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Nr. 278 Ministerrat, Wien, 12. Hornung 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 13. 2.), Krauß 13. 2., Bach 13. 2., Gyulai 13. 2., Schmerling 14. 2., Bruck, Thinnfeld 13. 2., Thun, Kulmer 13. 2.; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 12. Hornung 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Eingabe des Wiener Gemeinderates bezüglich der nicht angestellten Zivil- und Kriminalgerichtsbeamten

Der Ministerpräsident teilte mit den Inhalt einer Vorstellung des Gemeinderates von Wien gegen die Übergehung von 26 Individuen des hiesigen Zivil- und Kriminalgerichts bei Besetzung der neu organisierten Gerichte und gegen die hieraus der Kommune erwachsende unverhältnismäßige Pensionslast1.

Der Justizminister bemerkte, daß es bei der bekannten Beschaffenheit des Personals des hiesigen Zivil- und Kriminalgerichts, dann der Senatsabteilung in schweren Polizeiübertretungen ohne wesentliche Benachteiligung des Dienstes schlechterdings unmöglich gewesen sei, eine größere Anzahl der dort Angestellten bei Besetzung der neuen Gerichte zu berücksichtigen, und daß die Übergangenen zur Anstellung bei dem neuen Gerichte durchaus nicht geeignet waren.

In Ansehung der Pensionsbehandlung berief sich der Justizminister auf seinen im Ministerrate vom 9. d. sub V. gemachten Antrag wegen Zusammensetzung einer Ministerialkommission zur Regelung der aus der Reduktion der Kommunalbeamten entspringenden Verhältnisse.

Hiernach erschien die Vorstellung des Gemeinderates zur Berücksichtigung nicht geeignet2.

II. Vermehrung der Konsularagenten in Nordgriechenland und Bosnien

Der Minister des Inneren , aus Anlaß der ungrisch-türkischen Flüchtlingsfrage aufmerksam gemacht auf den Mangel hinreichender Konsularagenten im nördlichen Griechenland und in Bosnien, behielt sich vor, hierwegen mit dem Handelsminister das nähere Einvernehmen zu pflegen3; er zeigte

III. Berufung Agenor Grafen Gołuchowski nach Wien

die von ihm verfügte Berufung des galizischen Landeschefs Grafen Gołuchowski nach Wien zur Besprechung wichtiger Landesverwaltungs- und Organisierungsangelegenheiten an4, und erbat und erhielt

IV. Berufung italienischer Vertrauensmänner nach Wien

die Ermächtigung des Ministerrates zur Einberufung nachstehender Vertrauensmänner aus dem lombardisch-venezianischen Königreiche zu gleichem Zwecke5, nämlich des Conte Nava, Archinto, Priuli, Giovanelli, Breganza, Villa, de Mori und Frapporti, mit dem Vorbehalte, dem Generalgouverneur des Königreichs6 die Vermehrung dieser Kommission mit einem oder dem anderen von ihm hierzu für geeignet erkannten Individuum zu überlassen7.

V. Verwendung der Gendarmerie in der kroatisch-slawonischen Militärgrenze

Über eine zwischen dem Ban von Kroatien und dem Chef der Gendarmerie obwaltende Differenz in betreff der Verwendung der Gendarmerie in der kroatisch-slawonischen Militärgrenze gedenkt der Minister des Inneren im Interesse der öffentlichen Sicherheit und nach der Bestimmung der Gendarmerie dahin zu entscheiden, daß die Wirksamkeit der Gendarmerie sich auch über die Militärgrenze erstrecken müsse, womit auch, wie Baron Kulmer versicherte, der Ban selbst sich bereits einverstanden erklärt hat8.

VI. Einführung der Einkommensteuer in Ungarn und Kroatien

Der Finanzminister referierte über die Einführung der Einkommensteuer in Ungern9.

Die Notwendigkeit, eine Gleichheit in der Besteuerung Ungerns mit den übrigen Provinzen herzustellen, spricht für die Einführung dieser Steuer in Ungern. Die Hauptschwierigkeit,|| S. 122 PDF || die sich dabei ergibt, besteht darin, daß dort nicht, wie in den anderen Kronländern, die Erwerbsteuer als Anhaltspunkt dienen kann, weil sie nicht besteht. Es müßte also alles Einkommen aus Gewerben selbst der mindesten Gattung fatiert werden, was eine große Unbequemlichkeit sein würde. Um dieser zu entgehen, wäre nach dem Antrage des Finanzministers diejenige Klasse der Erwerbenden, deren Betriebskapital 300 fr. nicht übersteigt, von der Fatierung des Einkommens zu entheben, dagegen aber nach dem in den deutschen Landen geltenden untersten Steuersatze der Erwerbsteuer zu belegen. Insofern von dem zur Bearbeitung des diesfälligen Vorschlags beauftragt gewesenen Komitee der Antrag gemacht wird, auch diejenigen Zweige von der Fatierung freizulassen, welche der Dikalkonskription10 unterliegen, so glaubte der Finanz­minister sich im allgemeinen dagegen und höchstens dafür erklären zu sollen, daß das, was nach der Dikalkonskription entfällt, in die Einkommensteuer eingerechnet werde. Namentlich unterliegt es keinem Anstande, daß die hierunter gehörigen Bezüge der Beamten, Regalbenefizien, Zehnten, Berg- und Hüttenwerke, endlich das Einkommen der Honoratioren (welches eigentlich keine besondere Spezies bilden kann) gleich wie ain den übrigen Ländern in der Einkommensteuer behandelt werde; nur in Ansehung des Ertrages von den Waldungen erachtet der Finanzminister, daß dieser Ertrag der besondern Verhältnisse wegen und, da ohne Vermessung eine Kontrolle nicht möglich ist, von der Belegung mit der Einkommensteuer freizulassen wärea . Nach diesen Hauptgrundsätzen wäre der Landesverwaltung die nötige Weisung hinauszugeben, wegen Einführung der Einkommensteuer in Kroatien aber das Gutachten des Ministerialkommissärs v. Kappel abzuwarten11.

VII. Militärische Maßnahmen gegen die Republik San Marino

Der Ministerpräsident brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß gegen die Republik San Marino wegen Ausweisung der dort Asyl findenden Revolutionärs der bedenklichsten Art eine militärische Expedition vorbereitet werde12, und

VIII. Aufenthaltsbewilligung für Johann Cavedalis

daß Feldmarschall Graf Radetzky die Bitte des Zivilingenieurs Cavedalis (welcher bei der Übergabe Venedigs als ehemaliger Triumvir auf die Liste der Auszuweisenden gesetzt wurde) um Bewilligung des ferneren Aufenthalts im Kaiserreiche, auch außerhalb Italien, in der Rücksicht befürwortet habe, weil Cavedalis bei der gedachten Katastrophe der k.k. Regierung wesentliche Dienste geleistet und sich sonst als ehrenhafter Mann bewährt hat, so daß der Gewährung seiner Bitte kein wesentliches Bedenken entgegenstehen, ja dessen Aufnahme für den öffentlichen Baudienst statthaft sein dürfte, worauf Rücksicht zu nehmen der Minister Freiherr v. Bruck sich vorbehielt13.

Dieser Minister zeigte auch an,

IX. Allgemeine Benützung der Telegraphen

daß mit 15. d.M. die Telegraphen der Benützung des Publikums eröffnet werden und daß, der notwendigen Übereinstimmung mit Berlin und München wegen einige Modifikationen in dem unterm 1. Oktober 1849 sub Nr. VI beschlossenen Tarife eingetreten seien14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 14. Februar 1850.