Nr. 595 Ministerrat, Wien, 8. Dezember 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 9. 12.), P. Krauß 12. 12., Bach 12. 12., Thinnfeld 10. 12., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 12. 12.; abw.abwesend Stadion, Kulmer.
MRZ. 4136 – KZ. 4274 –
Protokoll der am 8. Dezember 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Modifizierung des Feldpolizeigesetzes von 1840
Der Justizminister Ritter v. Krauß brachte die Erlassung einer kaiserlichen Verordnung als Norm zur Austragung aller Übertretungen des Feldpolizeigesetzes vom Jahre 1840 für die Zeit vom 15. März 1848 bis 1. Jänner 1850 für Ungarn, Kroatien, Slawonien, die serbische Woiwodschaft und das Temescher Banat zum Vortrage1.
Er bemerkte, daß in der Revolutionszeit viele Exzesse an Feldern, Wäldern etc. verübt worden sind. Als die Ruhe wieder hergestellt wurde, seien diese Exzesse nach dem Feldpolizeigesetzte vom Jahre 1840 behandelt worden, nach welchem die Untertanen nicht bloß den Wert des zugefügten Schadens ersetzen, sondern überdies das doppelte desselben als Strafe entrichten sollten. Hiedurch seien ganze Gemeinden zu ungeheuren, ihren Vermögensstand weit übersteigenden Summen (von 30.000 f.) verurteilt worden, was einer Abstiftung derselben gleichgekommen wäre.
Der Vorgänger im Justizministerium, Ritter v. Schmerling, habe sich hierdurch veranlaßt gefunden, einen Gesetzesentwurf im Ministerrate vorzutragen und sodann Sr. Majestät vorzulegen, wornach die gedachten, zu großen Strafen hätten ganz abgestellt und von einer einzusetzenden Entschädigungskommission nur einfache Entschädigung hätte zuerkannt werden sollen.
Se. Majestät haben diesen Antrag nicht zu genehmigen, sondern dem referierenden Justizminister zurückzustellen geruhet, weil es Allerhöchstdemselben nicht angemessen zu sein schien, daß man die Revolution durch die Nichtverhängung von Strafen auf ahndungswürdige Exzesse gleichsam sanktioniere2.
Diese Angelegenheit blieb seit dieser Zeit ruhen. Nachdem jedoch neuerlich wiederholte, vom Minister des Inneren mitgeteilte Verurteilungen von Gemeinden zu unerschwinglichen Strafen nach dem Feldpolizeigesetze vom Jahre 1840 vorgekommen sind, so hält der Justizminister dafür, daß nunmehr der Zeitpunkt zur Modifikation des gedachten Gesetzes vom Jahre 1840 für die Übertretungen desselben aus der Zeit vom 15. März 1848 bis zum 1. Jänner 1850 erschienen sei, und brachte demzufolge den Entwurf einer kaiserlichen (von ihm vorgelesenen) Verordnung zum Vortrage, nach welcher für die || S. 399 PDF || Übertretungen des Feldpolizeigesetzes aus jener Zeit zwar Strafen, aber keine die Gemeinden ruinierenden, verhängt werden sollen.
aDie Urteile über solche Übertretungen aus der gedachten Zeit sind übrigens noch nicht vollzogen worden, daa der provisorische Statthalter einstweilen alle zu sistieren fand.
Einige der Hauptbestimmungen der in Antrag gebrachten kaiserlichen Verordnung sind folgende:
Übertretungen des Feldpolizeigesetztes vom Jahre 1840 durch Beschädigung an Weingärten, Anpflanzungen, Saaten, Wiesen, Hutweiden, Wäldern etc. sind, wenn sie mit Brandlegung, Raub, Mord, Totschlag u. dgl. verbunden waren, im strafrechtlichen Wege von den Landesgerichten (Sedrien) zu untersuchen und abzuurteilen, die Urteile aber vor der Veröffentlichung dem Distriktsobergerichte und im Gnadenwege dem Obersten Gerichtshofe zur allenfälligen Milderung vorzulegen.
Wenn mit den erwähnten Übertretungen des Feldpolizeigesetzes kein Verbrechen verbunden war, ist auf einfachen Schadenersatz zu erkennen, sind sie aber mit besonderer Bosheit verübt worden, so ist anständiger Arrest bis zu 14 Tagen und eine angemessene Geldentschädigung zu verhängen, welche jedoch niemals den vierten Teil der Entschädigungssumme, aber wenn dieser Teil größer als 1000 f. wäre, niemals 1000 f. für die ganze Beschädigung übersteigen darf.
Auf die Vermögensverhältnisse ist billige Rücksicht zu nehmen. Alle Entschädigungsansprüche aus dieser Zeit (vom 15. März 1848 bis 1. Jänner 1850) sind binnen drei Monaten vom Tage der Kundmachung dieser Verordnung bei dem zuständigen Landesgerichte (oder bei der Sedria) anhängig zu machen, widrigens sie als erloschen angesehen werden sollen.
Die bereits abgeurteilten Prozesse sind noch einmal von dem Landesgerichte oder der Sedria zu revidieren, ein Vergleich zu versuchen und erst nach Mißlingen desselben neuerdings auf dem Grunde der in der Rede stehenden kaiserlichen Verordnung zu erkennen u. dgl.
Der Ministerrat erklärte sich mit dem vorgelesenen Entwurfe der kaiserlichen Verordnung und mit der Bemerkung des Finanzministers einverstanden, daß im Eingange derselben statt „Schäden, welche von den ehemaligen Gutsbesitzern den ehemaligen Untertanen und von den ehemaligen Untertanen den Gutsbesitzern an Feldern, Wiesen, Wäldern etc. zugefügt worden sind“ einfach gesetzt werde „alle Übertretungen gegen das Feldpolizeigesetz vom Jahre 1840, welche auf den landwirtschaftlichen Gütern ... begangen worden sind usw.“, ferner, daß zur näheren Präzisierung, wen die Strafe zu treffen habe, gesetzt werde „für die in einem Urteile begriffenen Beschädigungen, sie mögen von einem oder von mehreren Beschuldigten verübt worden sein, nicht mehr als 1000 f.“, welche Modifikation der Justizminister sogleich am gehörigen Orte vorgenommen hat3.
II. Auszeichnung für Johann Burda
Der Minister des Inneren Dr. Bach bemerkte mit Rücksicht auf die im Ministerrat geltend gemachte und von ihm zur Richtschnur angenommene Ansicht, Ansprüche auf Auszeichnungen für die Epoche aus den Jahren 1848 und 1849 nur dann zu berücksichtigen, wenn besondere Verdienste dafür das Wort sprechen, gegenwärtig in dem Falle zu sein, eine solche Berücksichtigung für den Prager Bürger und Büchsenmacher Johann Burda ansprechen zu sollen. Burda hat seine loyalen Gesinnungen während des Aufruhres vom Jahre 1848 durch sehr lobens- und anerkennungswerte Handlungen bewiesen. Er trat als Scharfschützenoberleutnant mit Mut allen Ruhestörungen entgegen, schützte die Judenstadt gegen Plünderung und beschwichtigte einen das Garnisonsspital ernstlich bedrohenden Pöbelhaufen. Ferner nötigte er der Akademischen Legion mit persönlicher Gefahr das Versprechen ab, dem gefangenen Grafen Thun keine Gewalt anzutun u. dgl. Alle diese Handlungen sind von der Stadthauptmannschaft, vom Statthalter, dem FZM. Duca Serbelloni und anderen bestätigt.
Bei diesen Umständen glaubt der Minister Dr. Bach bei Sr. Majestät au. anzutragen, daß dem Prager Bürger Burda für seine unter gefahrdrohenden Umständen bewährte Treue und verdienstliche Wirksamkeit zur Aufrechthaltung der gesetzlichen Ordnung das goldene Verdienstkreuz mit der Krone verliehen werden wolle, womit sich der Ministerrat ebenso einverstanden erklärte4, wie mit den folgenden beiden Anträgen des Kultus- und Unterrichtsministers Grafen v. Thun
III. Auszeichnung für Andreas Prutek
auf Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone für den Breslauer fürstbischöflichen Konsistorialrat und Pfarrer zu Brusowitz in österreichisch Schlesien Andreas Prutek. Derselbe ist 62 Jahre alt und bereits 40 Jahre in der Seelsorge, während welcher Zeit er sich vielfältige Verdienste um die Seelsorge und das Schulwesen erworben hat. Er hat für die Armenstiftung 700 f., für das Krankenspital 600 f. und zur besseren Einrichtung und Dotierung der Schulen 2200 f. CM. aus eigenem beigetragen und seine patriotische Anhänglichkeit an das Ah. Kaiserhaus jederzeit durch Wort und Tat an den Tag gelegt.
Das Breslauer fürstbischöfliche Generalvikariat, der Friedecker Bezirkshauptmann und der Statthalter von Schlesien halten den Prutek einer Ah. Auszeichnung vollkommen würdig5.
IV. Auszeichnung für Michael Kohl
auf Verleihung des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone für den Musterlehrer an der Pfarrschule zu Lichtenau in Niederösterreich Michael Kohl, welcher seit 52 Jahren an dieser Pfarrschule und über 48 Jahre als wirklicher Lehrer mit Auszeichnung dient, welche ihm durch vielfältige Belobungsdekrete, im Jahre 1814 durch das Bestätigungsdekret und im Jahre 1850 durch die Erklärung als Musterlehrer zuteil wurde, und der, obgleich in Jahren vorgerückt, noch immer mit Eifer und Geschicklichkeit den Schuldienst versieht.|| S. 401 PDF ||
Die Schuldistriktsaufsicht, die Bezirkshauptmannschaft in Krems, das St. Pöltener bischöfliche Konsistorium und die Landesschulbehörde sprechen dieser Auszeichnung das Wort6.
Wien, am 9. Dezember 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 13. Dezember 1851.