Nr. 516 Ministerrat, Wien, 21. Juni 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 22. 6.), P. Krauß 25. 6., Bach 23. 6. (ab V), Thinnfeld 25. 6., Thun (ab V), Csorich, K. Krauß, Baumgartner 25. 6.; abw.abwesend Stadion, Kulmer.
MRZ. 2119 – KZ. 2006 –
- I. Strafrestnachsicht für Mathias Frick
- II. Pensionierung mehrerer Banaltafelbeamten
- III. Gnadengabe für Maria Mitscherling
- IV. Strafrestnachsichtsgesuch des Stephan Horváth
- V. Behandlung der Justizbeamten als definitiv angestellte Staatsdiener
- VI. Strafrestnachsicht für Peter Borsitzky
- VII. Unterdrückung gefährlicher in- und ausländischer Zeitschriften
- VIII. Aktivierung des Venediger Freihafens
Protokoll der am 21. Juni 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Strafrestnachsicht für Mathias Frick
Der Justizminister Ritter v. Krauß trägt auf die Nachsicht des Strafrestes für den Tiroler Mathias Frick an.
Dieser hat im trunkenen Zustande bei einer Rauferei einen niedergeworfen und hat sich auf ihn gekniet, wobei ihm die Blase gesprengt wurde. Er wurde zu vier Jahren Kerker verurteilt, von denen er bereits drei überstanden hat. Sein Vater bittet um Nachsicht des Strafrestes und der Oberste Gerichtshof unterstützt diese Bitte, weil sich Mathias Frick in der Strafe gut benommen hat und seinem Verbrechen mehr ein Unglück als ein böser Vorsatz zum Grunde lag.
Der Ministerrat fand gegen diesen an Se. Majestät zu richtenden Antrag nichts zu erinnern1.
II. Pensionierung mehrerer Banaltafelbeamten
Derselbe Minister beabsichtiget, mit dem Antrage an Se. Majestät wegen Besetzung einiger höherer Justizstellen in Kroatien (eines Senatspräsidenten und einiger Oberlandesgerichtsräte) zugleich den Antrag auf die Pensionierung einiger alter Banaltafelbeamter zu verbinden, um die frühere Banaltafel dadurch ganz verschwinden zu machen.
Diese Beamten sind: Der Vizeban Andreas v. Marković. Derselbe ist bereits 80 Jahre alt und zählt 58 Dienstjahre. Dieser soll mit seinem ganzen Gehalte von 1350 fr. pensioniert und es soll ihm die taxfreie Verleihung des Ritterkreuzes des österreichisch-kaiserlichen Leopoldordens von der Ah. Gnade Sr. Majestät erwirkt werden.
Der Assessor Kukuljević, welcher über 70 Jahre alt ist und 56 Jahre dient, soll mit seinem ganzen Gehalte von 600 fr. pensioniert werden.
Für den Domherrn Johann Krály, welcher nach der früheren Einrichtung gleichfalls Beisitzer der Banaltafel war, übrigens als Propsteibesitzer keinen Gehalt bezog, noch auf eine Pension Anspruch hat, soll zur Auszeichnung auf die taxfreie Verleihung des Ordens der eisernen Krone dritter Klasse angetragen werden, mit welchen Anträgen sich der Ministerrat vollkommen einverstanden erklärte2.
III. Gnadengabe für Maria Mitscherling
Mitscherling, welcher seit dem Jahre 1833 bei mehreren Privatherrschaften Justitiär war und sich im Jahre 1848 durch sein patriotisches Streben zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung besonders ausgezeichnet hat, wurde unterm 13. Februar 1850, nachdem er früher eine Zeit lang Staatsanwaltssubstitut war, für Pisek als Staatsanwalt mit 2000 fr. ernannt. Er starb aber, bevor er noch sein Amt antrat, wornach seine mit fünf Kindern belastetea Witwe, welche aus dem früheren Dienstverhältnisse ihres Gatten jährlich nur 140 fr. bezieht, auf eine Pension keinen normalmäßigen Anspruch hat. Da Mitscherling ein ausgezeichneter Justitiär war und seine Witwe sich in einer sehr bedauernswerten Lage befindet, so einigte sich der Ministerrat mit dem Antrage des Justizministers, für dieselbe eine Gnadengabe jährlicher 200 fr. von Sr. Majestät zu erbitten3.
IV. Strafrestnachsichtsgesuch des Stephan Horváth
Stephan Horváth aus dem Eisenburger Komitate, welcher wegen Teilnahme an dem schauderhaften Morde der in einem Hofraume niedergemetzelten Kroaten zu achtjährigem Kerker verurteilt wurde, wird von dem Justizminister in Übereinstimmung mit dem Ministerrate zu einer Nachsicht der Strafdauer nicht für würdig erkannt.
An der Besprechung und dem Beschlusse über die vorstehenden vier Gegenstände haben die Minister Dr. Bach und Graf Thun keinen Teil genommen.
V. Behandlung der Justizbeamten als definitiv angestellte Staatsdiener
Der Justizminister machte auf den bekannten Umstand, wornach die Qualität der Unabsetzbarkeit der Justizbeamten auf ein Jahr suspendiert wurde4, mit der Bemerkung aufmerksam, daß das Finanzministerium nun dafür halte, daß solche Beamte nur als provisorisch bestellt anzusehen und darnach zu behandeln seien. Nach der Ansicht des Justizministers sind diese Beamten nicht als provisorisch, sondern als definitiv angestellt zu betrachten; sie können nicht willkürlichb entlassen werden; nur die Art der Untersuchung und die Kompetenz der Behörden bei einer solchen Entlassung wäre eine andere. Würde der Grundsatz des Finanzministeriums feststehen und die Qualität der Unabsetzbarkeit der Justizbeamten für eine weitere Dauer suspendiert werden, so wären die Witwen solcher Beamten in Gefahr, als Witwen von provisorischen Beamten behandelt zu werden, was nicht zugegeben werden könne.
Der Justizminister wird mit Zustimmung des Ministerrates diese seine Ansicht, welche als die richtige anzusehen sei, dem Finanzministerium mitteilen cund den Justizbehörden zur Beruhigung der Justizbeamten eröffnenc .5
VI. Strafrestnachsicht für Peter Borsitzky
Schließlich trug der Justizminister mit Zustimmung des Ministerrates noch auf die Nachsicht des Strafrestes für den behausten Bauer aus Ungarn Borsitzky an. Derselbe ist|| S. 48 PDF || zunächst beinzichtiget, ohne Paß heimlich über die Waag zu den Insurgenten übergegangen zu sein, um sich dort bei den Husaren assentieren zu lassen. Nachdem er sich dort eine Zeit lang herumgetrieben, kehrte er in sein Dorf zurück und hat da die Kunde verbreitet, daß die Revolution, die Sache des Kossuth, siegen werde. Er wurde am 1. August 1849 zu fünfjähriger Schanzarbeit in leichten Eisen verurteilt.
Der Regierungskommissär bemerkt, daß die Teilnahme des Borsitzky an der Revolution von minderem Belange war und trägt auf die Nachsicht des Strafrestes an. Derselbe hat sich in der Strafe ruhig und reuevoll benommen6.
VII. Unterdrückung gefährlicher in- und ausländischer Zeitschriften
Der Minister des Inneren Dr. Bach bemerkte, daß er nach dem Ministerratsbeschlusse in der Ministerratssitzung vom 18. Juni Z. 2079 die beiden Punkte aus der Preßordnung hinsichtlich der Unterdrückung der inländischen periodischen, wie auch der auswärtigen Presse im Inlande, wenn sie gefährliche Tendenzen verfolgen, herausgehoben und in einer kaiserlichen Verordnung zusammengestellt habe, weil aller Wahrscheinlichkeit nach noch längere Zeit vergehen dürfte, bis die neue Preßordnung mit dem revidierten Strafgesetzbuche wird erscheinen können, es aber als dringend notwendig erkannt wurde, den Übergriffen der Presse ohne allen Verzug entgegenzutreten7. Der Minister Dr. Bach hat den Entwurf zu dieser kaiserlichen Verordnung, welche in allen Kronländern der Monarchie dmit Einschluß der Militärgrenze Geltung zu erhalten hätted, vorgelesen8.
Die Bestimmung hinsichtlich der inländischen Presse soll darin genau so aufgenommen werde, wie sie für die Preßordnung von dem Ministerrate beschlossen worden ist.
Dasselbe soll auch im wesentlichen der Fall hinsichtlich der ausländischen Presse sein und hier nur noch ein notwendiger Beisatz aufgenommen werden, nach welchem es verboten ist, von gefährlichen Schriften Übersetzungen oder Auflagen im Auslande ganz oder in einzelnen Teilen zu veranstalten, und dieser Beisatz soll mit Zustimmung des Ministerrates auch in die neue Preßordnung aufgenommen werden.
Die weiteren Paragraphe dieser kaiserlichen Verordnung enthalten das Verbot für die Postanstalten, Pränumeration auf solche verbotene periodische Schriften zu übernehmen, und die nötige Strafsanktion für die Übertretungsfälle.
Der Minister Dr. Bach wird nun diese kaiserliche Verordnung gleichzeitig mit dem Entwurfe der Preßordnung an den Ministerpräsidenten zu dem Ende leiten, um darüber das Gutachten des Reichsrates einzuholen9.
VIII. Aktivierung des Venediger Freihafens
Hierauf hat der Minister des Inneren das Operat über die Aktivierung des Freihafens von Venedig zur Sprache gebracht10.|| S. 49 PDF ||
Bekanntlich wurde hinsichtlich dieses Gegenstandes, nachdem Se. Majestät den Freihafen von Venedig wieder herzustellen befohlen haben, eine Kommission unter dem Vorsitze des Statthalters Ritter v. Toggenburg mit Beiziehung der Repräsentanten des Finanzministeriums und des Kriegsministeriums, dann der Abgeordneten der Stadt und der Handelskammer über die näheren Modalitäten der Ausführung abgehalten11.
Dieses nach gründlichen Erörterungen eingelangte Operat wurde an die betreffenden Ministerien schriftlich geleitet, der Finanzminister und der Handelsminister haben sich hierüber ausgesprochen und dasselbe soll nun Sr. Majestät noch vor Allerhöchstdessen Abreise zur Kenntnis gebracht werden12.
Der Minister Dr. Bach bemerkt vor allem, daß bei der Beratung der Kommission über diesen Gegenstand das frühere Freihafenregulativ zur Grundlage genommen wurde, und man hiebei nur auf die durch die Verhältnisse notwendig gewordene Modifikation Rücksicht genommen habe.
Was die Hauptfrage, die Umfangslinie des Freihafens, anbelangt, ist man auf die Linie vom Jahre 1829 (in welchem Jahre der Stadt Venedig der Freihafen gewährt wurde) aus überwiegenden Gründen zurückgegangen und hat nur kleine Abweichungen davon eintreten lassen, welchen zufolge die Gemeinde Burano außer der Feihafenlinie fällt, wogegen nichts erinnert wurde.
Die Bestimmungen über die Vorsichten bei der Aus- und Einfuhr schließen sich den früher bestandenen an. Die Aufstellung von Zollämtern und Wachposten bleibt dem Finanzminister vorbehalten. Der Minister des Inneren äußerte hier nur den Wunsch, daß solche Maßregeln wegen des städtischen Dazes im Einvernehmen mit dem Statthalter getroffen werden mögen.
Hinsichtlich der Barken, welche seicht im Wasser gehen, und der sogenannten vipere ergab sich eine Meinungsverschiedenheit. Die Kommission hat angetragen, daß die Barken dieser Art und die vipere verboten werden sollen, und der Handelsminister und der Kriegsminister erklärten sich damit einverstanden. Der Finanzminister meinte dagegen, daß es nicht notwendig sei, die vipere speziell zu nennen und zu verbieten. Nach seiner Ansicht sollen alle Barken im allgemeinen, welche als zum Schleichhandel geeignet erkannt werden, verboten sein, und es sollen auch künftig, wenn neue Formen zum Vorscheine kämen, welche die Eignung zum Schleichhandel hätten, auch diese durch Kundmachungen verboten werden können, und dieses wäre schon jetzt zu sagen und in Aussicht zu stellen.
Nach längerer Besprechung über diesen Gegenstand einigte man sich auch mit der Zustimmung des Finanzministers dahin, es bei der Textabfassung der Kommission bewenden zu lassen, gleichzeitig aber die als notwendig erkannte Bestimmung aufzunehmen, daß verbotene und verdächtige Schiffe nicht zur Markierung zugelassen und den bereits markierten Schiffen dieser Art die Marken wieder abgenommen werden sollen.|| S. 50 PDF ||
Bei der gleichfalls zur Sprache gekommenen Frage, ob Schiffe, welche z. B. nach Palestrina etc. fahren, mit Manifesten versehen sein sollen, weil sie eine große Linie der Lagunen durchschneiden, war die Kommission gegen solche Manifeste, weil alle Schiffe ohnedies gehalten sind, sich mit der Ausgangsbollette zu versehen, das ganze Schiff unter Verschluß gelegt und von der Finanzwache begleitet werden kann, und weil eine solche Maßregel nebst dem, daß sie eine nutzlose Belästigung wäre, auch eine Vermehrung der Kosten zur Folge haben würde. Der Statthalter hat sich dieser Ansicht angeschlossen13.
Der Finanzminister und die übrigen Stimmführer des Ministerrates haben sich dagegen für die Manifeste ausgesprochen, mit dem Beifügen, daß sich die Schiffe mit den Manifesten statt zu dem Zollamte zum Hafenamte zu begeben haben. Hierdurch werde das Bedenken des Statthalters, daß die vom Zollamte abgefertigten Schiffe sich wieder aufs Hauptzollamt zu begeben haben, beseitiget, und, wie der Handelsminister bemerkte, die Beruhigung erzielt, daß auf diese Angelegenheit auch noch eine andere Potenz als die Zollämter Einfluß erhalte, was bei der anerkannten Unverläßlichkeit der italienischen Zollbeamten von Wichtigkeit sei. Übrigens müssen sich die Venezianer alle Maßregeln gefallen lassen, welche beim Besitze des Freihafens für die Sicherheit des Zollgefälles als notwendig erkannt werden. Damit, daß die Barken sehr sichtbar zu nummerieren und über sämtliche Barken und ihre Besitzer Verzeichnisse zu führen seien, erklärte man sich mit dem Finanzminister mit der Bemerkung einverstanden, daß diese Bestimmung so wie jene über die Kompetenz, welche Behörde über Zollsachen in Venedig zu entscheiden haben werde, nicht in das Freihafenstatut gehöre, sondern der Instruktion vorbehalten bleiben müsse. Hinsichtlich der Bestimmungen, welche durch die Eisenbahnen notwendig werden, hinsichtlich der Staatsmonopolsgegenstände und des Eingangs der Nationalgegenstände ergab sich keine Erinnerung.
Der inländischen Industrie sollen die im Jahre 1829 und durch nachträgliche Verordnungen zugestandenen Begünstigungen abermals gewährt werden.
Der venezianischen Industrie soll ein milderer Zoll beim Eintritte in das inländische Gebiet zugestanden und überhaupt als Regel angenommen werden, daß Industrie und Individuen von Venedig die vor dem Jahre 1848 bestandenen Begünstigungen wieder zu genießen haben.
Bezüglich der zweckmäßig umgearbeiteten und verbesserten Kontrollsmaßregeln des Dazio consumo, des Stempels, der Verzehrungssteuer, des Verbotes der Ausfuhr von Kunstgegenständen etc. ergaben sich keine Bemerkungen.
Hinsichtlich des vom Handelsminister gewünschten Beisatzes, daß gesagt werden möchte, wenn Mißbräuche und Kontrabande überhand nehmen sollten, sich die Regierung strengere Maßregeln vorbehalte (damit die Venezianer wissen, was sie in diesem Falle zu erwarten haben), bemerkte der Minister des Inneren , daß sich dieses wohl von selbst verstehe, und daß er sich auch aus der Rücksicht gegen diesen Beisatz erklären müsse, weil schon jetzt wesentliche Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, und wenn man gleichzeitig noch strengere in Aussicht stellen würde, dieses einer stillschweigenden Zurücknahme des Freihafens gleichkäme. Nach dieser Bemerkung bestand der Handelsminister nicht weiter auf der Beibehaltung des erwähnten Beisatzes.|| S. 51 PDF ||
Der Minister des Inneren wird nun einen au. Vortrag mit den Resultaten des Ministerratsbeschlusses an Se. Majestät mit der Bitte erstatten, den Statthalter ermächtigen zu dürfen, hiernach die Bestimmungen hinsichtlich des Freihafens von Venedig in Ausführung zu bringen, welche allenfalls mit dem 20. kommenden Monats eund spätestens 1. Auguste ins Leben zu treten hätten14.
Wien, am 22. Juni 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 26. Juni 1851.