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Nr. 202 Ministerrat, Wien, 5. November 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 6. 11.), Krauß 10.11., Bach 10.11., Gyulai 10.11., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 10.11., Thun, Kulmer 14.11.; abw. Stadion.

MRZ. 4050 – KZ. 3444 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 5. November 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Titel „Zivil- und Militärgouverneur“ für Carl Fürsten Schwarzenberg und Anton Freiherrn v. Puchner

Aus Anlaß der in dem Ah. Kabinettschreiben vom 31. v.M. wegen Verleihung der k.k. geheimen Ratswürde an FML. Fürsten Carl Schwarzenberg vorkommenden Benennung desselben als „Zivil- und Militärgouverneur“1 bemerkte der Ministerpräsident in Übereinstimmung mit dem Kriegsminister, daß diese Benennung eine Berichtigung erheische, weil damit dem Gouverneur auch der Oberbefehl über die gesamte im Lande befindliche Kriegsmacht eingeräumt würde, während dieselbe doch nach dem Ah. Armeebefehl vom 16. v.M. nur dem Kommandanten des betreffenden Armeekorps untersteht2, auch bei Ernennung des Fürsten Schwarzenberg nur die Absicht war, ihn zum Gouverneur in Mailand (gleichwie Baron Welden in Wien3), in bezug auf die Lombardie aber nur zum Statthalter zu bestellen, in welch letztrer Eigenschaft ihm kein Kommando über die Truppen außer Mailand zukommt.

Der Minister des Inneren , welcher die angefochtene Benennung mit Rücksicht auf die früheren Deliberationen im Ministerrate durch den Ausnahmszustand des lombardisch-venezianischen Königreichs für gerechtfertigt hielte, würde glauben, daß die Berichtigung sich auf eine hierwegen an den Fürsten Schwarzenberg und an den in dem gleichen Falle befindlichen Gouverneur von Venedig Baron Puchner zu erlassende Erklärung zu beschränken hätte, und daß ihnen der Titel „Zivil- und Militärgouverneur“ belassen werden könnte.

Der Kriegsminister erachtete dagegen, daß zur Vermeidung aller Irrungen für die Zukunft mit Bezug auf die Ah. E. vom 4. d.M. über seinen Vortrag vom 31. v.M. die Zurücknahme dieser Titulatur als auf einem Versehen beruhend zu veranlassen wäre, wogegen von den übrigen Stimmen im Ministerrate keine Einwendung erhoben wurde4.

II. Sicherung der Fregatte „Gefion“

Die den Dänen abgenommene Fregatte „Gefion“ soll aus dem Hafen von Eckernförde, wo sie nicht ganz sicher ist, von den Preußen nach Swinemünde geführt werden, welche übrigens alle möglichen Garantien gegeben haben, daß dieses Schiff fortan als Reichsgut werde angesehen und behandelt werden5.

Gleichwohl hat das Reichsministerium unterm 28. v.M. gegen jede Wegführung des „Gefion“ protestiert und dem Kommandanten in Eckernförde die kategorische Weisung erteilt, dieses Schiff dem Reiche unter deutscher Flagge zu erhalten oder zu vernichten, wenn von wem immer versucht werden sollte, es wegzunehmen6.

Der Ministerpräsident hat an Grafen Rechberg die Weisung ergehen lassen, daß er bei der Zentralgewalt die Zurücknahme dieser Verfügung erwirke7.

III. Bericht aus Berlin über das deutsche Parlament

Der Ministerpräsident las einen Bericht des k.k. Gesandten in Berlin über eine Unterredung mit Herrn v. Radowitz in betreff des zu berufenden deutschen Reichstags8.

IV. Orden für Johann Kaspar Seiller und Ferdinand Bergmüller

Der Minister des Inneren erbat sich die sofort auch erteilte Zustimmung des Ministerrats zu dem Antrage bei Sr. Majestät auf eine Auszeichnung für den Präses des Wiener Gemeinderats Dr. Seiller mit dem Leopolds-, dann des Wiener Vizebürgermeisters Bergmüller mit dem Eisernen Kroneorden9.

V. Zeitungsartikel über Behandlung der politischen Gefangenen

Der Justizminister kündigte die Absicht an, aus Anlaß einer Zeitungsnachricht, daß dem wegen Beteiligung am badisch-pfälzischen Aufstande verurteilten Kinkel der Bezug von Büchern untersagt worden, in einem halboffiziellen Zeitungsartikel das Verfahren der k.k. Regierung, welche ihren politischen Gefangenen eine derlei Begünstigung nicht versagt, jenem der preußischen Regierung entgegenzuhalten10.

VI. Stempelfreiheit für die Salzburger Forstregulierungskommission

Der Minister für Landeskultur erbat sich die Zustimmung des Finanz- und des Handelsministers zur Erwirkung der Stempelfreiheit für die Verhandlungen und|| S. 809 PDF || Kontrakte der Forstregulierungskommission in Salzburg und wird über Einladung dieser beiden Minister denselben hierwegen die schriftliche Mitteilung machen11.

VII. Runkelrübenzuckerbesteuerung und damit zusammenhängende Maßnahmen

Der Finanzminister entwickelte seine im Einvernehmen mit dem Handelsminister gestellten Anträge wegen Besteuerung des Runkelrübenzuckers, wegen gleichzeitiger mäßiger Erhöhung der Besteuerung für die Raffinerien des indischen Zuckers und Herabsetzung des Zolls auf einzuführende Raffinade und Rohzucker zum Handel12.

Nach diesen vermöge der gepflogenen Erhebungen zulässigen und im Interesse der Finanzen sowohl als der Raffinerien notwendigen Anträge würde in Übereinstimmung mit den diesfalls im Zollvereinsgebiete bestehenden Steuersätzen und Zöllen der Einfuhrzoll vom fremden Raffinat von 18 auf 16 fr., jener von Rohzucker für den Handel von 15 auf 12 fr. herabzusetzen, dagegen der Zoll von Rohzucker für die Raffinerien von 7 fr. 30 Kreuzer auf 8 fr. zu erhöhen, endlich das Produkt der Runkelrüben­zuckerfabrikation mit einem Steuersatze von 1 fr. 40 Kreuzer per Zentner pro 1850 zu belegen sein.

Die Mehrheit der Stimmen des Ministerrats erklärte sich hiermit einverstanden, nur die Minister Thinnfeld und Graf Thun , welche im Interesse der mit der Landeskultur so innig verbundenen, für diese so wichtige Rübenzuckererzeugung eine Besteuerung derselben gegenwärtig überhaupt nicht für wünschenswert halten, fanden den Steuersatz auf dieses Produkt jedenfalls zu hoch und glaubten, denselben, ersterer mit höchstens 1 fr. 30 Kreuzer und womöglich mit der Zusicherung einer längeren Dauer dieses minderen Satzes, letzterer mit 1 fr. 10 Kreuzer per Zentner, in Antrag bringen zu sollen13.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 15. November 1849.