MRP-1-1-01-0-18481002-P-0126.xml

|

Nr. 126 Ministerrat, Wien, 2. Oktober 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Wessenberg; anw. Doblhoff, Latour, Krauß, Bach, Hornbostel, Wessenberg; außerdem anw. Stifft; BdE. Wessenberg.

MRZ. 2438 – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Protokoll der Ministerratssitzung am 2. Oktober 1848 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Äußern Freiherrn v. Wessenberg.

I. Staatsvorschlag für 1849

Gegenstand der heutigen Beratung ist der Staatsvoranschlag für das Verwaltungsjahr 1849, welcher demnächst dem Reichstage zu unterziehen sein wird.

Der Finanzminister Baron Krauß teilte dem Ministerrate die in der beigeschlossenen Übersicht enthaltenen Positionen des Staatsvoranschlages1 samt den nötigen Erläuterungen mit.

Das Hauptresultat stellt sich in folgenden Ziffern dar:

../resources/img/a1-z126-001.jpg

Dieser Abgang dürfte sich jedoch auf den Betrag von 49,335.398 fl. vermindern, wenn a) die lombardisch-venezianischen Provinzen, mit einer reinen Jahresabfuhr von ca. 8 Millionen, der Monarchie erhalten bleiben; wenn b) das Land Ungarn das zugesicherte Aversum von 3 Millionen für Hofstaat, diplomatisches Korps etc. entrichtet und wenn die frühere bare Abfuhr Siebenbürgens per 1,500.000 fl. jährlich den Zentralfinanzen wieder zugewendet würde2. Unter dieser Voraussetzung würden die eigenen Hülfsquellen des Staates hinreichen, das laufende Erfordernis ganz und selbst mit einem Überschusse von 1,584.899 fl. zu bedecken. Der Finanzminister glaubte jedoch auch auf die Bedingungen hinweisen zu sollen, unter welchen es allein möglich sein wird, diesen Voranschlag einzuhalten. Diese sind: Wiederherstellung eines geregelten Zustandes und des Verkehrs im Inneren; befriedigende Schlichtung der ungarischen Wirren3; Frieden im Verhältnisse zum Auslande; Festigkeit des Geldkurses im Inneren durch Regelung der Verhältnisse des Staates zur Nationalbank4; endlich Handhabung strenger Gerechtigkeit, sowohl gegen die Staatsgläubiger als gegen die Steuerpflichtigen.

Strengste Erfüllung aller Verpflichtungen des Staates gegen seine Gläubiger sei nämlich die Basis des Staatskredits und verbürge allein einen glücklichen Erfolg der weiteren Kreditoperationen. Zur Gewinnung des nötigen Vertrauens bei künftigen Staatsanleihen sei daher vor allem eine Gewährleistung aller bisher kontrahierten Staatsschulden von Seite des Reichstages äußerst wünschenswert, und aus diesem Gesichtspunkt würde es || S. 647 PDF || dem Finanzminister angezeigt erscheinen, bei dem gegenwärtigen Anlasse eine solche förmliche Anerkennung des Staatsschuld zu erwirken.

Auf die von dem Justizminister erhobene Einwendung, daß es nicht ohne Bedenken sein würde, eine solche direkte Anforderung an den Reichstag zu richten, weil diese Lebensfrage des Staatskredits, an welche sich so viele Existenzen knüpfen, von dem Reichstage vielleicht als eine bloße Personenfrage aufgefaßt werden und eine antiministerielle Majorität deren Verneinung durchsetzen könnte; dann in der weiteren, von dem Unterstaatssekretär Baron Stifft und von dem Handelsminister herausgehobenen Erwägung, daß es vorsichtiger sei, die Anerkennung der Staatsschuld gar nicht in Zweifel zu stellen und die Sanktion derselben durch den Reichsrat indirekt und implizite zu erwirken, erklärte der Finanzminister , kein bestimmtes Ansinnen wegen Gewährleistung für die Staatsschuld von dem konstituierenden Reichstage aus Anlaß des vorliegenden Budgets richten zu wollen, sondern derselben nur in seinem Vortrage nebenbei zu erwähnen. Übrigens sei der Grundsatz, die Staatsschulden früherer, selbst revolutionärer und usurpatorischer Regierungen anzuerkennen, im europäischen Staatsrechte durch die Praxis ziemlich allgemein eingeführt.

Als Pflicht der Gerechtigkeit gegen die Grundsteuerkontribuenten würde Baron Krauß die Festsetzung eines gleichen Perzents von dem reinen Grundertrag als Quote der Grundsteuer für alle Provinzen erkennen. Gegenwärtig herrscht die größte Ungleichheit, da man in einigen Provinzen 16% bis 18%, in Salzburg dagegen nur 8% des Reinertrags an Grundsteuer zahlt5. Er würde für die allgemeine Normierung von 16% stimmen, wobei man auch den administrativen Vorteil hätte, die Grundsteuer auch noch vor vollendeter Katastrierung der ganzen Provinz Galizien in denjenigen Landesteilen, wo die Operationen vollendet sind, sofort nach dem neuen Maßstabe umlegen zu können. Überdies wird die Herstellung der Gleichheit in der Grundbesteuerung bereits lange und dringend von mehreren Provinzen, namentlich von Inner- und Oberösterreich, begehrt. Der Unterstaatssekretär Baron Stifft erinnerte hierüber, die Ungleichheit des Steuerperzents der Provinzen sei uralt und beruhe auf den Rezessen zwischen den Ständen und dem Landesfürsten. Andererseits sei diese Ungleichheit mehr eine scheinbare und der Grund hiervon vorzüglich in der Ungleichheit der Ausführung der Katastralschätzungen in den verschiedenen Provinzen gelegen. In Salzburg aber würde es fast ganz unmöglich und selbst aus politischen Rücksichten nicht rätlich sein, das Steuerperzent von 8 auf 16 zu erhöhen. Der Finanzminister verkannte auch seinerseits nicht die Notwendigkeit, bezüglich der Grundsteuer im Salzburgischen ausnahmsweise vorzugehen, hielt es aber doch für rätlich, daß die Regierung bezüglich der Festsetzung oder vielmehr der Ausführung des ursprünglich schon angenommenen Prinzips einer Gleichstellung der Grundsteuerperzente die Initiative ergreife. Baron Krauß bemerkte ferner, es werde auch nicht zu umgehen sein, das allzu hohe Perzent der Hauszinssteuer herabzusetzen, allenfalls von 18% auf 16%, wobei es mit dem Grundsteuerperzent parifiziert werden würde. Der Finanzminister glaubte nunmehr besonders darauf aufmerksam machen zu sollen, daß in dem Erfordernisaufsatze für das Verwaltungsjahr 1849 zwei sehr bedeutende Ausgabsposten gar nicht erwähnt seien, wodurch sich der präliminierte Abgang von 61,835.398 fl. (49,335.398 fl.) noch mehr erhöhen würde. 1. Die Entschädigung für die aufgehobenen Zehent- und Urbarialgefälle6, || S. 648 PDF || welche zwar aus den Mitteln der einzelnen Provinzen erfolgen soll, aber den Zentralfinanzen voraussichtlich doch auch mancherlei Opfer auferlegen wird, und 2. die Kosten für die statt der Patrimonialgerichte zu organisierenden ersten Instanzen7.

Zur Bedeckung des diesfälligen unbedeckten Gesamtaufwands und des Ausfalles bei der herabzusetzenden Hauszinssteuer dürften folgende neue Einnahmsquellen in Anspruch genommen werden:

a) eine Regulierung des Einfuhrzolltarifs in der Weise, daß alle Einfuhrverbote aufgehoben und mäßige Zollsätze statt derselben eingeführt würden. Die dadurch ermöglichte Einfuhr vieler Fabrikate und Rohstoffe, welche dermal gar nicht oder nur durch Schleichhandel eingeführt werden, dürfte bedeutend den Gefällsertrag erhöhen.

Obgleich im Grundsatze mit der beabsichtigten Regulierung der Zölle einverstanden, glaubte doch der Handelsminister und der Unterstaatssekretär Baron Stifft , daß der gegenwärtige Augenblick nicht der geeignete wäre, um eine größere Zollreduktion ins Leben treten zu lassen; ja, man müsse selbst besorgen, daß auch bloß die Ankündigung einer entfernten Herabsetzung des Zolles auf gewisse ausländische Fabrikate viel Aufregung hervorbringen und zur Folge haben werde, daß die Fabriken die kaum erst beginnenden Arbeiten wieder einstellen. Man müßte bei dieser Regulierung sehr langsam und vorsichtig zu Werk gehen.

b) Die Besteuerung des Zuckers, welcher aus inländischen Stoffen erzeugt wird, ein Objekt, welches mit Unrecht schon lange steuerfrei gelassen wurde.

c) Erhöhung der Branntweinsteuer, da die Fabrikation bedeutende Fortschritte gemacht hat, im Auslande dieses Getränk auch viel höher belegt ist, und der Konsument in Galizien durch Aufhebung der Propination ohnehin bedeutend gewinnt.

d) Ausdehnung der Hauszinssteuer auf alle vermischten Gebäude, von denen dermal die bei weitem größte Zahl nur durch die niedrige Gebäudeklassensteuer getroffen wird.

e) Einführung einer Einkommensteuer, welcher das Einkommen von Grund- und Boden, Häusern etc., die Interessen der Staatsschulden- und Privataktien, dann der Ertrag von Gewerbe und Handel, nach gewissen Klassen zu unterziehen wäre. Den Grund- und Hausbesitzern würde das Recht eingeräumt, den Hypothekargläubigern ein entsprechendes Perzent von den Interessen in Abzug zu bringen, wodurch der bis jetzt beinahe steuerfreie Kapitalist auch entsprechend ins Mitleid gezogen würde. Diese Steuer wird von der öffentlichen Meinung laut gefordert, und es scheint nicht zu umgehen, daß dieselbe baldigst, wenngleich vorläufig nur auf ein Jahr, eingeführt werde. Der Unterstaatssekretär Baron Stifft glaubte sich mit dem Prinzipe einer Einkommensteuer, wodurch bereits belegte Renten noch einmal besteuert würden, nicht vereinigen zu können, hielte jedoch die einmalige Ausschreibung einer Vermögens-(Kapitals)steuer durch die dermaligen außerordentlichen Umstände gerechtfertigt8.