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Nr. 31 Ministerrat, Wien, 8. Mai 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Lebzeltern (interimistischer Leiter des Außenministeriums); BdE. Pillersdorf (9. 5.), Franz Karl (10. 5.).

MRZ. 643 et 644 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung am 8. Mai 1848 unter dem Vorsitze des interimistischen Ministerpräsidenten, zugleich Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Aufhebung der Urbarialleistungen in Galizien

Der Finanzminister entwickelte seine Ansichten über jene Modifikationen, welche an dem Entwurfe des Grafen Franz Stadion über das zu erlassende Patent wegen Abolition der Urbarialleistungen in Galizien vorzunehmen wären1. Nachdem sämtliche Anwesenden diesen Ansichten beistimmten, so wurde beschlossen, daß Baron Krauß sofort, mit Einbeziehung des Hofrates Zaleski2, den Entwurf einer definitiven Redaktion unterziehe, in welcher Form er sodann dem galizischen Gouverneur zur Kundmachung mitzuteilen sein wird. Eine Abschrift wird dem Protokolle nachträglich beigelegt werden3.

II. Rücktritt James Rothschilds von der Stelle des österreichischen Generalkonsuls in Paris

Der Finanzminister eröffnete hierauf, Baron S. M. Rothschild habe ihm angezeigt, daß sein Bruder James B. Rothschild in Paris es unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen für geraten halte, sein Amt als österreichischer Generalkonsul niederzulegen4, dabei aber bitte, daß ihm diese Stelle dareinst wieder verliehen werde, wenn die Verhältnisse es ihm wieder gestatten, sich darum zu bewerben. Hierüber wurde beschlossen, dem Baron James Rothschild eröffnen zu lassen, daß das Ministerium ihm keine Zusicherung wegen eventueller Wiederverleihung der k. k. Generalkonsulsstelle geben könne, es ihm aber jederzeit unbenommen bleiben werde, sich darum wieder in Bewerbung zu setzen5.

III. Versetzung FML. Heinrich Ritter v. Hess' nach Italien

Der Kriegsminister überreichte einen Vortrag6, worin er Se. Majestät bittet, die verfügte Zuteilung des FML. Ritter v. Hess als Leiter der Generalquartiermeistersgeschäfte zum Feldmarschall Grafen Radetzky7 nachträglich Ag. genehmigen zu wollen. Die Gegenwart des FML. Hess sei nämlich unter den dermaligen Verhältnissen bei der italienischen Armee so dringend notwendig geworden, daß Graf Latour es nicht gewagt habe, die Absendung desselben bis zu dem Zeitpunkte aufzuschieben, wo die Ah. Genehmigung dieser Verfügung an das Kriegsministerium gelangt wäre8.

IV. Haltung des Papstes gegenüber Österreich

Staatsrat Baron Lebzeltern teilte einen Bericht des österreichischen Botschafters in Rom mit, wornach der Papst sich über das Vorrücken der päpstlichen Truppen gegen das lombardisch-venezianische Königreich entschieden mißbilligend geäußert und die Absicht ausgesprochen habe, demnächst eine offizielle Erklärung über seine friedlichen Gesinnungen der österreichischen Regierung gegenüber zu veröffentlichen9. Unter diesen Umständen glaubte Baron Lebzeltern, dürfte der Ministerialratsbeschluß wegen Ausfertigung von Pässen für den päpstlichen Nuntius Monsignore Viale vorderhand auf sich beruhen10, bis sich der Papst über seine Absichten erklärt hat, um nachteilige Komplikationen zu vermeiden. Diesem Antrage wurde allseitig beigestimmt11.

V. Maßnahmen zur Beruhigung der Wiener Akademischen Legion

Der provisorische Unterrichtsminister Baron Sommaruga berichtete über den Fortschritt der Einleitungen zur Behebung des aufgeregten Zustandes, in welchem sich die Wiener Akademische Legion befindet12. Die Epurierung dieser Legion ist im Zuge; ein großer Teil, namentlich das gesamte Korps der Juristen, ist vom besten Geiste der Ordnung beseelt, und die Zusammenrottungen in den an die Universität grenzenden Straßen werden gänzlich abgestellt. Über Aufforderung des Ministers des Inneren äußerte Baron Sommaruga, auch den Versuch machen zu wollen, die Hauptwache || S. 181 PDF || der Techniker von der Universität weg und ins polytechnische Institut zu verlegen, um die gärenden Massen zu trennen, was deren Beruhigung erleichtern würde13.

VI. Übernahme der Militärgestüte in Ungarn durch die ungarische Regierung

Der Kriegsminister überreichte einen Vortrag14, worin er zur Ah. Kenntnis bringt, daß das ungarische Ministerium (laut einer Anzeige des Kommandierenden Baron Lederer15) beabsichtigt, Kommissionen nach Mezőhegyes und Bábolna abzusenden, um die dortigen Militärgestüte zu übernehmen, um die vorhandenen Pferde zu veräußern. Indem Graf Latour eine Abschrift seines Erlasses an Baron Lederer beibringt16, worin er aufgefordert wird, diesen unrechtmäßigen Angriff auf ein Eigentum des Militärärars durch alle möglichen Mittel abzuwehren, bittet der Kriegsminister, daß auch Allerhöchstenorts eine ernste Verfügung in diesem Sinne erlassen werde17. Auch der ungarische Minister Fürst Esterházy habe versprochen, gegen diese Eigenmächtigkeit bei dem ungarischen Premierminister zu remonstrieren18.

VII. Verhandlungsmodalitäten mit dem ungarischen Ministerium

Nach der Bemerkung des Finanzministers , der auch der Ministerrat beitrat, dürften alle Mittel, welche das Privatrecht zur Verteidigung des Besitzes eines unbeweglichen Gutes in Ungarn darbietet, ebensowenig als irgend ein anderes versäumt werden. Insbesondere handelt es sich hier um Besitztümer, die dem Bedürfnisse des Gesamtheeres und nicht lediglich der ungarischen Truppen gewidmet wurden und worauf Investituren aus den Mitteln des Gesamtärars gemacht wurden19.

Bei diesem Anlasse bemerkte der interimistische Ministerpräsident , er sei durch eine von Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Franz Karl mündlich erhaltene gnädige Andeutung auf die Modalitäten der Berührungen des Ministerrates mit dem ungarischen Ministerium aufmerksam gemacht worden. Vorderhand glaube er sich nun über diesen Gegenstand auf die Bemerkung beschränken zu sollen, daß sich zwei Wege der Verhandlung darbieten, nämlich jener des schriftlichen Verkehres zwischen dem deutsch-österreichischen mit dem ungarisch-österreichischen Ministerium, und dann der kürzere und in den meisten Fällen eher zum Ziele führende Weg der mündlichen Besprechung und Zusammentretung mit dem in Wien residierenden ungarischen Minister der auswärtigen Geschäfte20. Zur Festsetzung eines definitiven Verfahrens scheinen aber die jetzigen Umstände noch nicht genug vorbereitet21.

VIII. Organisationsentwurf für das Innenministerium

Der Minister Baron Pillersdorf las schließlich den Entwurf eines demnächst zu erstattenden au. Vortrages über die künftige Organisierung des Ministeriums || S. 182 PDF || des Inneren, und sämtliche Glieder des Ministerrates erklärten sich mit den diesfälligen Anträgen völlig einverstanden22.

Die den einstimmigen au. Anträgen des tg. Ministerrates zu III. und VI. entsprechenden Resolutionsentwürfe werden hierneben der Ah. Schlußfassung ehrerbietigst unterzogen.

Am 9. Mai 1848. Pillersdorf. Ges. 10. Mai. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Wien, den 10. Mai 1848.