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Nr. 337 Ministerrat, Wien, 4. Mai 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 5. 5.), Krauß 6. 5., Bach 7. 5., Schmerling 6. 5., Bruck, Thinnfeld 6. 5., Thun, Kulmer 7. 5., Degenfeld; abw. Stadion, Gyulai.

MRZ. 1835 – KZ. 1607 –

Protokoll der am 4. Mai 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Reise des Kaisers nach Triest

Der Ministerpräsident teilte die eingelangte Nachricht mit, daß Se. kaiserliche Hoheit der Großherzog von Toskana die Reise nach Wien erst dann antreten wollen, wenn Se. Majestät der Kaiser von Triest zurückgekehrt sein werden, und daß Se. Majestät, da Allerhöchstihrer Reise nach Triest nun nichts mehr im Wege steht, dem Ministerrate die nähere Bestimmung über den Antritt und die Dauer der Reise zu überlassen geruhet haben1.

Auf dem Grunde dieser Ah. Gestattung würde der Ministerrat es für angemessen erkennen, wenn die Ah. Reise in folgender Art eingerichtet würde: Mittwoch, den 8. Mai früh die Abreise von Wien nach Gratz, den 9. Aufenthalt daselbst, den 10. Fortsetzung der Reise nach Laibach, den 11. Aufenthalt daselbst; den 12. Reise und Ankunft in Triest, den 13., 14., 15. und 16. Aufenthalt daselbst und im Küstenlande; den 17. und 18. Rückreise über Görz, Villach und Klagenfurt, den 19. (Pfingstsonntag) in Klagenfurt zubringen und den 20. nach dem Gottesdienste die Rückreise nach Wien fortsetzen, wo die Ah. Ankunft am 21. erfolgen würde.

Der Minister Dr. Bach wird übrigens hierüber noch die näheren Ah. Befehle Sr. Majestät einholen2.

II. Organisierung Galiziens

Hierauf bemerkte der Minister des Inneren Dr. Bach , daß, da nach dem soeben Erwähnten die Abreise Sr. Majestät nach Triest nächstens bevorsteht und einige Minister Se. Majestät begleiten werden, vor der Abreise derselben noch einige wesentliche Gegenstände und Prinzipienfragen beraten und festgestellt werden sollten, um darnach in der Zwischenzeit die weiteren Ausarbeit­ungen vornehmen lassen zu können, wie|| S. 12 PDF || z.B. in Ansehung der Organisierung Galiziens, Italiens, der Grenze. Demzufolge wurde heute die wichtige Frage beraten, ob Galizien in administrativer und politischer Beziehung in Teile zu trennen sei oder nicht3.

Der Minister Dr. Bach erinnerte, daß der galizische Landeschef Graf Gołuchowski sich für die Teilung des Landes in administrativer, nicht aber in politischer Beziehung ausgesprochen habe4. Durch die Teilung in letzterer Beziehung und die Feststellung eines polnischen und eines ruthenischen Teiles in Galizien würde nach seiner Meinung bei den Ruthenen dem Russizismus in die Hand gearbeitet, und zwei Landtage seien schwerer zu überwachen und zusammenzuhalten als einer.

Nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach wäre dagegen Galizien in beiden Beziehungen, der administrativen sowohl als der politischen, in zwei Teile zu teilen, jeder Teil hätte seine eigene Vertretung zu erhalten, und der Sanfluß wäre als die natürliche Grenze zwischen diesen beiden Teilen anzunehmen. Die Gründe, welche den Minister zu diesem Antrage bestimmen, sind: Die Polen sind gegen die Teilung und wünschen Einheit, diesen Wunsch der regierungsfeindlich gesinnten Partei darf die Regierung nicht befriedigen. Die Ruthenen dagegen, welche viel für die Regierung taten und sich ihr immer anhänglich zeigten, wünschen die Trennung, und diesem Wunsche müsse die Regierung umso mehr nachkommen, als die Ruthenen durch die Vereinigung mit den Polen in einem Landtage sehr geschwächt würden. Das polnische Element müsse aufhören, in Österreich ein kompaktes Ganzes zu bilden, und deshalb sei es notwendig, das Land in zwei Teile, den Lemberger und Krakauer, zu teilen, in deren einem die Polen, in dem andern die Ruthenen das Übergewicht haben werden. Wir paralysieren und schwächen dadurch die polnische Partei und gewinnen die Ruthenen, ein Element, das niemals mit den Polen gemeinschaftliche Sache machen wird. Von einer Annäherung der Ruthenen an die Russen ist, nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach, nichts zu besorgen, weil die Ruthenen unter Österreich eine freiere Stellung und die ruthenischen Bauern einen sichern freien Besitz haben, daher immer mehr Sympathien für Österreich als Rußland hegen werden. Eher könnte dieser Zustand den Russen nachteilig werden. Schwierigkeiten der Landtage seien geringer, wenn kleinere Teile vertreten werden, als wenn ein großer Körper, ein großes polnisches Parlament, bestünde. Hiernach wären in Galizien zwei Landtage und zwei Statthaltereien einzuführen.

Zu diesen politischen Gründen kommen noch die historischen hinzu, daß Krakau schon früher in größerem als dem gegenwärtigen Umfange, österreichisch und Galizien in zwei Gouvernements, das west- und das ostgalizische, eingeteilt war, und daß die administrative Teilung faktisch schon im Dezember 1848 durch die Einsetzung der Gubernialkommission für Krakau ins Werk gesetzt wurde5. Die Kronlandsfrage wäre übrigens hierbei nicht zu berühren. Es wäre dann in Galizien ein ähnliches Verhältnis|| S. 13 PDF || wie im lombardisch-venezianischen Königreiche, wo ebenfalls zwei Statthaltereien mit zwei Landtagen bestehen sollen6. Die Vereinigungsfrage wäre den Landtagen und dem Reichstage vorzubehalten, vorderhand wären aber Galizien zwei Kurien zu geben, wodurch wir uns an das bereits Bestehende anschließen.

Der Minister Graf Thun bemerkte, ein großer Landtag in Galizien biete nicht mehrere Schwierigkeiten dar, als die großen Landtage in anderen Kronländern, z.B. in Böhmen, wo überdies adie Notwendigkeit, den Landtag so groß zu machen, durch die zahlreichen Städte und kleinen politischen Bezirke herbeigeführt worden sei, während diese beiden Umstände in Galizien nicht vorhanden seien, so daß es möglich sein dürfte, daselbst den Landtag viel kleiner zu machen.a Was die Richtung des Landtages in Galizien anbelangt, meinte der genannte Minister, daß bei der Teilung des Landes beide Teile vereinzelt eher schlecht werden würden als wenn sie vereiniget blieben. Durch die Teilung würde die streng polnische von der streng ruthenischen Nationalität geschieden, wodurch man sich der Gefahr aussetzte, daß die untere Bevölkerung in dem polnischen Teile, welche der Regierung anhänglich ist, dieser abwendig gemacht, und daß von der Loyalität der Ruthenen gegenüber der Polen kein Gebrauch gemacht werden könnte, welche auf einem vereinigten Landtage von guter Wirkung sein würde. Von einer Annäherung der Ruthenen an die Russen glaubt Graf Thun nichts zu besorgen. Bleibt das Land beisammen, so sei die Eifersucht beider Nationalitäten da, die der Regierung das Geschäft erleichtern dürfte, bextremen Anforderungen entgegenzutretenb . Hiernach meint Graf Thun, daß das Land in politischer Beziehung beisammen gelassen werden sollte. Gegen die Teilung des Landes in administrativer Beziehung in Kreise etc. fand derselbe nichts zu erinnern.

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß fand bei diesem Anlasse folgende Andeutungen zu machen: Galizien zähle eine Bevölkerung von über fünf Millionen. Nach der Lage des Landes sei ein wirkliches Zentrum nirgends zu finden: Krakau sei nicht Zentrum gegen Westen, so wie Lemberg nicht Zentrum gegen Osten ist. Es sollen in Galizien wie anderwärts Bezirkshauptmannschaften und Kreisregierungen eingeführt werden und der ersteren etwa 70 im Lande bestehen. Nach der Ansicht des Baron Krauß wird in Galizien noch für viele Jahre ein Zwischenglied zwischen den Bezirkshauptmannschaften und den Gemeinden notwendig sein, welches einzuführen man bedacht sein sollte und wornach die Anzahl der Bezirkshauptmannschaften viel geringer ausfallen könnte. Jeder der gegenwärtigen 19 Kreise dürfte etwa in zwei Teile, zwei Bezirkshauptmannschaften, zerfallen, wornach für das ganze Land 38 Bezirkshauptmannschaften entfielen. Das Land wäre ferner in drei (und wenn man wollte auch in vier) größere Teile, Kreise, einzuteilen, von denen der eine ganz polnisch, der andere ruthenisch und der dritte gemischt wäre. Der Sitz der ersten Kreisregierung dürfte in Krakau, der zweite in Lemberg und der dritte entweder in Przemyśl oder in Rzeszów sein. Dagegen erinnerte|| S. 14 PDF || der Minister Dr. Bach , daß Przemyśl ruthenisch und Rzeszów polnisch ist und daß, man mag den einen oder den anderen Ort zum Sitze der Kreisregierung wählen, dann entweder zwei Kreise polnisch oder zwei Kreise ruthenisch wären. Gegen die Einteilung des Landes in zwei Teile, bemerkte der Finanzminister Freiherr v. Krauß weiter, spreche gerade der Umstand, daß diese Einteilung nach Nationalitäten geschehen soll, was nach seiner Meinung vermieden und die Nationalität nicht als Kriterium der Einteilung angenommen werden sollte.c Die Unterwerfung der Polen sei denkbar, wenn sie nämlich dahin gebracht werden, den Gedanken aufzugeben, daß Polen wieder erstehen werde. Der Finanzminister bemerkte weiter, daß man vermeiden sollte, etwas zu tun, was das polnische Element, sei es in Städten, sei es auf dem Lande, herabsetzt und verletzt.d

Die Wühler würden durch die Teilung des Landes in zwei Teile Mittel in die Hand bekommen, in ihrem Sinne durch die Verbreitung der Meinung zu wirken, daß man die Polen aufhören machen wolle, Polen zu sein. Ein fernerer Grund für seine Ansicht, meinte der Finanzminister, sei der, wenn je zwischen Österreich und Rußland Kollisionen entstehen sollten, so sei es wichtig, daß wir die Gesinnung der russisch-polnischen Länder nicht gegen uns haben. Gegen die Teilung in zwei Statthalterschaften mit zwei Landtagen spreche endlich auch der finanzielle Grund, daß man in Galizien den Aufwand nicht ohne Not vermehren soll, was geschehen würde, wenn wir dieses Land so wie die anderen Kronländer einrichten. Nach der Ansicht des Finanzministers wäre das Kronland Galizien in drei (oder vier) Kreise einzuteilen und den Kreistagen wären die Befugnisse des Landtages einzuräumen. In diesem Sinne wäre er mit der Teilung einverstanden.

eDer Handelsminister meinte, daß man vier große Kreisregierungen bilden könne, und wies auf Stanislau als Sitz der vierten hin, daß diesen vier Kreisen in betreff ihrer Vertretung die Befugnisse eines Landtages gewährt werden könnten und daß ihre Ausschüsse sich dennoch wegen allgemeinen Landesangelegen­heiten jährlich im Sitze des Statthalters zu gemeinschaftlichen Beratungen versammeln könnten.e Der Handelsminister meinte, daß man vier große Kreisregierungen bilden könne, und wies auf Stanislau als Sitz der vierten hin, daß diesen vier Kreisen in betreff ihrer Vertretung die Befugnisse eines Landtages gewährt werden könnten und daß ihre Ausschüsse sich dennoch wegen allgemeinen Landesangelegen­heiten jährlich im Sitze des Statthalters zu gemeinschaftlichen Beratungen versammeln könnten.

Der Ministerpräsident meinte gleichfalls, daß es gegen die Verfassung nicht verstoßen würde, das Kronland Galizien in mehrere als zwei Teile abzuteilen, und daß es lediglich die Sache der Konvenienz und der Nützlichkeit sei, ob die Abteilung in zwei oder mehrere Teile geschehe, wenn nur die einzelnen Teile ihre Vertretung haben, was auch bei der Einteilung in drei oder mehrere Teile der Fall sein könne.

Die übrigen Stimmführer erklärten sich mit den Ansichten und Anträgen des Ministers des Inneren einverstanden, daß Galizien ähnlich dem lombardisch-venezianischen Königreiche in zwei Teile und mit zwei Landtagen eingeteilt und der Sanfluß als Grenze dieser beiden Teile festgesetzt werde. Ein gemeinschaftlicher Landtag in Lemberg würde|| S. 15 PDF || auch nach ihrer Meinung, da die Polen in der Zivilisation den Ruthenen voraus sind, den ersteren ein Übergewicht über die letzteren zu unserem Nachteile verschaffen, was vermieden werden müsse.

Hiernach wurde sich durch die Mehrheit der Stimmen für die Teilung und dafür ausgesprochen, daß Galizien weder administrativ noch politisch beisammen gelassen werden dürfe. Der Minister des Inneren wird übrigens die von dem Finanzminister gemachten Andeutungen bei der Durchführung der Maßregel noch näher in Erwägung ziehen7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 7. Mai 1850.