Nr. 551 Ministerrat, Wien, 8. September 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 9. 9.), P. Krauß 10. 9., Bach 13. 9., Thinnfeld 10. 9., Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner 10. 9.; abw.abwesend Stadion, Kulmer.
MRZ. 3084 – KZ. 3205 –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten in Wien am 8. September 1851 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Neuer Eid
Der Ministerpräsident las den infolge Ah. Befehls wegen Entbindung aller auf die Reichsverfassung vom 4. März 1849 Beeideten von dieser Eidespflicht, dann wegen Beeidigung sämtlicher Beamten nach einer neuen Eidesformel vom Ministerratssekretär abgefaßten Entwurf der bezüglichen Ah. Kabinettschreiben samt Eidesformel, womit sich der Ministerrat nach längeren Debatten über die Textierung im ganzen einverstanden erklärte1.
Nur den Eingang mit der Berufung auf die Ah. Kabinettschreiben vom 20. v. M.2 beantragte der Finanzminister wegzulassen, weil dieselbe, als eine Motivierung des Ah. Befehls, überflüssig aund nicht angemessena wäre.
Mit Ausnahme des Justizministers , welcher für die Weglassung stimmte, erklärten sich jedoch alle übrigen Stimmen für die Beibehaltung jenes Eingangs, weil, wie der Minister des Inneren bemerkte, die Verfügungen des Ah. Kabinettschreibens vom 20. v. [M.] eben den Anlaß zu der gegenwärtig angeordneten neuen Beeidigung gegeben haben, und seitdem auch viele Beamte wieder beeidigt worden sind.
Da der Finanzminister auf seinem Antrage beharrte, so wird der Ministerpräsident auch dessen abweichende Meinung der Ah. Schlußfassung Sr. Majestät unterlegen.
Schließlich kam die Frage in Anregung, ob und wann etwas hierwegen öffentlich kundzumachen wäre.
Würde sich für eine Kundmachung der Ah. Kabinettschreiben entschieden, so wäre dieselbe nach dem Erachten des Ministers des Inneren zu einer Zeit zu veranlassen, wo es möglich ist, die Ah. Verfügung durch die betreffenden Amtschefs allenthalben sogleich in Vollzug setzen zu lassen, während der Justizminister meinte, daß die frühere öffentliche Kundmachung eben den schnelleren Vollzug den Amtschefs selbst mehr erleichtern würde, als dies im gewöhnlichen Amtsintimationswege geschehen könnte.
Würde eine öffentliche Kundmachung nicht beliebt, so müßte, bemerkte der Minister des Inneren weiter, der betreffende Erlaß jedem einzelnen intimiert werden, damit sich keiner mit der Unkenntnis desselben zu entschuldigen vermöchte.|| S. 212 PDF ||
Der Finanzminister erklärte sich gegen eine öffentliche Kundmachung, welche nur unnötiges Aufsehen erregen würde und auch nicht nötig ist, weil die Sache den inneren Dienst betrifft3.
II. Neue Anleihe
Der Finanzminister las den zur Einrückung in den nichtamtlichen Teil der Wiener Zeitung bestimmten Aufsatz über die neue Staatsanleihe, worüber nichts zu erinnern gefunden wurde4.
III. Übernahme des Rathauses etc. in Leitomischl für das Kollegialgericht
Der Justizminister referierte über die Verhandlung wegen Akquirierung des Rathauses und eines Nachbarhauses in Leitomischl zur Unterbringung des Kollegialgerichts.
Ursprünglich hat die Stadt diese Realität zur Benutzung angeboten und sich anheischig gemacht, nebst 60 Klafter Holz jährlich auch die Kosten der Adaptierung zu tragen. Diese wurden nun von der Baudirektion mit 42.000 f. berechnet, was der Gemeinde zu viel ist. Sie will also nun die beiden Häuser dem Ärar gratis ins Eigentum überlassen und außerdem noch 12.000 f. zu deren Adaptierung beitragen, 60.000 Ziegel dazu um den Erzeugungspreis liefern etc5.
Es handelt sich also um die Frage, soll die Stadt im Rechtswege auf die Erfüllung des ursprünglichen Anbotes geklagt oder das neue Anerbieten derselben angenommen werden. Dann: ist hierwegen die Ah. Entscheidung Sr. Majestät einzuholen.
Im letzterer Hinsicht ward einstimmig erkannt, daß die Ah. Entscheidung Sr. Majestät dann einzuholen sei, wenn sich nach dem Antrage des Justizministers für die Annahme des neuen Anerbietens der Stadt ausgesprochen würde, weil es sich dann um die Aufhebung eines für das Ärar bereits erworbenen Rechtes (auf unentgeltliche Benützung der Realitäten und Vergütung der Herstellungskosten) handelt.
Was aber die Hauptfrage selbst betrifft, so erbat sich der Finanzminister vor allem die Mitteilung der Akten, um genauer prüfen zu lassen, ob gegen die Annahme des letzten|| S. 213 PDF || Anbotes keine finanziellen Bedenken obwalten, welche, wenn deren bestünden, sodann von ihm würden vorgetragen werden.
Der Justizminister wird demnach die Akten an den Finanzminister brevi manu übergeben6.
IV. Begnadigungsgesuche für Demeter Petrović und Stefan Illiew
Der Justizminister referierte über die Begnadigungsgesuche der ungrischen politischen Sträflinge: a) Demeter Petrović und b) Stefan Illiew mit dem Antrage auf Herabsetzung der denselben zuerkannten zwölfjährigen Arreststrafe auf zwei Jahre.
Der Minister des Inneren fand dagegen nichts zu erinnern; die übrigen, also mehreren Stimmen hielten jedoch eine so große Milderung nicht für hinlänglich gerechtfertigt, noch überhaupt itzt schon (da die Freilassung jedenfalls erst im künftigen Jahre erfolgen würde) für zeitgemäß.
Die beiden Gesuche werden also hintangewiesen werden7.
Wien, am 9. September 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Schönbrunn, 11. September 1851.