkten Steuern in Kroatien und Slawonien für das Verwaltungsjahr 1851 noch im|| S. 430 PDF || Monate Oktober d. J. nicht vollständig repartiert waren9. Da auf diese Weise das Verwaltungsjahr 1851 zu Ende gegangen ist, ehe die Steuer für dieses Jahr bestimmt und repartiert wurde, so schiene es hart, wenn auch die Steuer an sich nicht bedeutend ist, im Jahre 1852 neben der kurrenten Steuer auch den ganzen Rückstand vom Jahre 1851 einheben zu lassen. Es wurde daher vom Lande der Antrag gestellt, die Einhebung der Rückstände in drei Jahre einzuteilen10. Diesen Zeitraum findet der Finanzminister zu groß und glaubt ihn, bei der Unbedeutendheit der Steuer, auf zwei Jahre mit der weiteren Ermächtigung beschränken zu sollen, daß dort, wo bei diesem Termine doch eine Überbürdung vorkommen sollte, die Einteilung auf drei Jahre gestattet werden könne. Der Minister des Inneren und der Ministerrat erklärten sich damit einverstanden11.
VI. Auszeichnung für Karl Braun
Der Finanzminister brachte schließlich eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Ministerium des Inneren und dem Finanzministerium wegen Auszeichnung des Med. Doktors in Zistersdorf, Karl Braun, mit dem goldenen Verdienstkreuze zur Sprache. Dieser Doktor hat durch eine lange Reihe von Jahren die Finanzwache und die Grenzwache in Zistersdorf und Umgegend umsonst behandelt. Die Behörden trugen deshalb auf eine Auszeichnung desselben mit dem goldenen Verdienstkreuze an. Der Umstand, daß Dr. Braun vor 10 Jahren, als Pächter einer Jagdbarkeit, wegen einer schweren Polizeiübertretung gegen die körperliche Sicherheit untersucht und bestraft wurde, wird von ihnen als kein Hindernis in dem vorliegenden Falle angesehen.
Der Finanzminister teilte diese Ansicht, weil so bedeutende Dienste durch eine lange Reihe von Jahren geleistet durch bloße Zufriedenheitsbezeugung, auf welche der Minister des Inneren antrug, ihm nicht genug abgelohnt scheinen. Bei der hierüber vorgenommenen Abstimmung beharrte der Minister des Inneren bei seiner früher ausgesprochenen Ansicht, welcher zufolge er wohl eine Zufriedenheitsbezeugung, nicht aber eine sichtbare Auszeichnung begründet fände, welcher sohin zum Beschlusse erwachsenen Meinung die Stimmenmehrheit des Ministerrates beitrat. Mit dem Finanzminister stimmte für eine Auszeichnung aus den angeführten Gründen bloß der Justizminister12.
VII. Strafmilderung für Josef v. Komlósy
Der Justizminister Ritter von Krauß referierte hierauf über die vorgekommenen Gesuche der Schwester und des Schwagers des Dreißigstbeamten aus Warasdin, Josef Komlósy, um Nachsicht des Strafrestes oder wenigstens um Umwandlung der || S. 431 PDF || Schanzarbeit in einfachen Festungsarrest13. Komlósy wurde im Jahr 1848 von der ungarischen Partei aufgefordert, sich zu erklären, ob er dem Ban oder den Ungarn unterstehen wolle, worauf er, sich der letzteren Partei anschließend, seinen Dienst resigniert hat. Auf seiner hierauf angetretenen Urlaubsreise nach Karlsbad traf er am 1. Oktober 1848 in Prag ein, wo er die Palatinalhusaren zum Abfalle und zum Übergange zu den Revolutionären aufwiegelte. Auch wurde bei ihm ein Papier (worin er die Seife eingewickelt hatte) gefunden, worin er dem Kossuth berichtet, daß er in Wien auf der Aula war und einen Krawall der Studenten organisiert hat. Komlósy wurde durch kriegsrechtliches Urteil wegen Falschwerberei zu 10 Jahren Schanzarbeit in schweren und bei nachgewiesener körperlicher Schwäche in leichten Eisen verurteilt.
Der Justizminister findet diesen Fall nicht geeignet, um dem Komlósy an der 10jährigen Strafdauer etwas nachzulassen, doch glaubte er, daß bei den nachgewiesenen mehreren chronischen Übeln und der körperlichen Schwäche des Komlósy die Schanzarbeit in einfachen Festungsarrest, wie es schon öfter geschehen, umgewandelt werden dürfte, mit welcher Ansicht sich der Minister Ritter von Baumgartner vereinigte.
Die übrigen Stimmen des Ministerrates erklärten sich jedoch gegen die Willfahrung der Bitte, weil bei Komlósy der erschwerende Umstand zu dem großen Verbrechen hinzutritt, daß er k. k. Beamter war14.
VIII. Nachsicht des Strafrestes für Stefan Lapotsi
Den weiteren Antrag des Justizministers , dem Lapotsi, Maurerpolier in Pest, 49 Jahre alt, Vater von sechs Kindern, welcher mit einem anderen Maurer im Wirtshause, nachdem sie Wein getrunken, Se. Majestät den Kaiser und den FZM. Baron Haynau geschimpft hat, und deshalb zu zwei Jahren Kerker verurteilt wurde (von welchen er bereits ein Jahr und vier Monate abgesessen), die Ah. Nachsicht des Strafrestes zu erwirken, weil er für sein wenn auch nicht im vollen Rausche begangenes Verbrechen als ein sonst roher Mensch genug gebüßt haben dürfte, fand der Ministerrat gleichfalls nicht zu unterstützen, und es wurde beschlossen, das einschlägige Gesuch abzuweisen15.
IX. Verfassungsrevision (2. Beratung)
Schließlich wurde über Anregung des Ministerpräsidenten die bereits in dem Ministerratsprotokolle vom 17. d. M. begonnene Besprechung über die Definition der staatlichen Einheit fortgesetzt16. Die in dem vorliegenden Referate angeführte Beschränkung derselben auf die zwei Hauptmerkmale: die dynastischen Rechte des Souveräns und des Ah. Kaiserhauses, dann die politische Untrennbarkeit der einzelnen Länder des Reiches, welche den Gesamtstaat bilden, also bloß die Personal- und Territorialeinheit, wurde als nicht hinreichend und erschöpfend erkannt, und es haben die Minister des Kultus, der Justiz, der Finanzen und des Inneren Entwürfe vorgebracht, welche teils als Zusätze zu den zwei obigen Hauptmerkmalen hinzugefügt, teils als selbständige Definition der|| S. 432 PDF || staatlichen Einheit betrachtet werden können und deren Tendenz im Wesentlichen dahin gerichtet ist, daß auch die Einheit und Gleichheit in der Gesetzgebung, ferner die Einheit der Administration und der exekutiven Gewalt in der Definition vertreten, d. i. darin aufgenommen werden.
Der Minister des Inneren übernahm es, diese verschiedenen Entwürfe, nach welchen der Einheit der Gesetzgebung und der Verwaltung teils ein weiterer, teils ein engerer Kreis eingeräumt werden will, miteinander zu kombinieren und darüber in dem nächsten Ministerrate zur Erzielung einer Einigung zu referieren17.