Nr. 195 Ministerrat, Wien, 26. Oktober 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 27. 10.), Krauß 29.10., Bach 27.10., Gyulai 29.10., Schmerling 27.10., Bruck, Thinnfeld 27.10., Thun, Kulmer 27.10.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. 3890 – KZ. 3345 –
Protokoll der am 26. Oktober 1849 zu Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Kolonisierung Ungarns
Im Nachhange zu der Beratung vom 25. l.M.1 über die Kolonisation in Ungarn und über die Übertragung der Verwaltung der ungarischen Kameralgüter an das Ministerium der Landeskultur wurde beschlossen, daß bei der Wichtigkeit des Gegenstandes, und da derselbe, namentlich was die Zahl, Größe und Wert der Kameralgüter betrifft, noch nicht hinlänglich beleuchtet scheint, die Minister der Finanzen und der Landeskultur sich vorläufig darüber zu verständigen und sofort den Ministerrat näher zu informieren hätten2.
II. Sistierung der Hinrichtungen in Ungarn und Siebenbürgen
Dem Antrage des Ministers des Inneren , daß jetzt der Augenblick gekommen zu sein scheine, mit der Vollstreckung weiterer Todesurteile in Ungarn aund Siebenbürgena innezuhalten, begegnete der Ministerpräsident mit der Eröffnung, daß Se. Majestät der Kaiser soeben über seinen a.u. Antrag die Sistierung der Hinrichtungen bwegen politischer Verbrechenb zu genehmigen geruht haben, und der entsprechende Auftrag bereits an FZM. Baron Haynau cund an Baron Wohlgemuthc ergangen sei3. Dieser Ah. Beschluß ist zwar zu einer amtlichen Veröffentlichung nicht geeignet, aber man wird denselben indirekt zur Kenntnis des Publikums kommen lassen4.
III. Einkommenssteuer
Der Finanzminister las den Entwurf des Gesetzes über die einzuführende Einkommenssteuer, mit dessen Bestimmungen der Ministerrat im wesentlichen einverstanden|| S. 789 PDF || war5. Es ergaben sich nur über die nachstehenden Punkte Meinungsverschiedenheiten:
Nach dem Entwurfe würde ein reines Einkommen an Gehalt vond 600 fr. schon mit eeinem Perzente zu belegen sein. Über die Bemerkung des Ministers Bach aber, daß es den kleinen Beamten sehr empfindlich werden würde, ihre ohnehin geringfügigen Gehalte geschmälert zu sehen, vereinigte sich der Ministerrat mit Einschluß des Finanzministers zu dem Beschlusse, die Gehalte bis einschließlich 600 fr. jährlich unbesteuert zu lassen.
Der Minister des Inneren fand, daß die im Entwurf vorgeschriebene doppelte Prüfung der Einkommenssteuerfassionen durch die Bezirkshauptleute und die Kreischefs eine unnotwendige Arbeitsvermehrung begründe und namentlich jetzt, wo noch die alten Bezirksobrigkeiten fungieren, eine Kontrolle der gutsherrlichen Fassionen durch dieselben nicht zu erwarten sei. Um nun im gegenwärtigen Zeitpunkt, wo der Übergang zum neuen Verwaltungsorganismus ohnehin eine Masse von Arbeiten verursacht, die Geschäfte der politischen Unterbehörden nicht noch mehr zu häufen, vereinigte sich der Ministerrat zu dem einstimmigen Beschlusse, daß die Fassionen an eigens zusammenzusetzende Kreiskommissionen zur Prüfung zu weisen seien, mit Vorbehalt des Rekurses an eine zu bestellende Speziallandeskommission.
Ferner wurde beschlossen, daß nur pensionierte Militärs, nicht aber die in Friedensanstellungen stehenden Offiziere der Einkommenssteuer unterliegen sollen.
Der Minister Graf Thun äußerte, daß es ihm der Gerechtigkeit angemessen erscheine, nicht bloß den Interessenbezug der inländischen Staatsgläubiger, sondern auch die Ausländer ohne Unterschied der Einkommenssteuer zu unterziehen, worauf der Finanzminister entgegnete, daß er von der Gerechtigkeit dieser allgemeinen Besteuerung ebenfalls vollkommen überzeugt sei, dieselbe aber nicht für ausführbarf halte, nachdem dieselbe zur Folge haben würde, daß die Ausländer sich der vielen Millionen österreichischer Papiere zu entäußern suchen, was dem österreichischen Kredit in einem Augenblicke, wo man vielmehr streben muß, Papiere ins Ausland abzusetzen, sehr nachteilig wäre. gÜbrigens würde durch die Verfügung, daß an den Zinsen von den Staatspapieren der Abzug eines Steuerbetrages stattzufinden hat, eine nichtsweniger als unerhebliche Streitfrage angeregt, ob nämlich die erteilte Zusage, daß die Zinsen während eines bestimmten Zeitraumes nicht vermindert werden sollen, mit einem solchen Abzuge im Einklang stehe, eine Frage, die ohne Mitwirkung des Reichstages zu lösen das Ministerium nicht auf sich zu nehmen hätte.g
Die gleichmäßige Besteuerung aller Staatsgläubiger sei übrigens damit nur aufgeschoben und werde unter anderen Verhältnissen von dem österreichischen Reichstage ohne Zweifel beschlossen werden.
|| S. 790 PDF || Überhaupt seien die vorgeschlagenen Bestimmungen über die Einkommenssteuer nur als Übergangsmaßregeln zu betrachten, um in der Folge ein bleibendes Einkommenssteuergesetz zu erlassen, auf welches die Bevölkerung sowohl als die Verwaltungsorgane erst vorbereitet werden müssen6.
Wien, 27. Oktober 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 1. November 1849.