Nr. 80 Ministerrat, Wien, 7. Juni 1866 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Meyer; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Belcredi 7. 6.), Mensdorff 15. 6., Esterházy 15. 6., Franck, Mailáth 10. 6., Larisch 10. 6., Komers 11. 6., Wüllerstorf 12. 6., Haller 15. 6., Kussevich 16. 6.
MRZ. 80 – KZ. 1502 –
Protokoll des zu Wien am 7. Juni 1866 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Zweite Rekrutierung
Vornahme einer zweiten Rekrutierung.
Se. Majestät geruhten die Sitzung mit der Anfrage zu eröffnen, ob es nicht an der Zeit sei, mit der zweiten Rekrutierung, und zwar nicht nur in den am meisten der Kriegsgefahr ausgesetzten Ländern, wo alle Vorbereitungen für eine solche schon getroffen seien, sondern auch in den übrigen, als Ober- und Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Krain, wo die Vorbereitungen noch zu treffen sind, vorzugehen. Ferner sei in Erwägung zu ziehen, ob nicht auch in den östlichen Ländern, Ungarn, Kroatien und Siebenbürgen, gleiche Vorbereitungen getroffen werden sollen.
Der Kriegsminister sprach den dringenden Wunsch aus auf Vornahme dieser zweiten Rekrutierung und sofortige Einleitung aller Vorbereitungen in denjenigen Ländern, wo solche noch nicht getroffen worden sind. Die Rekrutierung nehme immer einen Zeitraum von sechs Wochen in Anspruch, ebensoviel Zeit brauche man zur notdürftigsten Abrichtung, so daß immer drei Monate zum mindesten verfließen, ehe aus einer Rekrutierung ein Sukkurs der Armee zugeführt werden könne. Der ungarische Hofkanzler bemerkte, daß die Bedenken noch immer vorhanden seien, welche er in der Sitzung vom 19. v. M. vorzubringen sich erlaubt habe1. Es stehe nämlich zu befürchten, daß die Anordnung von Vorbereitungen zu einer zweiten Rekrutierung von der der Regierung feindlichen Partei in der Abgeordnetentafel zu einer Protestation benutzt werden dürfte und man durchaus der Haltung Deáks und der Mehrheit des Hauses nicht sicher sein könne. Die Folgen eines solchen Protestes, namentlich auch rücksichtlich des ungarischen Teiles der Armee, seien aber so bedenklich, daß es gewiß angezeigt erscheine, mit dieser Maßregel für Ungarn und Siebenbürgen noch einige Zeit zuzuwarten. Trotz allen Zögerns werde sich das Haus über die Frage der gemeinsamen Angelegenheiten in ganz kurzer Zeit aussprechen müssen, und es werde sich dann zeigen, ob man mit demselben in weitere Verhandlungen sich einlassen könne oder ob nicht zu einer Vertagung oder Auflösung geschritten werden solle. Jedenfalls werde man dann freiere Hand zur Vornahme der Rekrutierung bekommen. Der Staatsminister sprach sich dafür aus, daß in allen Ländern, wo die Vorbereitungen zur Rekrutierung getroffen sind, diese vorgenommen und hiefür von Sr. Majestät ein naher Termin erbeten werde; in den anderen mit Ausschluß von Ungarn und Siebenbürgen wären sukzessiv die || S. 134 PDF || Vorbereitungen einzuleiten, so daß dadurch die Möglichkeit geboten werde, die später in Ungarn vorzunehmenden an dieselben anzureihen. In Kroatien dürften die Vorbereitungen schon jetzt getroffen werden, wofür sich auch der kroatische Hofkanzler aussprach.
Diese Ansicht fand allgemein Zustimmung, und Se. Majestät beauftragte den Staats- und den Kriegsminister, im Sinne derselben die nötigen Einleitungen zu treffen2.
II. Finanzielle Hilfsquellen im Falle des Kriegsausbruches
Finanzielle Hilfsquellen im Falle des Kriegsausbruches.
Se. Majestät richtete an den Finanzminister die Anfrage, ob er auf die Herbeischaffung von weiteren finanziellen Mitteln für den Fall des Ausbruches eines Krieges Bedacht genommen habe.
Diese Anfrage wurde von dem Finanzminister mit der Bemerkung bejaht, daß er nächstens in der Lage sein werde, seine diesfälligen Anträge zu stellen3.
III. Kriegsmanifest
Manifest.
Über eine Anfrage Sr. Majestät , ob an die Redaktion eines Manifestes schon Hand angelegt worden sei, gab der Staatsminister die Erklärung ab, daß dasselbe bereits entworfen und bis auf einen Passus über die Vorgänge am Bundestage und die deutschen Mitverbündeten zur Vorlage bereitliege4.
Wien, am 7. Juni 1866. Belcredi.
Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.Wien, am 18. Juni 1866. Franz Joseph.