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Nr. 284 Ministerrat, Wien, 20. Februar 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 23. 2.), Krauß 23. 2., Bach 25. 2. (nur bei IV anw.), Gyulai 25. 2., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 23. 2., Thun, Kulmer 23. 2.; abw. Stadion.

MRZ. 752 – KZ. 641 –

Protokoll der am 20. Februar 1850 zu Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Erbeutete Fruchtvorräte

Der Justizminister äußerte, im Nachhange zu der vorläufigen Besprechung am 11. l.M.1, daß die von der österreichischen Armee bei Szolnok ergriffenen Fruchtvorräte nach strengem Rechte allerdings als Kriegsbeute betrachtet und behandelt werden könnten, daß er jedoch nicht verkenne, wie die obwaltenden Umstände hier eine schonendere Behandlung der beteiligten ungarischen Fruchthändler als billig erscheinen lassen2.

II. Generalversammlung der Tyrnauer Eisenbahngesellschaft

Der Minister der Handels referierte, der Beschluß der letzten Generalversammlung der Tyrnauer Eisenbahngesellschaft, daß ihre nächste Sitzung in Wien und nicht, wie es statutenmäßig vorgeschrieben ist, in Preßburg stattzufinden habe, sei nunmehr von einer kleinen Anzahl Preßburger Aktionären aus dem Grunde angefochten worden, weil im Protokoll der Generalversammlung nicht nachgewiesen ist, daß die zu einem solchen Beschlusse von den Statuten geforderte Mehrheit von drei Viertel der Anwesenden sich dafür ausgesprochen habe.

Der Handelsminister äußerte, daß er den gedachten Beschluß, der bereits vom Distriktskommissär Grafen Zichy seinerzeit bestätigt worden ist, zur Aufrechterhaltung geeignet halte, da im Protokolle eine eminente Majorität als vorhanden angegeben erscheint, weder damals noch bis zur neuesten Zeit jemand einen Zweifel über die Gültigkeit des Beschlusses erhoben hat und sich durch nachträgliche Erklärungen der in jener Versammlung anwesenden Aktionäre, deren Verzeichnis vorliegt, wird erweisen lassen, daß wirklich drei Viertel der Anwesenden für die Verlegung der nächsten Sitzung nach Wien gestimmt haben.

Diesem Antrage wurde vom Ministerrate beigepflichtet3.

III. Anschluß der österreichischen an die sächsische Eisenbahn

Der Minister der öffentlichen Bauten brachte hierauf den Anschluß der österreichischen an die sächsische Staatsbahn zur Sprache4.|| S. 147 PDF ||

Von Seite Sachsens wird das Ansinnen gestellt, Österreich solle die Bahnstrecke von Niedergrunda an der Elbe bis Bodenbachb, im Kostenanschlage von eineinhalb Millionen Gulden, herstellen und in Bodenbach Magazine zum beiderseitigen Gebrauche aufbauen, wofür Sachsen als Ersatz für die Benützung c1½% für die Bahn und ½% des Baukapitals der Gebäudec jährlich verzinsen würde5. Minister Baron Bruck findet diese Zumutung, den Bau einer langen Strecked mit einem so bedeutenden Geldaufwande aus den österreichischen Finanzen und gegen eine so äußerst geringe Vergütung zu übernehmen, sehr unbillig und wäre geneigt, dieselbe zurückzuweisen und vielmehr Sachsen aufzufordern, die Bahn bis Bodenbach zu führen und daselbst einen sächsischen Bahnhof zum Behufe des Umpackens etc. aus den sächsischen in die österreichischen Trains und vice versa zu erbauen.

Der Ministerrat war mit diesen Anträgen umso mehr einverstanden, als es eine mißliche Sache ist, eine größere Bahnstrecke für eine ausländische Betriebsunternehmung fahrbar herzustellen und zu erhalten6.

An den Beratungen I bis III nahm der Minister des Inneren keinen Teil.

IV. Eingabe der österreichischen Bischöfe

Hierauf wurde die Beratung über die aus Anlaß der Eingabe der österreichischen Bischöfe Ah. Sr. Majestät au. vorzuschlagenden Verordnungen etc. fortgesetzt7.

Der Minister des Kultus hat laut der Beilagee vorgeschlagen, es sei 1. über den Verkehr mit Rom im Verordnungswege zu erlassen: „Sowohl den katholischen Bischöfen als den ihnen unterstehenden Gläubigen steht es frei, sich in geistlichen Angelegenheiten an den Papst zu wenden und die Entscheidungen und Anordnungen des Papstes zu empfangen, ohne dabei an eine vorläufige Zustimmung der weltlichen Behörden gebunden zu sein.“

Der Ministerrat beschloß vorerst, den etwas vagen Begriff „geistliche Angelegenheiten“ durch den Beisatz „rein“ näher zu bestimmen, damit nicht Angelegenheiten gemischter Natur vor das Forum des Papstes gebracht würden.

„Erlässe“ statt „Entscheidungen und Anordnungen“ wurde vom Minister des Inneren vorgeschlagen.

Eine längere Erörterung ergab sich über die Frage, ob das Recht, sich nach Rom zu wenden, wie Graf Thun anträgt, den Bischöfen und den ihnen unterstehenden Gläubigen oder aber den Bischöfen allein zuzuerkennen sei. Für das exklusive Recht der Bischöfe,|| S. 148 PDF || sich an den Papst zu wenden, und somit für die Streichung der Worte „als den ihnen unterstehenden Gläubigen“ erklärten sich die Minister Baron Krauß, Baron Bruck und Graf Gyulai, welche glaubten, daß der niedere Klerus sowohl als die Laien sich immerhin des Organs der Bischöfe als ihrer kirchlichen Oberen beim Verkehre mit Rom bedienen könnten. Verweigert ein Bischof diese Vermittlung, so steht dem dadurch Gekränkten noch immer der Weg durch die Behörden frei. Es wird dergestalt niemand gekränkt und ohne Rechtsmittel gelassen, während andererseits der Verkehr mit dem Papste auf diese Art in geregelten Bahnen erhalten wird.

Die mehreren Stimmen waren aber dafür, daß den Gläubigen ohne Unterschied der direkte Rekurs an das Oberhaupt der Kirche in rein geistlichen Sachen gewährt werde, wie er dem Staatsbürger an das Staatsoberhaupt eingeräumt ist. Eine Beschränkung zugunsten der Bischöfe werde ja von den letzteren nicht einmal begehrt, und die Regierung habe keinen Grund weiter zu gehen als das Episkopat.

2. Über den Verkehr der Bischöfe mit ihren Gemeinden wäre nach dem lithographierten Antrage des Kultusministers zu erlassen: „Den katholischen Bischöfen steht es frei, über Gegenstände ihrer Amtsgewalt an ihren Klerus und ihre Gemeinden ohne vorläufige Genehmigung der Staatsbehörde Ermahnungen und Anordnungen zu erlassen. Sie haben jedoch von ihren Erlässen, insofern sie äußere Wirkungen nach sich ziehen oder öffentlich kundgemacht werden sollen, gleichzeitig den Regierungsbehörden, in deren Bereich die Kundmachung erfolgen oder die Anwendung geschehen soll, Abschriften zu erteilen.“

Der Kultusminister modifizierte diesen Antrag bei der Sitzung dahin, daß die Bestimmungen des Schlußsatzes „sie haben“ etc. bis „zu erteilen“, dermal noch gar nicht zu erlassen wären, um die katholischen Bischöfe nicht mehr zu beschränken, als es jetzt faktisch die Superintendenten in Ungarn sind. Sondern diese Beschränkung dürfte nachträglich und zwar für alle Kirchenobern ohne Unterschied des Kultus zu erlassen sein.

Mit dem vom Minister des Inneren vorgeschlagenen Zusatze nach dem Wort „Amtsgewalt“: „und innerhalb der Grenzen derselben“ war man allseitig einverstanden.

Minister Baron Krauß erklärte sich gegen die Weglassung des Nachsatzes „sie haben“ bis „zu erteilen“, da man bei den verschiedenen Individualitäten der Bischöfe fmit Hinblick auf die Geschichte der letzten 1000 Jahre der Regierung ein Mittel vorbehalten werden müsse, um Mißbräuchen zu begegnenf .

Der Minister des Inneren fand, daß selbst die Bestimmungen des Schlußsatzes noch immer keine genügende Bürgschaft gegen nachteilige Übergriffe von Seite des Klerus gewähren. Schließlich vereinigten sich die Minister Ritter v. Schmerling,

Ritter v. Thinnfeld, Baron Kulmer, Graf Gyulai und Graf Thun mit einer vom Minister Bach vorgeschlagenen Textierung, wodurch vorgebeugt wird, damit nicht jeder bischöfliche Hirtenbrief und Erlaß, sobald er nur gleichzeitig den Regierungsbehörden mitgeteilt wird, schon unwiderrufliche Gültigkeit erhalte: „Die katholischen Bischöfe sind nicht weiter verpflichtet, zur Erlassung von Ermahnungen und Anordnungen, welche sie über Gegenstände ihrer Amtsgewalt und innerhalb der Grenzen derselben an ihren Klerus|| S. 149 PDF || und ihre Gemeinden erlassen, eine vorläufige Bewilligung der Staatsbehörde einzuholen.“8

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 28. Februar 1850.