Nr. 193 Ministerrat, Wien, 24. Oktober 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 25. 10.), Krauß 29.10., Bach 29.10., Gyulai 29.10., Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer 25.10.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. 3858 – KZ. 3343 –
- I. Amnestie für Mitglieder der Reichstagspermanenz; Untersuchung gegen Anton Füster
- II. Todesurteil gegen Theresia Raab
- III. Todesurteil gegen Alexa Szuh
- IV. Anstellung Rudolf Brestels
- V. Gehaltsregulierung für Universitätsprofessoren
- VI. Aufsatz wegen Anbahnung der österreichisch-deutschen Zollvereinigung
- VII. Sistierung des Strafvollzugs gegen ungarische Judengemeinden
- VIII. Vorschuß für die Graf Hallerschen Waisen
- IX. Festsetzung der Bezüge für die Gouverneure von Triest, Venedig und Mailand
Protokoll der Sitzung des Ministerrats gehalten zu Wien am 24. Oktober 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten von Schwarzenberg.
I. Amnestie für Mitglieder der Reichstagspermanenz; Untersuchung gegen Anton Füster
Der Justizminister hat seiner im Ministerrate vom 18. d.M. ad Nr. VI. gegebenen Zusicherung gemäß von den Akten der wider die flüchtigen Reichstagsdeputierten Füster, Goldmark, Kudlich und Violand beschlossenen Kriminaluntersuchung Einsicht genommen und daraus die Überzeugung geschöpft, daß die gerichtliche Verfolgung derselben durchaus wegen anderer verbrecherischer Handlungen als wegen deren Teilnahme an den Beschlüssen der Reichstagspermanenz angeordnet worden, daher in keinem Falle zu besorgen sei, daß sie infolge der für die Akte der Permanenz zu gewährenden Amnestie straflos werden zurückkehren können1.
Hiermit erscheint das vom Ministerpräsidenten in dieser Beziehung früher (18. Oktober 1849 No. VI.) geäußerte Bedenken behoben. In betreff der eben auch dort und in der Sitzung vom 3. Oktober sub III. angeregten Frage, ob der wegen Amnestierung der Teilnehmer an den Akten der Reichstagspermanenz erstattete Vortrag und die darauf erteilte Ah. Entschließung durch die Zeitung zu veröffentlichen sei, wie dies der Unterrichtsminister auch noch gegenwärtig gewünscht hätte, vereinigten sich die mehreren Stimmen nach dem Antrage der Minister der Justiz und des Inneren dahin, daß eine solche Verlautbarung nicht stattzufinden, sondern die Intimation der Ah. Entschließung sich auf das hiesige Appellationsgericht allein zu beschränken habe, weil die Sache durch einen speziellen Fall veranlaßt worden ist, das Appellationsgericht infolge der Ah. Entscheidung nun ohne Zweifel selbst seinen früheren Beschluß auf weitere gerichtliche Verfolgung Fischhofs zurücknehmen wird, überhaupt aber eine offizielle Publikation gerichtlicher Akte gegenwärtig, solange nicht das öffentliche Gerichtsverfahren eingeführt ist, sogar gegen das Gesetz sein würde und, falls die Presse sich des Gegenstands bemächtigen und irrige Ansichten darüber zutage bringen sollte, immerhin im halboffiziellen|| S. 782 PDF || Wege durch wahre Darstellung des Sachverhalts die Berichtigung veranlaßt werden kann2.
II. Todesurteil gegen Theresia Raab
Der Justizminister referierte weiters über die Todesurteile wider Theresia Raab wegen Kindsmords3 und
III. Todesurteil gegen Alexa Szuh
wider Alexa Szuh wegen Mordes mit dem Antrage auf Nachsicht der Todes- und Umwandlung derselben in eine zeitliche Kerkerstrafe, wogegen nichts zu erinnern befunden wurde4.
IV. Anstellung Rudolf Brestels
Der Unterrichtsminister fragte an, ob und inwieweit der ehemalige Assistent, später Reichstagsabgeordnete Dr. Brestel mit einer Anstellung aan einer Sternwartea berücksichtigt werden könne5.
Der Ministerpräsident erklärte sich gegen eine solche Berücksichtigung Brestels, weil sich derselbe als ein ausgesprochener Feind der Regierung gezeigt hat, weil, wenn man solche Leute anstellte, die Frage entsteht, was man für der Regierung ergebene Individuen tun solle, und weil man vergebens hoffen würde, einen solchen Menschen durch eine Anstellung mit der Regierung zu versöhnen.
Dagegen bemerkten die Minister der Finanzen und des Inneren , daß es sich nicht um eine Versöhnung, sondern darum handeln dürfte, diesem Manne, der bei ausgezeichneten Fähigkeiten und gewichtiger Stimme in seiner Partei sich bisher immer in den Schranken einer gemäßigten Opposition gehalten und insbesondre im Oktober v.J. durch seinen vermittelnden Einfluß im Reichstage das Ärgste abgewendet bund in mehrfacher Beziehung zur Aufrechthaltung der Ordnung sehr günstig gewirktb hat, den Stachel zu benehmen und ihn, der mittellos, nicht durch gänzliche Verweigerung aller Berücksichtigung zum Äußersten zu treiben. Diese Stimmführer würden daher für Brestels Anstellung, vielleicht am zweckmäßigsten in einem nicht unmittelbar mit den Studierenden verkehrenden Zweige bei einer Sternwarte oder Bibliothek, sich erklären6.
V. Gehaltsregulierung für Universitätsprofessoren
Der Unterrichtsminister referierte über seine Anträge vom 21. Oktober 1849 über die Bestimmung der Gehalte der anzustellenden Professoren und Lehrer an den Universitäten, wogegen nichts zu erinnern gefunden wurde7.
VI. Aufsatz wegen Anbahnung der österreichisch-deutschen Zollvereinigung
Mit Beziehung auf die durch Ministerratsbeschluß vom 8. Oktober 1849 sub No. I. in Aussicht gestellte Verhandlung über die Ordnung der deutschen Angelegenheiten las der Handelsminister seinen zur Veröffentlichung durch die Zeitung bestimmten Aufsatz „Vorschläge zur Anbahnung der österreichisch-deutschen Zollvereinigung“.
Derselbe wurde mit einigen wenigen Modifikationen in dem Ausdrucke angenommen, und auch der Finanzminister erklärte sich nicht dagegen, obwohl er die Besorgnis nicht unterdrücken konnte, daß ein so zeitiges und so bestimmtes Auftreten mit diesem Vorschlage einerseits die Eifersucht der Engländer und Franzosen erregen, und sie unter dem Vorwande nationaler Interessen zu Agitationen bei den Nichtdeutschen Österreichs bereits veranlassen dürfte, andererseits aber die Regierung sich selbst gegenüber den dermaligen Zollvereinsstaaten Verlegenheiten bereiten könnte, wenn sie nicht imstande wäre, den im vorgelesenen Vorschlage so bestimmt vorgezeichneten Gang zu verfolgen8.
VII. Sistierung des Strafvollzugs gegen ungarische Judengemeinden
Der Minister des Inneren zeigte an, daß er den Vollzug der gegen die ungrischen Judengemeinden verhängten Strafen einstweilen sistiert und die näheren Erhebungen über die dagegen eingegangenen Reklamationen angeordnet habe9.
VIII. Vorschuß für die Graf Hallerschen Waisen
Weiters erbat er sich die Zustimmung des Ministerrats, insonderheit des Finanzministers, zur Unterstützung des Gesuches des Grafen Dessewffy, Vormunds der Grafen Hallerschen Kinder, um einen Vorschuß von 4.000 fr. akonto, der ihnen für Verwendung ihres Besitztums bei Egeres zu fortifikatorischen Zwecken durch die Russen, dann für den Verlust der Urbarialien gebührenden, seinerzeit zu liquidierenden Entschädigung.
Da die Zustimmung hierzu erteilt wurde, so behielt sich der Minister des Inneren vor, hiernach den Vortrag an Se. Majestät zu erstatten10.
IX. Festsetzung der Bezüge für die Gouverneure von Triest, Venedig und Mailand
Brachte ebenderselbe die Bestimmung der Funktionsgehalte für die neuernannten Gouverneure – von Triest Graf Wimpffen, von Venedig Baron Puchner, von Mailand Fürst C. Schwarzenberg – zur Sprache, wobei man sich in dem Beschlusse vereinigte, dieselben nebst Belassung der militärischen Gebühren für cdie beidenc erstgenannten auf 10.000 fr., für dend letzteren auf 12.000 fr. jährlich festzusetzen11.
Wien, am 25. Oktober 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 1. November 1849.