Nr. 112 Ministerrat, Wien, 23. November 1866 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Hueber; VS.Vorsitz Belcredi; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Belcredi 23. 11.), Beust für I und III, Larisch 2. 12., Wüllerstorf 2. 12., John 2. 12., Károlyi 5. 12.,; außerdem anw.anwesend Becke, Maly bei I, Salzmann bei III; abw.abwesend Mailáth, Komers.
MRZ. 112 – KZ. 3909 –
Protokoll des zu Wien am 23. November 1866 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Grafen Belcredi.
I. Nachtragsdotation für die Eisenbahn von Großwardein über Klausenburg nach Kronstadt
Der Handelsminister erbat sich die Zustimmung der Konferenz zu seinem Vorhaben, Se. Majestät au. zu bitten, zur Bedeckung der erwachsenden Auslagen für die Vornahme technischer Vorarbeiten für eine Lokomotiveisenbahn von Großwardein über Klausenburg nach Kronstadt, dann für die Rekognoszierung der Linie Kaschau–Przemyśl für das laufende Jahr einen außerordentlichen Nachtragskredit von 40.000 fr. gegen dem Ag. zu bewilligen, daß die auflaufenden Kosten von dem künftigen Konzessionär rückersetzt werden.
Der Finanzminister erklärte in Anbetracht des guten Zweckes dieser Auslagen, wodurch bei schwierigen Terrainverhältnissen vorgebeugt wird, daß nicht die Garantieanforderungen zu hoch ausfallen oder daß die Trassierungsarbeiten revidiert beziehungsweise wiederholt werden müssen, wenn in der Folge der Regierung das Anlagekapital zu hoch gegriffen scheint, gegen die Erwirkung dieses Nachtragskredites, wovon in der Anhoffnung der Ah. Genehmigung zur Bestreitung der dringendsten Auslagen bereits mehrere Vorschußbeträge angewiesen wurden, keinen Anstand erheben zu wollen.
Die Konferenz erklärte sich sohin mit dem Vorhaben des Handelsministers einhellig einverstanden1.
II. Expedition nach China, Japan und Siam
Der Handelsminister erinnerte, daß Se. Majestät bereits mit Ah. Entschließung vom 21. März l. J. die Absendung einer ostasiatischen Expedition genehmigt, einen Aufwand von 200.000 fr. hiefür mit der Anordnung bewilligt haben, daß hievon 140.000 fr. im Etat des Handelsministeriums und 60.000 fr. für gesandtschaftliche Auslagen und Geschenke für einige dortige Herrscher im Etat des Ministeriums des Äußern ihre Bedeckung finden sollen, daß aber der Abgang dieser Expedition, welcher sofort hätte stattfinden sollen und wofür der Kommandant bereits ernannt war (Tegetthoff), infolge der Kriegsereignisse von Sr. Majestät mündlich sistiert worden sei2. Nachdem die Ursache der Sistierung des Abganges dieser Expedition nunmehr entfallen sei, wäre es an der Zeit, die nötigen Weisungen zur Ausrüstung der Schiffe zu erlassen und bei Verfassung der Voranschläge auf die Einstellung der obigen Ah. passierten Beträge von 140.000 fr. und 60.000 fr. Bedacht zu nehmen.
|| S. 323 PDF || Baron Becke meinte, daß mit diesen 200.000 fr. die Kosten der Expedition nicht vollständig gedeckt wären, da zu denselben auch die Auslagen für die Ausrüstung zweier Kriegsschiffe hinzugeschlagen werden müßten. Er verkannte die hohe Wichtigkeit dieser Expedition aus merkantilen und maritimen Verhältnissen keineswegs, glaubte jedoch, daß bei der gegenwärtigen durch die Kriegsereignisse hervorgerufenen Kalamität dermal, wo die Staatsfinanzen von allen Seiten in so erschrecklicher Weise in Anspruch genommen werden, wo dem Staate die Leistung einer Kriegsentschädigung an Preußen von 30 Millionen fr., einer Entschädigung für Kriegsschäden von ca. 20 Millionen fr., dann von Subventionen von beiläufig 20 Millionen fr. obliegt und wo zur annähernden Herstellung des Gleichgewichtes zwischen den Einnahmen und Ausgaben von allen Seiten die umfassendsten und einschneidendsten Anstrengungen gemacht und, um nur eine Differenz von 10% zwischen Gehalt und Pension zu ersparen, mehr als 1000 Beamte mit einem Federstriche außer Aktivität gesetzt werden, solche Auslagen, die wohl für einen guten Zweck verwendet wären, aber nicht unumgänglich notwendig sind, um so mehr für eine künftige günstigere Zeit verschoben werden sollten, weil, wenn man sich gar nichts versagen könne, es rein unmöglich wäre, im Staatshaushalte auf einen grünen Zweig zu kommen, und es auch augenscheinlich im Publikum einen schlechten Eindruck verursachen müßte, wenn die Staatsverwaltung für eine solche, durch keine zwingende Notwendigkeit bedingte Expedition Summen in einem Augenblicke verwendet, wo sie, durch die Finanznot gedrängt, durch die Pensionierung von so zahlreichen Funktionären den Nahrungsstand von so vielen Familien zu verkümmern sich eben anschickt. Das Defizit müsse mit aller Strenge heruntergebracht werden, und wenn auch diese Auslage von den Finanzen nicht ferngehalten werden würde, wäre um so weniger Aussicht hiezu vorhanden, als nach dem dem Finanzministerium bereits vorliegenden Voranschlage das Marinebudget für 1867 gegen das laufende Jahr um 300.000 fr. höher präliminiert erscheint, wobei noch die Kosten für zwei neue Kriegsschiffe, die aus dem Verkaufe des Gardaseeflottillenmaterials gedeckt werden sollen3, nicht veranschlagt sind. Der Finanzminister schloß sich diesen Ausführungen vollkommen an, er erwähnte, daß auch bei den Auslagen für die Ausstellung in Paris eine bedeutende Erhöhung von 200.000 fr., wie präliminiert gewesen, auf 360.000 fr. sich ergeben habe, daß mit Rücksicht auf das finanzielle Bedrängnis bei der Passierung von Staatsauslagen auf eine strenge Prüfung der Zwecke, ob sie unumgänglich erforderlich oder bloß wünschenswert sind, gehalten werden müsse, daß er nicht glauben könne, daß besondere Gründe den Abgang dieser Expedition gerade im Jahre 1867 zur unbedingten Notwendigkeit machen, und daß er daher von seinem Standpunkte, wenn auch mit Bedauern, sich gegen die Präliminierung dieser 200.000 fr. im Staatsvoranschlage pro 1867 entschieden aussprechen müsse. Der ungarische Hofvizekanzler meinte, daß der Versuch angestellt werden sollte, die Triestiner, die an den Resultaten dieser Expedition das größte Interesse hätten, zu vermögen, die Mittel hiefür selbst beizustellen. Der Handelsminister bemerkte || S. 324 PDF || geglaubt zu haben, daß in der Konferenz die Überzeugung von der hohen Wichtigkeit dieser Expedition schon aus den früheren Beratungen dieses Gegenstandes Platz gegriffen habe. Er könne nur wiederholt die Tatsache konstatieren, daß unsere Schiffahrt in den ostasiatischen Gewässern jedes Schutzes entbehrt, den nur Verträge bieten können, daß infolgedessen unser ganzer Handel dort arg beschädigt ist. Noch immer müssen unsere Schiffe dort unter preußischer Flagge fahren, und es sei ihm nicht möglich, für unseren Verkehr zu sorgen, wenn man ihm das Abschließen von Verträgen wehre. Wenn Österreich als ein Großstaat in Europa fortbestehen soll, dürfe es auch nicht die Kosten scheuen, die es ihm ermöglichen, mit jenen entfernten Staaten, mit denen es einen blühenden Handel treiben könnte, in jene vertragsmäßigen Verhältnisse einzutreten, durch welche die anderen europäischen Staaten schon lange den Schutz und die Wohlfahrt ihres Handels begründet haben. Die Kosten für diese Expedition wären aber um so weniger zu scheuen, da die Marine doch Übungsschiffe haben müsse und der Kostenunterschied, wenn die Expedition abgeht, sich nur beim Agio, bei den höheren Gebühren der Mannschaft und den Geschenken der Gesandtschaft nicht sehr beträchtlich geltend machen wird. Die Entsendung der Expedition sei übrigens eine Staatssache, und es könnte daher der Würde des Staates nicht entsprechen, den Geldsäckel der Triestiner hiezu herbeiziehen zu wollen. Der Handelsminister erklärte daher, seinen Antrag, daß die Summe von 200.000 fr. für diese Expedition in den Staatsvoranschlag pro 1867 eingestellt werde, um so mehr aufrechterhalten zu sollen, als er sich im Grunde der Ah. Entschließung vom 21. März l. J. in letzter Instanz für berechtigt halten dürfe, auf dieser Kostenpräliminierung zu bestehen.
Bei der von dem Vorsitzenden sohin gehaltenen Umfrage sprachen sich sohin alle übrigen Stimmführer aus den obigen finanziellen Rücksichten inklusive des vorsitzenden Staatsministers gegen den Antrag des Handelsministers aus4.
III. Vortrag der Kommission zur Kontrolle der Staatsschuld bezüglich der Staatsnotenemission
Im Ministerrate vom 28. September l. J. wurde das von der Kommission zur Kontrolle der Staatsschuld mit dem au. Vortrage vom 14. September 1. J., Z. 706, proponierte Gesetz, wodurch die Ausübung der Kontrolle über die Emission der Staatsnoten ermöglicht werden soll, als unannehmbar erkannt und ein die wesentlichsten Wünsche der Kommission enthaltender, zugleich aber auch das Ansehen des Finanzministers wahrender Gesetzentwurf vereinbart, welcher, dem gefaßten Beschlusse gemäß, dem Stellvertreter des Präsidenten der Kontrollskommission und einigen Mitgliedern derselben mit dem Versuche, sie dafür zu kapazitieren, und unter Eröffnung der Gründe hätte mitgeteilt werden sollen, aus welchen das Ministerium auf die Ah. Genehmigung des von || S. 325 PDF || der Kommission vorgelegten Gesetzentwurfes in seiner dermaligen Fassung nicht einraten könnte5. Diese vertrauliche Vernehmung habe – wie Sektionsrat v. Salzmann referierte – stattgefunden, und es sei unterm 19. Oktober l. J. die Erwiderung der Kommission erfolgt6, in welcher sie jede Vereinbarung ablehnt und jene Stelle im Gesetze, wodurch die Beamten verpflichtet werden, Aufträgen des Finanzministeriums, welche sich auf die Anfertigung und Hinausgabe von Staatsnoten beziehen, nur dann Folge zu leisten, wenn sie mit der Kontrasignatur der Kommission zur Kontrolle der Staatsschuld versehen sind, im entgegengesetzten Falle aber mit Berufung auf das gegenwärtige Gesetz die Folgeleistung zu verweigern, als die Kardinalbestimmung des Gesetzes erklärt, ohne welche sie ihre Funktion nicht mit Beruhigung erfüllen könnte. Es handle sich daher jetzt darum, sich klarzumachen, welcher Antrag von dem Vorsitzenden des Ministerrates Sr. Majestät erstattet werden soll.
Der Finanzminister teilte vollkommen die in seiner Abwesenheit von dem Vorsitzenden des Ministerrates in der Sitzung vom 28. September l. J. entwikkelte Ansicht und glaubte, daß der vom Ministerrate beschlossene Gesetzentwurf Sr. Majestät zur Ah. Sanktion unterbreitet werden soll. Eine Folge davon könnte jedoch sein, daß die Kontrollskommission ihre Funktion niederlegt. Graf Belcredi blieb bei seiner Ansicht, daß man Sr. Majestät unmöglich die Sanktion eines Gesetzentwurfes empfehlen könnte, welcher, da nach dessen vorliegender Textierung gewissermaßen schon von der Voraussetzung einer schweren Pflichtverletzung des Finanzministers ausgegangen wird, jedes Vertrauen stören müßte. Um jedoch den Wünschen der Kommission sich noch mehr zu nähern, proponierte Graf Belcredi zu § 1 des im Ministerrate vom 28. September l. J. beschlossenen Gesetzentwurfes zu dem Passus: „die Anordnungen des Finanzministers etc. sind nur dann gültig“ die Aufnahme des Beisatzes: „und dürfen nur dann durchgeführt werden“, wenn sie mit der Kontrasignatur der Kommission zur Kontrolle der Staatsschuld versehen sind. Der Sektionschef Baron Becke stellte die zur Kontrolle der Staatsnotenemission von der Erzeugung des Papieres angefangen bis zur Abgabe der Staatsnoten an die Staatskassen getroffenen Kontrollmaßregeln mit dem Beifügen dar, daß ohne wirkliche Perfidie und Betrug die Überschreitung der gesetzlichen Maximalsumme der Staatsnoten rein unmöglich wäre. Die Tendenz der Kommission sei faktische Opposition, und bei einem Gesetze, welches gegen den Gehorsam aufhetze, könnte kein Minister die Verwaltung führen. Der ungarische Hofvizekanzler fand die Textierung des § 3: „Sollte dennoch etc.“ unglücklich gewählt und meinte, daß die Besorgnis der Kommission vielleicht darin ihren Grund haben könnte, aweshalb er die Weglassung der in diesem Paragraphen enthaltenen Hypothese beantragtea . Die Konferenz einigte sich sohin für die Annahme des zu § 1 vom Grafen Belcredi vorgeschlagenen Amendements und für eine neue Textierung || S. 326 PDF || des § 3 beiläufig des Inhaltes: „Es steht der Kommission jederzeit frei, falls sie Wahrnehmungen macht, die ihr bedenklich erscheinen, an Se. Majestät einen Immediatvortrag zu erstatten.“
Bezüglich des einzuschlagenden Vorganges war die Konferenz mit der Ansicht des Grafen Belcredi einverstanden, es dürfte Se. Majestät au. gebeten werden, ein Handschreiben an den Präsidenten der Kommission, Fürsten Colloredo, zu erlassen, in welchem Se. Majestät die Ah. Geneigtheit aussprechen würden, auf die Wünsche der Kommission einzugehen, in welchem aber auch Se. Majestät erklären würden, daß eine Form gewählt werden müsse, welche das Ansehen des Ministers wahrt und dessen Verhältnis mit den Beamten nicht stört. Hiemit dürften Se. Majestät den vom Ministerrate beschlossenen und heute amendierten Gesetzentwurf der Kommission zur neuerlichen Beratung und Vortragserstattung übergeben und, wie der Minister des Äußern meinte, die Ah. Erwartung auszusprechen geruhen, die Kommission werde diese Gründe einer reiflichen Erwägung unterziehen und den Gesetzentwurf ehetunlichst zur Ah. Sanktion unterbreiten7.
Wien, 23. November 1866. Belcredi.
Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.Wien, 18. Dezember 1866. Franz Joseph.