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Nr. 235 Ministerrat, Wien, 22. Dezember 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai (erst ab IV.), Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 24. 12.), Krauß 24.12., Bach 24.12., Gyulai 24.12., Schmerling 24.12., Bruck, Thinnfeld 24.12., Thun, Kulmer 24.12.; abw. Stadion.

MRZ. 4783 – KZ. 4016 –

Protokoll der am 22. Dezember 1849 zu Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Provisorium für die Besorgung des Richteramtes in schweren Polizeiübertretungen

Der Justizminister referierte, daß er, nachdem die Verwirklichung der neuen Organisation der politischen Behörden vor der Tür ist1, Sr. Majestät einen a.u. Antrag wegen eines Provisoriums für die Besorgung des Richteramts in schweren Polizeiübertretungen zu erstatten beabsichtige, wornach die Kriminalgerichte dafür zu bestimmen wären.

Der Minister Freiherr v. Krauß erinnerte hierüber, daß die politischen Obrigkeiten sich hiezu wegen ihrer größeren Anzahl und Verteilung auf dem flachen Lande vorzugsweise eignen dürften, womit auch der Justizminister einverstanden war, jedoch bemerkte, daß das Provisorium, welches er im Auge habe, sich hauptsächlich auf die Städte in Böhmen und Mähren beziehe, welche ohnehin Sitze von Kriminalgerichten sind2.

II. Statthalterstelle in Niederösterreich

Nachdem Ministerialrat v. Mitis wiederholt erklärt hat, die gerichtliche Laufbahn nicht verlassen zu wollen3, so brachte der Minister des Inneren für den Posten eines Statthalters in Niederösterreich abermals den Sektionschef Dr. Eminger in Vorschlag, den er nach wiederholter Erwägung als den geeignetsten erkannt habe, und von dem er überzeugt sei, daß er mit ebensoviel Klugheit als Energie im Geiste des Ministeriums wirken werde.

Nachdem Minister Bach erklärte, daß er keinem der sonst noch zur Sprache gebrachten Kandidaten den wichtigen Posten eines Statthalters in Niederösterreich mit gleicher Beruhigung anvertraut sehen würde, so vereinigten sich die übrigen Stimmführer mit diesem Antrage, und nur der Finanzminister blieb bei seinem eigenen früheren Antrag wegen Ernennung des Freiherrn v. Stifft, wobei er auch erinnern zu sollen glaubte, daß der gewesene Vizepräsident in Mailand Graf O’Donell seinen als Kreishauptmann|| S. 927 PDF || in Niederösterreich und als Hofrat in Triest bewiesenen Fähigkeiten nach auch die Eignung zu einem Landeschef besitzen dürfte aund nicht verdient zu haben scheint, gänzlich beseitigt und bei der Verleihung höherer Dienststellen übergangen zu werdena .4

III. Statthalterstelle in der Steiermark

Der Minister des Inneren eröffnete, daß, da Se. Majestät der Kaiser den Antrag wegen Ernennung des Altgrafen Salm zum Statthalter der Steiermark nicht zu genehmigen geruht haben, die Notwendigkeit zur Erstattung eines neuen Vorschlages eintrete5. Nach reifer Erwägung habe nun der Minister unter der leider sehr geringen Zahl von Männern, welche die volle Befähigung für den schwierigen Posten eines Statthalters besitzen, den Generalprokurator in Triest Dr. Burger als für die fragliche Stelle vorzüglich geeignet erkannt und beabsichtige sofort denselben Ah. Ortes in Vorschlag zu bringen.

Die Minister des Handels und der Justiz, welche den Dr. Burger persönlich genau kennen, stimmten diesem Vorschlage aus voller Überzeugung bei, da derselbe unstreitig der rechte Mann für die Statthaltersstelle in Graz sei. Und nachdem auch die übrigen Minister sich dem Antrage anschlossen, so erließ der Minister des Inneren ex consilio auf telegraphischem Wege an Dr. Burger die Weisung, sich nach Wien zu begeben, um vor allem in Erfahrung zu bringen, ob er auch zur Annahme des fraglichen Postens bereit sei6.

IV. Wahlordnung für den oberösterreichischen Landtag

Hierauf wurde die Beratung über die provisorische Wahlordnung für den obderennsischen Landtag fortgesetzt7.

§ 49 wurde statt des Ausdruckes „stummer Wähler“ gesetzt „bPersonenb, welche stumm sind“. Der 2. Absatz desselben Paragraphen wurde gestrichen, da man dahin wirken müsse, daß die Majorität der Freunde der Ordnung bei dem Wahlakte persönlich erscheine und daher die Einbringung von Wahlzetteln nicht zu gestatten wäre.

Zum § 59 brachte Minister v. Thinnfeld in Vorschlag, es sollte zur Erhöhung des Vertrauens in den Wahlakt die Skrutinierung fakultativ in Gegenwart der Wähler vorgenommen werden. Mit diesem Antrage war man allseitig einverstanden.

Zum § 60 schlug der Unterrichtsminister vor, daß, wenn bei der Wahl der Abgeordneten durch die Höchstbesteuerten für einen oder den anderen Abgeordneten im ersten Skrutinium keine absolute Stimmenmehrheit vorhanden ist, nicht sogleich zu der engeren Wahl (§ 61) zu schreiten, sondern vorläufig noch ein zweites Skrutinium || S. 928 PDF || vorzunehmen sei. Dieses zweite Skrutinium gewähre nämlich der Majorität der Wähler die Gelegenheit, die von ihr gewünschten Kandidaten durchzubringen, indem sich die zersplitterten Stimmen dabei sammeln können, während, wenn sogleich zur engeren Wahl geschritten wird, eine klug operierende Minorität ihre Kandidaten in die engere Wahl dergestalt hineinbringen kann, daß sie gegen den Willen der Mehrzahl gewählt werden, die sogenannten Minoritätswahlen, welche der radikalen Partei nur zu oft schon gelungen sind.

Sämtliche Minister erkannten die Vorteile dieses Amendements, allein auch die Schwierigkeit, dieselbe Bestimmung wegen Vornahme von zwei Skrutinien auch bei den Wahlen der Landgemeinden etc. eintreten zu lassen, da die Wähler nach jedem Wahlakte wieder nach Hause zurückkehren und dieselben sich mithin, wenn zwei Skrutine vorgenommen werden, zweimal und, wenn es auch zur engeren Wahl kommt, gar dreimal am Wahlorte einfinden müßten, eine Aufopferung und Beharrlichkeit, die bei schlechtem Wetter und großer Entfernung gerade von den konservativen Wählern am wenigsten zu hoffen ist, sodaß auf diese Weise wieder die radikale Partei am dritten Wahltage die Oberhand bekäme. Nach längeren Debatten entschied man sich, die Vornahme von zwei Skrutinien nur bei den Wahlen der Höchstbesteuerten vorzuschreiben, diese Ungleichheit aber ausdrücklich durch den Umstand zu motivieren, daß diese Wähler bis zum Schlusse der Wahl vereint bleiben, was bei den Wahlen der Landgemeinden nicht der Fall istc .

§ 64 und 65 wurde beschlossen, daß die relative Majorität von einem Vierteile der abgegebenen Stimmen zu einer giltigen Wahl genüge, indem ein Drittel der Stimmen sehr schwer auf ein Individuum zu vereinigen sei.

Eine weitere Diskussion ergab sich zum § 66 über die Frage, ob, wann und bei wem sich der Gewählte über seine Wählbarkeit in Absicht auf Alter, Staatsbürgerschaft etc. auszuweisen habe. Einige Stimmführer glaubten, daß jeder Kandidat seine Wählbarkeit gleich nach der auf ihn gefallenen Wahl zu erweisen habe, aber schließlich vereinigte man sich dahin, daß der Gewählte die Beweise seiner Wählbarkeit dem Landtage selbst vorzulegen habe. (Vide § 73)

§ 75 um den zu erhebenden Protesten gegen Wahlen aus rein persönlichen Gründen zu begegnen, wurde beschlossen, den Eingang dieses Paragraphen folgendermaßen zu textieren:

„Reklamationen und Proteste gegen das Verfahren bei der Wahl sind bis längstens acht Tage nach Eröffnung des Landtages einzubringen.“ Der Schluß dieses Satzes „widrigenfalls sie in derselben Jahressession nicht mehr in Verhandlung gezogen werden dürfen“ wurde im Entwurfe gestrichen. Hiemit war die Beratung über die Wahlordnung geschlossen8.

V. Zeitungsstempelaufhebung für die offiziellen inländischen Zeitungen

Der Unterrichtsminister brachte die Aufhebung des Stempels für die offiziellen inländischen Zeitungen in Anregung, da der Stempel diese Zeitungen, deren möglichste Verbreitung doch zu wünschen sei, wesentlich verteuere.|| S. 929 PDF ||

Der Finanzminister äußerte, er sei im wesentlichen auch dieser Meinung, doch müßten vor der Aufhebung des Stempels die mit den Verlegern dieser Zeitungen, welche sämtlich einen Pachtschilling der Regierung zahlen, bestehenden Vertragsverhältnisse gehörig ins Auge gefaßt und dafür gesorgt werden, daß diese Maßregel wirklich eine Preisverminderung der Zeitung zur Folge habe. Baron Krauß knüpfte hieran einige Andeutungen über eine statt dieses Stempels einzuführende Steuer auf Zeitungsankündigungen.

Es wurde jedoch vom Ministerrate hierüber kein definitiver Beschluß gefaßt9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 25. Dezember 1849.