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Nr. 472 Ministerrat, Wien, 19. März 1851 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 20. 3.), P. Krauß 22. 3., Bach 21. 3. (bei I–V abw.), Bruck, K. Krauß, Thinnfeld, Thun, Csorich, Kulmer 21. 3.; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 847 –

Protokoll der am 19. März 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg. In der heutigen Ministerratssitzung sind folgende Gegenstände vorgetragen worden:

I. Sustentation für Luigi Rubbi

referierte der Justizminister Ritter v. Krauß über das Gesuch des wegen seines feindseligen Benehmens in den italienischen Wirren des Dienstes entlassenen lombardisch-venezianischen Justizbeamten Luigi Rubbi um Ag. Bewilligung einer Pension und trug an, diesem Beamten, für den eine 30jährige, sonst entsprechende Dienstzeit und der Umstand spricht, daß er, so wie viele andere durch die Verhältnisse gedrängt, zu dem feindseligen Benehmen veranlaßt wurde, vermögenslos ist, für seine kranke Frau und zwei Kinder zu sorgen hat, in Rücksicht seiner schuldlosen Familie und, wie es schon für mehrere lombardisch-venezianische Justizbeamte geschehen ist, einen Sustentationsbeitrag von 600 f. jährlich von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erwirken, mit welchem Antrage sich der Ministerrat einverstanden erklärte1.

II. Ausziehpatent für Wischehrad

Ebenso war der Ministerrat mit dem weiteren Antrage des Justizministers einverstanden, das für die Stadt Prag bestehende Ausziehpatent2 auf Wischehrad, welches bisher eine Gemeinde für sich ausgemacht hat, nun aber der Gemeinde Prag einverleibt worden ist, auszudehnen beziehungsweise die diesfällige Bewilligung dazu von Sr. Majestät au. zu erbitten3.

III. Versetzung des Adolf Freiherr v. Pratobevera-Wiesborn zum Obersten Gerichtshofe

Derselbe Minister trug ferner an, die Ah. Gewährung des Gesuches des provisorischen Sektionschefs für die legislative Partie bei dem Justizministerium Baron Pratobevera um Enthebung von diesem Posten und Gestattung des Rücktrittes zu dem Obersten Gerichtshofe als Ministerialrat mit den dort systemisierten Bezügen bei Sr. Majestät mit dem Beifügen au. zu befürworten, Allerhöchstdieselben wollen dem Ministerialrate Pratobevera für seine aufopfernde Dienstleistung als provisorischer Sektionschef das Ah. Wohlgefallen bezeigen zu lassen geruhen.

An die Stelle des Pratobevera brachte der Justizminister gleichzeitig den Hofrat Heisler zum provisorischen Sektionschef für die legislative Partie des Justizministeriums mit den systemisierten Emolumenten, nämlich einer Funktionszulage von 1000 f. in Antrag, mit welchen bei Sr. Majestät zu unterstützenden Anträgen sich der Ministerrat ganz vereinigte4.

IV. Todesurteil gegen Elisabeth Kasza

Gegen den in Übereinstimmung mit dem Obersten Gerichtshofe gestellten Antrag des Justizministers, für die Elisabeth Kasza, welche im Jahre 1848 wegen Brandlegung zum Tode durch das Schwert verurteilt wurde, die Nachsicht der Todesstrafe von der ah. Gnade Sr. Majestät zu erwirken, ergab sich von Seite des Ministerrates gleichfalls keine Erinnerung5.

V. Dienstzeit Julius Wislobockis

Weiter referierte der Justizminister noch über das der Ah. Bezeichnung gewürdigte Gnadengesuch des Ruthenen Julius Wislobocki aus Galizien, welches dahin gerichtet ist, daß ihm die Jahre, welche er als Schreiblehrer in dem Taubstummeninstitute zu Lemberg zugebracht hat, zu seinem gegenwärtigen Staatsdienste als Translator bei dem Übersetzungskomitee eingerechnet werden mögen.

Der Justizminister bemerkte, daß sich Wislobocki im Jahre 1848 durch Treue und Anhänglichkeit besonders ausgezeichnet und sich durch seinen Unterricht als Schreiblehrer in dem genannten Institute einige Ansprüche auf Anerkennung erworben hat, und meinte, daß bei Sr. Majestät au. anzutragen wäre, ihm diese Jahre als Dienstjahre unbeschadet der Rechte anderer bei seiner einstigen Pensionierung einzurechnen.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Antrage mit Ausnahme des Finanzministers einverstanden. Dieser letztere machte gegen diesen Antrag geltend, daß der von Sr. Majestät ausgesprochene Grundsatz bestehe, auf Gesuche um Einrechnung der früheren oder unterbrochenen Dienstzeit vor der Pensionierung solcher Bittsteller keine Rücksicht zu nehmen, indem erst bei der Pensionierung derselben beurteilt werden könne, ob ihre Gesamtdienstleistung von der Art war, daß auf die erwähnte Gnade bei Sr. Majestät angetragen werden könne6.

An der Besprechung über die vorstehenden fünf Gegenstände hat der Minister des Inneren Dr. Bach keinen Teil genommen.

VI. Regelung der provisorischen Vizekonsulate zu Rhodos und Larnaka

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Freiherr v. Bruck brachte in Fortsetzung der Organisierung der Konsulate in der Levante7 die Reglung der bisherigen provisorischen Vizekonsulate zu Rhodos und Larnaka mit dem Antrage, diese beiden Vizekonsulate zu besoldeten Staatsposten zu erheben und dem Konsul in Rhodos, der einen Dolmetsch braucht, eine Remunerationa von 1800 f. und jenem von Larnaka von 1500 f. nebst der systemisierten Gebührenb zu bewilligen wäre, indem unsere kommerziellen Beziehungen mit jenen Gegenden immer lebhafter werden, die österreichischen Untertanen daselbst anwachsen und Frankreich und Sardinien dort Konsuln mit namhaften Besoldungen unterhalten.

Die dadurch gegen früher verursachte Mehrauslage dürfte sich auf ungefähr 1500 f. belaufen.

In diesem Sinne wird der Minister Freiherr v. Bruck mit Zustimmung des Ministerrates den au. Vortrag an Se. Majestät erstatten8.

VII. Erhöhung der Leuchtturmgebühren in Triest

Die Leuchttürme an der österreichischen Seeküste sind bisher aus den Leuchtturmsgebühren in Triest erhalten worden. Dies Verhältnis wurde festgestellt, als die Börse in Triest den Leuchtturm am dortigen Molo erbaut hat. Seit dieser Zeit sind vier andere Leuchttürme erbaut worden. Da nun die einfache Leuchtturmgebühr in Triest zur Erhaltung dieser Fanale nicht hinreichte, so war die Börse genötiget, zu diesen Auslagen 53.000 f. vorzuschießen9.

Die Börse in Triest stellt nun den Antrag, die Gebühr in Triest in der Art zu regeln, daß dieselbe nach den mehreren Feuern, die erhalten werden müssen, und nach Maß der Benützung dieser Feuer abgenommen werde. cEs sollenc 1/3 Kreuzer für kleine, 2/3 Kreuzer für mittlere und 1 Kreuzer für die großen Schiffe per Tonne an Leuchtturmgebühren abgenommen undd diese Gebühr im Verhältnisse der Benützung der Fanale entrichtet werden, so zwar, daß Schiffe, welche nur zwei Leuchttürme benützen, die obige Gebühr doppelt, welche alle fünf Fanale benützen, diese Gebühr fünffach zu zahlen haben werden. Dadurch hofft die Börse, sich für den oberwähnten Vorschuß von 53.000 f. bezahlt zu machen und in den Stand zu kommen, die noch fehlenden drei Leuchttürme aus diesen Erträgnissen zu bauen10. (Die Ausdehnung dieser Maßregel auf alle österreichischen Schiffe und nicht bloß auf jene, die nach Triest gehen, wird sich vorbehalten.)|| S. 347 PDF ||

Der Minister Freiherr v. Bruck, mit diesen Anträgen einverstanden, wird in diesem Sinne mit Zustimmung des Ministerrates den au. Vortrag an Se. Majestät erstatten11.

VIII. Vergütung für die im Jahre 1848 aus dem Wiener Hauptzollamte genommenen Gewehre

Den 10. Oktober 1848 sind aus dem hiesigen Hauptzollamte Gewehre, welche aus Belgien nach Serbien bestimmt waren, von der Wiener Nationalgarde weggenommen und unter das Proletariat verteilt worden12.

Belgien reklamiert nun den Wert dieser Gewehre, sich auf die Belagerung von Antwerpen berufend, wo den Beschädigten Vergütung geleistet wurde13. Es entstand nun, wie der Finanzminister bemerkt, die Frage, ob das Ärar für die in dem Hauptzollamte deponiert gewesenen belgischen Gewehre eine Vergütung zu leisten habe oder nicht. Obwohl, streng genommen, Belgien keinen Ersatz für die gedachten Gewehre anzusprechen hätte, so meint der Finanzminister, daß die Vergütung dennoch zu leisten wäre, weil die Gewehre aus dem Hauptzollamte, also aus der ärarischen Verwahrung, weggenommen worden sind, jedoch nicht in dem jetzt von Belgien angegebenen Werte, sondern bloß in jenem, wie er zur zollämtlichen Verhandlung deklariert worden war, wodurch der Betrag der Vergütung von 7000 f. auf 5800 f. fallen würde.

Bei der Leistung dieser Vergütung wäre, wie der Finanzminister meint, der Vorbehalt, daß die Stadtgemeinde Wien diesen Betrag zu ersetzen haben werde, nicht auszulassen, obwohl bei den gegenwärtigen Verhältnissen keine große Aussicht auf die Hereinbringung dieses Betrages vorhanden ist.

Der Ministerrat erklärte sich damit einverstanden14.

IX. Kaufschilling für ein in Venedig verkauftes Aerarialhaus

Im Jahre 1847 ist in Venedig ein Ärarialhaus verkauft, der Kaufpreis aber nicht sogleich erlegt worden. Im Jahre 1848 hat der Käufer, obwohl durch nichts dazu gedrängt, sich bei der provisorischen Regierung gemeldet und den Kaufschilling ihr entrichtet.

Die Frage, ob Österreich diese Zahlung anerkennen solle, glaubt der Finanzminister entschieden verneinen zu sollen, und der Ministerrat stimmte ihm diesfalls vollkommen bei15.

X. Unterstützungsgesuche Klausenburgs und Hermannstadts

Der Finanzminister referierte hierauf noch über die Unterstützungsgesuche und Anträge für die zwei Städte in Siebenbürgen Klausenburg und Hermannstadt. Beide haben durch die Ereignisse der Revolution sehr gelitten und bitten um ein unverzinsliches, in einer bestimmten Anzahl von Jahren rückzahlbares Darlehen oder eine Unterstützung16.

Was Klausenburg betrifft (welche Stadt sich in der Revolutionszeit nicht gut benommen hat), bemerkte der Finanzminister, daß dieselbe bedeutende Forderungen für Lieferungen an das Ärar zu stellen habe, und daß hinsichtlich der gebetenen Unterstützung ein Ausweg darin gefunden werden dürfte, dieser Stadt auf Abschlag ihrer Forderung (welche sich auf 100.000 f. belaufen mag, aber noch nicht liquid ist) etwa 50–60.000 f. zur Verfügung des dortigen Landeschefs zu stellen.

Was dagegen Hermannstadt anbelangt, welche Stadt sich in den Revolutionswirren gut benommen und bedeutende Opfer gebracht hat, übrigens aber schon aus den von Sr. Majestät für Siebenbürgen bewilligten 1½ Millionen ein Darlehen bekommen hat17, erachtet der Finanzminister, daß derselben statt der angesuchten 300.000 f. nur 100.000 f. unter milden Bedingungen zu bewilligen wäre, indem dieser letztere Betrag genügen dürfte, ihren dringendsten Bedürfnissen (darunter auch Unterstützung einzelner Bürger) abzuhelfen18.

Die Causalis der verschiedenen Anträge für diese zwei Städte liegt, wie der Finanzminister bemerkte, darin, daß er nicht zu gleicher Zeit eine gleiche Unterstützung für zwei Städte rätlich fand, die sich in den letzten Revolutionswirren so ungleich benommen haben.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Anträgen einverstanden.

XI. Auszeichnung für Engelbert Anhammer

Gegen den Antrag des Kriegsministers Freiherrn v. Csorich , für den Bürger und Gastgeber in Wien Engelbert Anhammer, welcher sich am 6. Oktober 1848 sehr gut benommen, verwundete Soldaten vom Regimente Nassau, nachdem er sein Hemd zerrissen und ihre Wunden damit verbunden, zu den Barmherzigen Brüdern gebracht hat und deshalb insultiert wurde, die Auszeichnung mit dem silbernen Verdienstkreuze von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erwirken, wurde von keiner Seite etwas zu erinnern gefunden19.

XII. Neue Ausgabe des Strafgesetzes (1. Beratung)

Schließlich begann der Justizminister Ritter v. Krauß noch den Vortrag über die neue, durch die späteren Gesetze ergänzte Ausgabe des Strafgesetzbuches über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen vom 3. September 1803 20.|| S. 349 PDF ||

Diese neue Ausgabe besteht aus einem Kundmachungspatente und aus zwei Teilen, von denen der erste die Gesetze über Verbrechen, der zweite über Vergehen und Übertretungen (früher schwere Polizeiübertretungen) enthält21.

Der Justizminister bemerkte vor allem, daß er gestern von dem Kriegsminister Freiherrn v. Csorich Bemerkungen über dieses Gesetz erhalten und diese ein reifliche Erwägung gezogene habe. Diese Bemerkungen werden berücksichtiget und am gehörigen Platze des Gesetzes eingeschaltet werden22.

Der erste Punkt dieser Bemerkungen besagt, daß das in der Rede stehende Strafgesetz jetzt noch nicht auf die Militärgrenze ausgedehnt werden dürfte, weil dort noch keine Gerichte bestehen, welche dieses Gesetz handhaben könnten, und dort bis jetzt noch die Militärgesetze Geltung haben.

Dieser Bemerkung zufolge werden in der Aufschrift dieses Gesetzes nach den Worten: „für den ganzen Umfang des Reiches“ die Worte „mit Ausnahme der Militärgrenze“ eingeschaltet.

In dem letzten Satze des Eingangs des Kundmachungspatentes sind statt der Worte: „auf den Antrag Unseres Ministers der Justiz und über Einraten Unseres Ministerrates“ folgende zu setzen: „Über Antrag Unseres Ministerrates“, weil, wie der Justizminister bemerkte, sich der Fall ergeben kann, daß einzelne von ihm angetragene Bestimmungen dieses Gesetzes von der Stimmenmehrheit des Ministerrates nicht gutgeheißen und für dieselben andere Bestimmungen in Antrag kommen können.

In Artikel I des Kundmachungspatentes wäre auch das Großherzogtum Krakau zu setzen, weil dort alle jene Bestimmungen des Gesetzes neu eingeführt werden, welche nach dem Jahre 1809 für die anderen Provinzen erlassen worden sind und in Krakau, als einem fremden Staate, keine Geltung erhielten.

In der ersten Zeile des Artikels III ist das Wort „Missbrauch fder Pressef “ auszulassen und hiernach die Textierung zu modifizieren.

Im Artikel VI, 3. Zeile, ist statt des Wortes „vorhandenen“ „bestehende“ zu setzen.

Über die übrigen Artikel des Kundmachungspatentes sowie über die ersten sechs Paragraphe des Strafgesetzes I. Teil ergab sich keine Erinnerung23.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Triest, den 26. März 1851.