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Nr. 150 Ministerrat, Wien, 20. August 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; anw. Schwarzenberg, Krauß, Bach, Thun, Schmerling, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 23. 8.), Krauß 28. 8., Bach 28. 8., Thun, Schmerling 28. 8., Thinnfeld 26. 8., Kulmer 26. 8.; abw. Stadion, Gyulai, Bruck.

MRZ. 2840 – KZ. 2491 –

Protokoll der am 20. August 1849 zu Wien in Ah. Gegenwart Sr. Majestät stattgefundenen Ministerratssitzung.

I. Behandlung des Görgeyschen Korps

Den Hauptgegenstand der Beratung bildete die Feststellung der Grundsätze, welche in bezug auf die Behandlung des Görgeyschen Insurgentenkorps dem FZM. Baron Haynau vorzuzeichnen sind1.

Der Ministerpräsident las eine nach den Resultaten der früheren Ministerberatungen entworfene Punktation über diesen Gegenstand, und nach reifer Überlegung der hiebei zu berücksichtigenden Verhältnisse vereinigte man sich, Sr. Majestät folgende Direktiven au. vorzuschlagen:

Allen Individuen der Rebellenarmee, vom Feldwebel inklusive abwärts, welche Eingeborne des Kronlandes Ungarn sind, ist Straflosigkeit zugesichert.

Diejenige Mannschaft, welche für den Dienst weniger tauglich befunden wird, ist sogleich zu entlassen.

Rücksichtlich der Verwendung der übrigen Mannschaft hat FZM. Baron Haynau provisorisch das Nötige zu verfügen und Se. Majestät über die definitiv zu ergreifenden Maßregeln Vorschläge zu erstatten.

Aus den im Rebellenheere dienenden Unteroffizieren und Gemeinen, welche von anderen Kronländern aus sich dahin begeben haben, z.B. aus der Wiener Legion, Galizischen Legion etc., sind eigene Strafkompanien zu errichten, welche bei Festungsbauten verwendet werden sollen.

Sämtliche nichtösterreichische Untertanen, mit Ausnahme jener, welche als Generale oder Stabsoffiziers in der Insurgentenarmee gedient haben, werden in ihr Vaterland zurückgesendet und der betreffenden ausländischen Behörde überliefert. Die Ausländer, wo die Übergabe an die Heimatbehörde Schwierigkeiten unterliegt, sind in die Strafkompanien einzureihen.

Die Anführer und Stabsoffiziers der Rebellen sind in Gewahrsam zu nehmen und die Untersuchung gegen dieselben sogleich einzuleiten.

Von den übrigen Offiziers, vom Hauptmann inklusive abwärts, sind alle jene, welche vor Ausbruch der bewaffneten Rebellion in der k.k. Armee als Offiziers gedient haben, auf die gleiche Art zu behandeln.

Alle übrigen Offiziers, welche nicht in die vorbezeichnete Kategorie fallen, sind der Mannschaft gleich zu behandeln.

|| S. 610 PDF || Es versteht sich, daß gegen Individuen jeder Kategorie Untersuchungen wegen nichtmilitärischer Vergehen in speziellen Fällen nicht ausgeschlossen sind.

Mit den Individuen, welche an den Regierungsmaßregeln der Rebellenregierung direkten Anteil genommen haben, ist sich in keinerlei Verhandlung einzulassen, sondern sind selbe nach den Bestimmungen der Proklamation des Feldzeugmeisters vom 1. Julius l.J. zu behandeln2.

Se. Majestät der Kaiser geruhten diesen Direktiven die Ah. Genehmigung zu erteilen, mit dem Ah. Beisatze, Baron Haynau werde mit der Vollstreckung der allenfalls gefällten Urteile bis zum Einlangen spezieller Ah. Weisungen einzuhalten haben.

Der Ministerpräsident erhielt sofort den Ah. Auftrag, dem FZM. Baron Haynau hievon die nötige Mitteilung zu seiner Richtschnur zu machen3.

II. Behandlung des Vitaliano Grafen Borromeo

Hierauf wurde der Antrag des Feldmarschall Graden Radetzky (vide die beiliegende Abschrift) wegen Entsetzung des Grafen Borromeo vom Orden des Goldenen Vlieses besprochen, wobei man sich vorbehielt, durch Einsicht der Statuten zu ermitteln, welche Form dafür vorgeschrieben ist. (Laut den Statuten kann ein Ritter des Goldenen Vlieses vom Ordenskapitel nur über vorangegangenes richterliches Urteil, wodurch er eines schweren Verbrechens schuldig erkannt wurde, des Ordens entsetzt werden4.)

Zur Verhängung des Verlusts der geheimen Rats- und Kämmererwürde ist kein richterliches Erkenntnis nötig, wohl aber zum Verlust des Leopold- und Eisernen Kronen-Ordens5. Derlei Straferkenntnisse konnten jedoch gegen die von der Amnestie ausgenommenen italienischen Hochverräter in contumaciam nach der Bemerkung des Ministerpräsidenten vor dem lombardischen Ziviltribunalen, oder nach der Meinung des Ministers Dr. Bach von den Militärgerichten erwirkt werden.

III. Korpsführung in Deutschland

Die Anfrage des FML. Fürsten Schwarzenberg über die Führung des Kommandos, im Falle sein Korps vom Reichsministerium in Anspruch genommen würde6, wird der Ministerpräsident nach dem von Sr. Majestät Ag. genehmigten einstimmigen Antrage des Ministerrates dahin erledigen, daß, wenn das Reichsministerium als Kommandanten des österreichisch-baierischen Korps den rangsälteren königlich baierischen|| S. 611 PDF || FML. Freiherrn v. Gumppenberg sendet, Fürst Schwarzenberg sich demselben zu unterstellen habe7.

IV. Forderung Österreichs an Rußland

Der Ministerpräsident las seinen au. Vortrag, worin in Antrag gebracht wird, die Forderung des österreichischen Ärars an Rußland per 524.000 f. für die im Jahre 1831 stattgefundene Überschiffung polnischer Rebellen nach Amerika derzeit nicht zu betreiben, sondern vorderhand in Evidenz zu halten wäre, namentlich als Kompensationsobjekt für den Fall, Rußland seine Ansprüche auf Vergütung der Krakauer Okkupationskosten erneuern sollte.

Wurde nach dem einstimmigen Antrage des Ministerrates von Sr. Majestät Ag. genehmigt8.

V. Sardinischer Orden für Francesco Hayez

Der Minister Dr. Bach aerbat hierauf von Sr. Majestät, dem Maler Hayez die von ihm angesuchte Bewilligung, die ihm vom Könige von Sardinien noch vor den Ereignissen des Jahres 1848 verliehene Dekoration des Mauritius- und Lazarusordens annehmen und tragen zu dürfen, ablehnend zu verabschieden, was genehmigt wurdeaa .9

VI. Auszeichnung Avram Iancus

Schließlich brachte der Minister des Inneren die Verdienste zur Sprache, welche der romanische Freischarenhäuptling Iancu-Hora sich durch seine kühnen Waffentaten in Siebenbürgen erworben hat10. Russischerseits wurde er bereits dafür durch einen Orden ausgezeichnet.

Minister Bach, mit dessen au. Antrag sich auch der Ministerrat vereinigte, glaubte daher ehrerbietigst vorschlagen zu sollen, daß diesem ebenso kühnen als glücklichen Krieger eine Ag. Auszeichnung verliehen und derselbe in die k.k. Armee eingereiht werde11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 3. September 1849.