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Nr. 95 Ministerrat, Wien, 8. Juli 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Doblhoff, Baumgartner; abw. Wessenberg; BdE. Doblhoff (8. 7.).

MRZ. 1412 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates vom 8. Juli 1848 unter dem Vorsitze des mit dem Präsidium des Ministerrates beauftragten Ministers des Inneren Baron v. Pillersdorf.

I. Kroatische und ungarische Bedingungen für die Vermittlung Erzherzog Johanns

Der Minister Baron Doblhoff trug vor, in der ungrisch-kroatischen Vermittlungsangelegenheit die an Se. k. k. Hoheit den Herrn Erzherzog Johann als Allerhöchstverordneten Leiter dieser Angelegenheit1 gelangten Eingaben der kroatischen Bevollmächtigten und des ungrischen Ministeriums, welche die Bedingnisse enthalten, unter denen beiderseits die Vermittlung angenommen werden will2.

Kroatischerseits werden folgende Bedingnisse gesetzt:

1. Widerruf des Ah. Manifests vom 10. Juni 1848 3 und aller Erlässe des ungrischen Ministeriums gegen den Ban Baron Jellačić.

2. Beiziehung – nebst den kroatischen – auch der Vertreter der serbischen Nation zu den Unterhandlungen.

3. Anerkennung der Gesetzmäßigkeit des kroatisch-slawonischen Reichstags (Landeskongregation) nach dem Ah. Reskripte vom 2. April 1848 4.

4. Erteilung der k[öniglichen] Resolutionen über frühere Petita.

5. Auftrag an das ungrische Generalkommando zur Einstellung aller Feindseligkeiten gegen Kroatien und Slawonien, Entfernung des ungrischen Militärs aus diesen Ländern und Einberufung des vaterländischen Regiments Erzherzog Leopold aus Ungern (welches dermal, nach des Kriegsministers Bemerkung, auf dem Marsche zur italienischen Armee ist).

6. Unterordnung der kroatisch-slawonischen Militärangelegenheiten unter das österreichische Kriegsministerium, jedoch vermittelst des Banus.

|| S. 532 PDF || 7. Erteilung aller k[öniglichen] Resolutionen in Landesangelegenheiten unmittelbar an den Ban selbst.

8. Errichtung einer eigenen kroatisch-slawonischen Landesstelle für die Angelegenheiten des Inneren.

9. Beiziehung der Vertreter Dalmatiens als eines integrierenden Bestandteils dieser Königreiche zu den Verhandlungen.

10. Erklärung des ungrischen Landtags, sich der Vermittlung unterwerfen zu wollen, und sofort Absendung der aus seiner Mitte gewählten Vertreter zur Unterhandlung auf neutralen Boden.

11. Zurateziehung der vom Banus zu ernennenden Männer bei allen auf das Vermittlungsgeschäft bezüglichen Erörterungen von Seite Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzog Johann.

12. Anweisung der magyarischen Partei, daß sie von aller Verfolgung der Slawen in Ungern selbst ablasse.

Die ungrische Repräsentation enthält – unter Versicherung der Aufrechthaltung der kroatisch slawonischen Nationalität – folgende Begehren: Der Ah. ernannte Vermittler geruhe, sich persönlich nach Agram zu begeben, um dort die Ruhe herzustellen, die Deputierten und die Militärgrenzer darüber aufzuklären, daß Ew. Majestät die kroatische Empörung mißbilligen und die Bande, so die Länder an Ungern ketten, aufrechterhalten wissen wollen, die Rückkehr zum Gehorsam und die Unterordnung unter das ungrische Ministerium herzustellen und dann die billigen Wünsche des Landes zu vernehmen, welche sodann den Gegenstand der Ah. angeordneten Vermittlung und Unterhandlung ausmachen würden. Bei dieser Unterhandlung könnte Baron Jellačić, als ein Rebell, nicht zugezogen werden; ebenso unzulässig wären die kroatischen Ablegaten, da der kroatische Landtag nicht zu Recht bestehe, nur von Gnade und Vergessen des Geschehenen, nicht aber von Bedingungen könne rücksichtlich ihrer die Rede sein. Endlich wären die Kroaten aufzufordern, auf den gesetzlichen Landeskongregationen die Ablegaten zum ungrischen Reichstage als dem gesetzlichen Vereinigungspunkte der inkorporierten Länder des Königreichs in gesetzmäßiger Weise zu wählen und dahin abzusenden.

Insofern das deutsch-österreichische Ministerium berufen sein kann, in dieser Sache eine Meinung abzugeben, muß es sich dahin aussprechen, daß es auf diesen Grundlagen eine Vermittlung nicht für möglich hält. Namentlich könnte es nie dafür stimmen, daß Se. k. k. Hoheit im Sinne der ungrischen Repräsentation sich nach Agram begeben; es müßte vielmehr dahin einraten, daß das Vermittlungsgeschäft jedenfalls auf neutralem, also außerungrischem Boden, ausgetragen werde.

Vielleicht läßt die Anwesenheit des ungrischen Ministerpräsidenten Graf Ludwig Batthyány eine nähere Bestimmung oder Modifikation dieser Proposition zu5.

II. Finanzielle Unterstützung für Emanuel Freiherr Dietrich v. Hermannsberg

Der Kriegsminister äußerte sich über einen ihm brevi manu zugekommenen Vortrag Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzog Stephan6 wegen Unterstützung des || S. 533 PDF || Artilleriegenerals Baron Dietrich7 in Pest mit einer Summe von 5000 fr. (als Beitrag zur Tilgung seiner Schulden) dahin, daß er bei der Lage der Finanzen, insbesondere der Militärdotation, und der Folgerungen wegen seines Orts diesen Antrag nicht unterstützen könne.

Da hiermit die übrigen Stimmen einverstanden waren, so behält er sich vor, hiernach einen eigenen Vortrag an Ew. Majestät zu erstatten8.

III. Antwort an Windischgrätz bezüglich des Belagerungszustandes in Böhmen und der Entsendung Karl Komers' nach Prag

Derselbe las ferner die – infolge gestern gefaßten Ministerratsbeschlusses9 – ausgefertigte Antwort an den Fürsten Windischgrätz auf dessen Vorstellung in Ansehung der Absendung des Hofrates Komers nach Prag, worin, unter Ausdrücken der vollsten Anerkennung der bisherigen Leistungen des Fürsten es ihm überlassen wird, den Zeitpunkt zu bestimmen, wann der Belagerungszustand aufzuhören habe, der Wunsch ausgedrückt wird, daß dies baldmöglichst geschehe und der Fürst über Komers’ Absendung damit beruhigt wird, daß derselbe nicht zur Kontrolle des Fürsten, sondern zur Information des Ministerrates über mit den Tatsachen nicht übereinstimmende Angaben der Behörden abgesandt worden sei10.

IV. Zeitungsartikel über Truppenbewegungen durch Wien

Ebendieser Minister las endlich einen für die Wiener Zeitung bestimmten Artikel, worin, zur Beseitigung der unaufhörlichen Verdächtigungen des Ministeriums wegen der steten Truppendurchmärsche durch Wien und der hierwegen an den hiesigen Sicherheitsausschuß fortan ergehenden Anfragen ein für allemal bemerkt wird, daß alle diese Truppenbewegungen nichts als die Verwirklichung der der k. k. Armee in Italien zugedachten Verstärkungen aus Mähren und Galizien seien11, daß es aber jedem Einsichtigen einleuchten müsse, daß man die Benennung und den Stand dieser Truppenergänzungen nicht durch die Zeitungen veröffentlichen könne, weil dies nichts anderes hieße, als dem Feinde die eigene Stärke verraten.

Mit Ausnahme des Finanzministers, dem diese Abfassung bezüglich des Ausschusses zu einer Mißdeutung Anlaß zu geben schien, fand niemand etwas dagegen zu erinnern12.

Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolls dient zur Wissenschaft. Erzherzog Johann. Wien, den 19. Juli 1848.