Nr. 468 Ministerrat, Wien, 13. März 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 14. 3.), P. Krauß 20. 3., Bach 21. 3., Bruck, K. Krauß, Thinnfeld 14. 3., Thun, Csorich 19. 3., Kulmer 14. 3.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. – KZ. 1111 –
Protokoll der am 13. März 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Entschädigung für aufgehobene Urbarialleistungen (4. Beratung)
In der heutigen Ministerratssitzung wurde die gestrige Beratung über den Entwurf der kaiserlichen Verordnung zur Durchführung des § 22 des Ah. Patents vom 25. September 1850 in betreff der Grundentlastungsentschädigungskapitalien wieder aufgenommen1.
Für den § 18 dieser Verordnung hat der Finanzminister Freiherr v. Krauß folgende modifizierte Textierung in Antrag gebracht: „Der zur Kapitalsrückzahlung disponible Barfonds wird zur Einlösung der ausgegebenen Schuldverschreibungen verwendet werden. Vor allem wird aus demselben die Zurückzahlung im vollen Nennwerte derjenigen Schuldverschreibungen geleistet, deren Eigentümer die Zahlung sechs Monate vorhinein aufgekündigt haben. Würde der Betrag der aufgekündigten Schuldverschreibungen den vorhandenen Barfonds überschreiten, so bestimmt das Los diejenigen Schuldverschreibungen, deren Zurückzahlung aus der Barschaft geleistet wird; die übrigen bleiben bis zur nächsten halbjährigen Verlosung. Erschöpft der Betrag der Aufkündigungen nicht die vorhande Barschaft oder sind keine Aufkündigungen erfolgt, so werden die Schuldverschreibungen, welche bis zum Belaufe des Barfonds zurückgezahlt werden sollen, durch die Verlosung bezeichnet. Die Rückzahlung im Grunde dieser Verlosung erfolgt binnen sechs Monaten nach geschehener Verlosung mit einem Aufgelde von 5 von 100.“
Gegen die in dieser Art modifizierte Aufkündigung (deren genauere Textierung sich übrigens der Finanzminister vorbehalten hat) ergab sich bei der heutigen Besprechung kein wesentlicher Widerspruch.
Was die in Aussicht gestellte Prämie von 5 % für jene anbelangt, welche ihre Schuldverschreibungen nicht aufkündigen, sondern ihre Rückzahlung im Wege der planmäßigen Verlosung erwarten, für welche Prämie gestern sich nur die minderen Stimmen ausgesprochen haben, bemerkte der Minister Graf Thun , daß er gestern zwar auch gegen die Zugestehung einer Prämie gestimmt habe, daß er aber nach nochmaliger Erwägung der Sache von dieser Ansicht zurücktreten und nun für den diesfälligen Antrag des Finanzministers|| S. 328 PDF || sich erklären müsse. a Bei seinem gestrigen Votum sei er hauptsächlich von der Besorgnis geleitet worden, daß die Prämie zu nachträglichen Verhandlungen auf den Landtagen Anlaß geben und dadurch – im Falle einer Erneuerung der Bestrebungen des Jahres 1848 – die Grundbesitzer der Gefahr neuer Angriffe auf den Wert der Entschädigungspapiere aussetzen könnte.
Allein, in dem Patente vom 25. September v. J. sei der Gedanke durchgeführt, die Entschädigungspapiere so viel als möglich den Tabulargläubigern zuzuwenden. Dadurch werde obige Besorgnis wesentlich vermindert. Die Gläubiger sollen aber nach den Bestimmungen jenes Patentes sogar gezwungen werden, die Papiere an Zahlungs Statt anzunehmen. Dieser gewaltsame Eingriff in das Rechtsverhältnis der Tabulargläubiger ließe sich nicht rechtfertigen, wenn die denselben aufgedrungenen Papiere unter pari stünden. Wenn man zumal nicht den auswärtigen Gläubigern den vollen Betrag dessen gäbe, was sie zu fordern haben, also nicht ein Papier, das guten Wert hat, so würde das den österreichischen Kredit wesentlich benachteiligen. Man müsse bdaher alles aufbieten, damitb die Papiere gleich anfangs al pari stehen, und dazu werde die 5 % Prämie wesentlich beitragen.
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß verkannte zwar nicht die hohe Wichtigkeit dieser Betrachtung des Grafen Thun, bemerkte aber, daß sich die Hypothek auf zwei Dinge erstrecke, den Grund und Boden und die Urbarialschuldigkeiten, welchen Umstand wegzudenken die Gläubiger nicht berechtigt seien. Dies schließe aber nicht die Pflicht aus, alles anzuwenden, um das Papier so auszustatten, daß es den vollen Wert habe. Hierdurch würde den Bestrebungen des Jahres 1848 die Spitze abgebrochen.
Der Finanzminister fügte weiter bei, es sei nicht zu verkennen, daß das in der Rede stehende Verhältnis sowohl zu den Gläubigern als zu den Gutsbesitzern den Charakter eines Zwangsanlehens an sich trage, weshalb man trachten müsse, diesen Zwang dadurch zu mildern, daß die Gläubiger und Gutsbesitzer ein gutes Papier in die Hand bekommen. Man wäre streng genommen verpflichtet, bares Geld zu geben; da dies aber nicht geschehen kann, so müßte man den Schuldverschreibungen, um sie im guten Werte zu erhalten, entweder einen höheren Zinsfuß oder einen Gewinn (eine Prämie) cam Kapitale gewähren. Das erstere sei wegen der Folgen bedenklichc, daher nur das zweite Auskunftsmittel erübrige. Der eingewendete Verlust der Provinzen, bemerkte der Finanzminister weiter, sei nur scheinbar und werde durch die Betrachtung behoben, daß, wenn die Provinzen diese Schuld jetzt in Barem tilgen und zu diesem Behufe ein Darlehen aufnehmen wollten, sie dabei nicht mehr als 85 für 100 f. bekämen, daher 15 % darauf zahlen müßten,|| S. 329 PDF || was die zugesicherte Prämie von 5 % um 10 % zum Nachteile der Provinzen übersteigen würde. Ferner sei zu berücksichtigen, daß die Verpflichteten, welche ihre Schuld einzahlen, die Zinsen dund Kapitalstilgungc vorhinein zahlen, der Fonds aber dekursiv, was allein schon beinahed hinreicht, um den Betrag der Prämie zu decken; auch dürfte, wenn nicht alle Anzeichen trügen, sich der Zinsfuß in 20 Jahren niedriger stellen als er jetzt ist. Die vorgeschlagene Maßregel der Prämie sei ferner eine notwendige Ausgleichung gegen die vielen Eingriffe in das Eigentum, welche man zu machen genötiget war. Eine weitere Berücksichtigung verdiene auch der Umstand, daß der Zinsfuß in Ungarn 6 % beträgt, und daß, wenn man nur 5%ige Papiere ohne jeden weiteren Vorteil herausgeben würde, die dortigen Gläubiger einen noch größeren Nachteil erleiden würden.
Der Minister Dr. Bach bezog sich auf seine, in den früheren Ministerratsprotokollen über diesen Gegenstand wiederholt abgegebene Meinung und bemerkte, daß seiner Ansicht nach die Beschränkung der Verlosung auf die zur Aufkündigung gelangenden Schuldverschreibungen schon im vorhinein ein Mißtrauen gegen den Wert dieser Papiere erregen werde. Man werde sagen, daß die Regierung aus diesen Schuldverschreibungen eine eigene Kategorie, ein kündbares Papier mache, was die Staatspapiere nicht sind, und daß sie diese Papiere gegen die Übung bei den Staatspapieren mit einer Prämie von 5 % beschönige. Dieser Minister glaubte sich daher wiederholt gegen die Zusicherung einer Prämie aussprechen zu sollen.
Der Justizminister Ritter v. Krauß beharrte gleichfalls bei seiner früheren, sowohl die Aufkündbarkeit der Schuldverschreibungen der Frage, finsoweit die Tilgungsraten ausreichen,e als die Rätlichkeit einer Prämie verteidigenden Ansicht. Niemand könne eine gegründete Einwendung dagegen erheben, wenn denjenigen, welche eine Zahlung zu erhalten wünschen, gestattet wird, daß ihre Nummern in die Verlosung aufgenommen werden. Durch dieses Verfahren werde günstig auf den Wert des Papieres eingewirkt, für welches bereits eine gute Hypothek vorhanden ist, die Rückzahlungsmöglichkeit (durch die Verlosung) erleichtert und überdies noch der Vorteil einer Prämie in Aussicht gestellt wird.
Der Minister Ritter v. Thinnfeld glaubt auf die Aufkündigung keinen besondern Wert legen, sich daher auch nicht dagegen erklären zu sollen. Was aber die Aufzahlung einer Prämie anbelangt, so hält er dieselbe weder für notwendig, noch für zweckmäßig, und spricht sich bestimmt gegen die Gewährung derselben aus, weil hierdurch eine neue, in dem Patente vom 25. September 1850 nicht vorgesehene Last den Provinzen auferlegt würde. Wenn eine Aufkündigung stattfindet, so entfalle die Notwendigkeit einer Prämie. Würde die Prämie gestattet, so käme das Papier auf die Börse und würde zum Gegenstande des Spieles. Diejenigen, welche Papiere der Frage haben, werden sie bei der vorhandnen guten Hypothek und bei der 5%igen Verzinsung auch ohne eine Prämie behalten, wenn sie nicht durch Umstände gezwungen werden, sie herzugeben, und jene, welche sich in der Lage dieses Zwanges befinden, werden sie auch bei einer zugesicherten Prämie hergeben müssen.|| S. 330 PDF ||
Der Minister Freiherr v. Kulmer schloß sich dieser letzteren Meinung an, indem auch er gegen die Aufkündigung keinen wesentlichen Nachteil fand, sich aber gegen die Gewährung einer Prämie aussprach.
Auch der Minister Freiherr v. Bruck glaubte sich gegen die Aufkündbarkeit der Schuldverschreibungen in der vom Finanzminister vorgesehenen bedingten Form nicht erklären, dagegen in Ansehung der Prämie bei seiner gestern ausgesprochenen Ansicht beharren zu sollen, nach welcher die in der Frage stehende, bloß auf das Wohl der Bezugsberechtigten berechneten Operation am leichtesten und besten durch die einfache Verlosung, ohne Prämie, zu bewerkstelligen wäre. Nach seiner Ansicht ist die fragliche Operation als ein in sich abgeschlossenes Ganzes zu betrachten. Das, was von den Verpflichteten, dem Lande und dem Staate, eingeht, ist eine gegebene Größe, und wenn man bei dieser als Tilgungsquote bestimmten Größe stehenbleiben will, so müsse man von jeder Prämie absehen, für welche er daher auch nicht stimmen könne.
Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich erklärtes sich sowohl hinsichtlich der Aufkündbarkeit der Schuldverschreibungen als hinsichtlich der Aufzahlung einer Prämie mit dem Finanzminister einverstanden.
Das Resultat der Abstimmung über die vorstehenden Gegenstände war demnach folgendes: Für die bedingte Aufkündigung erklärte sich die Mehrheit der Stimmen.
Gegen die Gewährung einer Prämie stimmten die Minister Dr. Bach, v. Thinnfeld, Freiherr v. Kulmer und Freiherr v. Bruck. Für diese Gewährung stimmten die Minister Ritter v. Krauß, Graf Thun, Baron Csorich und der Finanzminister Freiherr v. Krauß, und da auch der Ministerpräsident dieser Ansicht beitrat, die Mehrheit der Stimmen. Die übrigen Paragraphe des Entwurfes, bei deren einigen der Minister Dr. Bach noch Modifikationen, die er andeutete und wogegen sich keine Erinnerung ergab, vorzunehmen sich vorbehielt, gaben zu keiner Meinungsverschiedenheit Anlaß2.
II. Auszeichnung für Daniel Morscher
Dem zum Schlusse der Sitzung noch gestellten Antrage des Ministers des Inneren, für den Mediascher Bürger Morscher, welcher sich in den letzten revolutionären Wirren durch seine Anhänglichkeit und Treue ausgezeichnet hat, das silberne Verdienstkreuz von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erwirken, wurde von dem Ministerrat ebenso beigestimmt3, wie dem weiteren Antrage
III. Gesuch des Friedrich Ritter v. Ruff um Übertragung des Ritterstandes auf seinen Stiefsohn
desselben Ministers, die von dem FML. Friedrich Ritter v. Ruff angesuchte Übertragung des Ritterstandes auf seinen Stiefsohn August Schmidt-Ruff wegen der Verdienste des Bittstellers bei Sr. Majestät zu befürworten4.
Wien, den 14. März 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 11. April 1851.