Nr. 565 Ministerrat, Wien, 2. Mai 1865 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Hueber; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 2. 5.), Mensdorff 6. 5., Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck, Zichy, Privitzer, Kalchberg; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 20. 5.
MRZ. 1369 – KZ. 1279 –
Protokoll des zu Wien am 2. Mai 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.
I. Aufhebung der Militärgerichte in Ungarn
Der Staatsratspräsident referierte über den au. Vortrag des ungarischen Hofkanzlers vom 6. März l. J., Z. 235 Präs., betreffend die Aufhebung der dermaligen ausnahmsweisen Wirksamkeit der Militärgerichte in Ungarn und die Ag. Genehmigung der hiemit in Verbindung stehenden Maßnahmen1.
Der ungarische Hofkanzler habe, um dem mit Ah. Entschließung vom 23. Jänner l. J.2 erteilten Ah. Befehle, in betreff der Aufhebung der dermaligen ausnahmsweisen Wirksamkeit der Militärgerichte in Ungarn die geeigneten Anträge vorzulegen, schleunigst entsprechen zu können, den Statthalter von Ungarn3, den Stellvertreter des Judex Curiae4 und den königlichen Personal5 zu einer vertraulichen Beratung eingeladen, welche die mit der Aufhebung der Militärgerichte im Zusammenhange stehenden Fragen zum Gegenstand hatte, und zwar 1. die Aufhebung der Wirksamkeit der Militärgerichte in gemeinrechtlicher Linie und in Preßsachen6, 2. die Organisierung der Causarum-Regalium-Direktorates7 und 3. die Wiederherstellung der korporativen Verfassung der ungarischen Statthalterei8.
Was zunächst die Aufhebung der Wirksamkeit der Militärgerichte in gemeinrechtlicher Linie anbelangt, haben sich die Mitglieder des gedachten Komitees einhellig dafür ausgesprochen, daß in gemeinrechtlicher Richtung die in Ungarn dermal bestehende || S. 297 PDF || ausnahmsweise Wirksamkeit der Militärgerichte mittelst eines Ah. Reskriptes einzustellen und zu verfügen wäre, daß die Agenden derselben an die kompetenten Zivilbehörden, mithin nach Beschaffenheit der strafbaren Handlung an die königliche Tafel beziehungsweise an die zuständigen Komitats- und städtischen Gerichte zu übergehen haben. Aus diesem Anlasse gleichzeitig bezüglich des materiellen Gesetzes Ausnahmsbestimmungen zu erlassen, erscheine mit den Grundsätzen, auf welchen die Bestimmungen des Ah. Diploms vom 20. Oktober 1860 beruhen, und den diesfälligen in dem Ah. Handschreiben vom 5. November 1861 9 enthaltenen Ag. Zusicherungen nicht vereinbarlich, aber auch aus Opportunitätsrücksichten nicht geboten, denn obschon Ungarn kein kodifiziertes Strafgesetz besitze, bieten doch die bestehenden Strafvorschriften, namentlich in Ansehung der politischen Verbrechen eine genügende Garantie zum wirksamen Schutze der Staatsinteressen, auch seien dieselben hinlänglich elastisch, um auf staatsgefährliche Handlungen jeder Art angewendet werden zu können, wofür spezielle Fälle aus älterer und neuerer Zeit angeführt werden. Die Komiteemitglieder haben sich daher einhellig dahin ausgesprochen, daß die ungarischen Gesetze bei einer gehörig strengen Anwendung unter den bestehenden Verhältnissen und bis zur weiteren legislativen Verfügung auch in ihrer dermaligen Fassung zur Bestrafung aller gegen die Interessen des Ah. Thrones, des Staates und der öffenlichen Sicherheit gerichteten unerlaubten Handlungen eine hinreichende Handhabe gewähren. Der ungarische Hofkanzler habe dieser Ansicht des Komitees insbesondere aus politischen Rücksichten beigestimmt, weil er bei der allgemeinen Abneigung, welche sich im Lande gegen jede Oktroyierung kundgibt, befürchtet, daß die Reaktivierung jener Staatsgesetze, welch durch die Ah. Genehmigung der Judexkurialkonferenzbeschlüsse10 außer Wirksamkeit gesetzt wurden, eine nachteilige Erbitterung hervorrufen, den Stand der Regierung erschweren und auf die Verhandlungen des nächsten ungarischen Landtages eine äußerst nachteilige Wirkung ausüben würde. Aus diesen Gründen beantrage der Hofkanzler auch seinerseits die ehemöglichste Aufhebung der Militärgerichte und die Überweisung der Agenden derselben an die kompetenten ungarischen Gerichtsbehörden.
Das gedachte Komitee habe, wie der Staatsratspräsident in seinem Referate fortfuhr, bei der Beratung über die Maßnahmen aus Anlaß des Einstellung der dermaligen Wirksamkeit der Militärgerichte zwischen den außerhalb der Presse begangenen strafbaren Handlungen und jenen, welche durch die Presse begangen werden, unterschieden, und wenngleich rücksichtlich der ersteren die Überweisung der diesfälligen Agenden nach seinem Dafürhalten an die kompetenten Zivlilgerichte anstandlos erfolgen könne, ohne irgend eine Änderung in den materiellen Strafgesetzen notwendig hervorzurufen, habe das Komitee doch erachtet, daß hinsichtlich der durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen eine besondere Vorsorge erforderlich sei. In Ungarn bestehe || S. 298 PDF || nämlich dermalen aufgrund der Ah. Entschließungen vom 20. Oktober 1860 noch die Preßordnung vom 27. Mai 1852 11 in Kraft. Der strafgesetzliche Teil derselben aber, als auf das in Ungarn nicht mehr zu Recht bestehende österreichische Strafgesetz basiert12, könnte, sobald die Gerichtsbarkeit auch über Preßvergehen an die Zivilgerichte übergehen soll, von diesen letzteren wegen der mangelnder Grundlage nicht gehandhabt werden. Als Ersatz hiefür könnte aber in diesem Falle die einfache Hinweisung auf die ungarischen Gesetze nicht genügen, da die neuere Zeit mitunter Zustände geschaffen habe, für welche in den alten Gesetzen nicht ausreichend vorgedacht war, daher es sowohl aus staalichen Rücksichten als auch für ein erfolgreiches Verfahren der Gerichstbehörden unabweisbar notwendig sei, die durch die Presse möglichen strafbaren Handlungen und die hiefür bemessenen Strafen möglichst genau präzisiert zu wissen. In Übereinstimmung mit dem Komitee gebe der ungarische Hofkanzler der Ansicht Ausdruck, daß der weitere Bestand sowie die fortdauernde Giltigkeit und Anwendung der Preßordnung vom Jahre 1852 rücksichtlich Ungarns auch nach der Einstellung der Wirksamkeit der Militärgericht nicht in Frage gestellt und nur der strafgerichtliche Teil derselben durch eine präzise formulierte, der gegenwärtigen Zivilstrafgerichtspflege in Ungarn entsprechende Instruktion, deren Entwurf dem au. Vortrag beiliege13, ergänzt werde, welche Instruktion sodann mittelst Ah. Reskriptes den Gerichtsbehörden zur Nachachtung mitzuteilen wäre, bis im Wege der Gesetzgebung auch ein definitives Preßgesetz zu Stande kommen werde.
Bei der Beratung dieses Gegenstandes im Staatsrate sei hervorgehoben worden, daß die Zuweisung gewisser gegen die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Person und des Eigentums gerichteter strafbarer Handlungen an die Kompetenz der Militärgerichte ohne Unterschied, ob diese Handlungen mittelst oder außerhalb der Presse begangen werden, nicht nur durch die Unbotmäßigkeit zahlreicher Munizipien, sondern auch durch die zahlreichen Mängel der ungarischen Strafgesetze veranlaßt worden sei. Es scheine geboten, daß die Personen und die Objekte, welche unter den Schutz des mit dem österreichischen Strafgesetze übereinstimmenden Militärstrafgesetzes gestellt werden mußten, durch die Unterstellung unter die ungarischen Strafgesetze in diesem Schutze nicht verkürzt oder um denselben gebracht werden. Die Mängel oder den || S. 299 PDF || völligen Abgang der Strafgesetze für gewisse Materien vermöge auch die größte Loyalität der Richter nicht zu ersetzen, denn sie seien nur berufen, die gegebenen Gesetze anzuwenden, nicht aber die Aufgabe des Gesetzgebers zu übernehmen oder je nach den Strömungen der vorherrschenden Tagesmeinungen sich für die Rechtsprechung die Regel zu bilden. Nach dem Antrage des Hofkanzlers soll in der Regel das ungarische Strafrecht, für eine Zahl von strafbaren Handlungen aber ein verschiedenes Strafgesetz, und zwar je nachdem sie außerhalb oder mittelst der Presse begangen wurde, zur Anwendung kommen. Dieser Antrag leide aber an einem inneren Widerspruche. Die Preßdelikte bilden keineswegs eine von den übrigen strafbaren Handlungen dem Wesen nach verschiedene Gattung, sie unterscheiden sich von den übrigen nur durch die Form der Verübung, tragen aber alle jene allgemeinen Begriffsmerkmale an sich, die den strafbaren Handlungen überhaupt zukommen. Die Hofkanzlei erkenne durch ihren Antrag tatsächlich an, daß die ungarischen Strafgesetze für die in der vorgelegten Instruktion aufgeführten strafbaren Handlungen, wenn sie durch die Presse begangen werden, nicht ausreichen. Reichen aber die ungarischen Strafgesetze für diesen Fall nicht aus, so sei es offenbar, daß sie auch dann nicht ausreichen, wenn dieselben strafbaren Handlungen außerhalb der Presse verübt werden. Wenn die ungarische Hofkanzlei es daher für nötig erachte, für die Beurteilung der durch die Presse begangenen strafbaren Handlungen besondere strafgesetzliche Bestimmungen in Antrag zu bringen, durch welche die Begriffsmerkmale jedes einzelnen Preßdeliktes, dessen Qualifikation und Bestrafung festgesetzt werden soll, so können nach dem Dafürhalten des Staatsrates ohne inneren Widerspruch dieselben Handlungen, wenn sie außerhalb der Presse begangen werden, nicht der Beurteilung nach ungarischen Strafgesetzen, in denen es an einer genaueren gesetzlichen Begriffsbestimmung der einzelnen strafbaren Handlungen und an festen Strafnormen mangelt, anheimgestellt bleiben, weil sonst mit Grund zu besorgen wäre, daß in den Judikaturen über die derzeit noch den Militärgerichten zugewiesenen strafbaren Handlungen, wenn sie außerhalb der Presse begangen werden, gesetzlose Willkür und Verwirrung neuerlich als Folgen eintreten würden. Hiezu komme noch, daß die ungarischen Strafgesetze, soweit sie Normen über Verbrechen gegen den Staat, gegen die öffenliche Ordnung und das Ansehen der Regierungsgewalt enthalten, nur das Königreich Ungarn und seine Institutionen als das Objekt hinstellen, welches durch sie geschützt werden soll. Alle Institutionen der Länder außerhalb Ungarns und nicht minder das für den ganzen österreichischen Kaiserstaat gegebene Diplom vom 20. Oktober 1860 und das Grundgesetz vom 26. Februar 1861 sowie die hierauf gegründete Regierungsform blieben im Sinne der ungarischen Strafgesetzte allen Angriffen preisgegeben. Insoferne die Hofkanzlei aus politischen Rücksichten sich gegen die Wiedereinführung der österreichischen Strafgesetze als gegen eine Oktroyierung auspreche, schiene es dem Staatsrat widersprechend, wenn die Hofkanzlei gleichwohl für die Beurteilung der mittelst der Presse begangenen strafbaren Handlungen den ungarischen Gerichten die in eine Instruktion aufgenommenen, größtenteils dem österreichischen Strafgesetze nachgebildeten Bestimmungen als einen Anhang zu der Preßordnung vom Jahre 1852 zur Richtschnur ihres Vorgehens vorzuzeichnen beantrage. Sei die Erlassung einer solchen Instruktion in dieser Richtung unbedenklich und werde deren Beobachtung seitens der Gerichte nicht in Zweifel gezogen, so scheine sie es wohl auch hinsichtlich jener außerhalb der Presse verübten strafbaren Handlungen || S. 300 PDF || zu sein, welche derzeit zur Kompetenz der Militärgerichte zugewiesen sind, umso mehr, als bisher kein Anstand genommen worden sei, auf dem Gebiete der Justizgesetzgebung bis zur landtäglichen Behandlung kraft der königlichen Machtvollkommenheit Verfügungen zu treffen und viele Vorschriften zu erlassen. Der Staatsrat sei daher dem Antrage der Hofkanzlei, der für die Beurteilung der mit der Aufhebung der Militärgerichte in die Kompezenz der ungarischen Gerichte übergehenden strafbaren Handlungen die ungarischen Gesetze, und nur dann, wenn sie durch die Presse begangen werden, besondere, in einer Instruktion zusammengestellte Bestimmungen als maßgebende Normen in Vorschlag bringt, nicht beigetreten, und während mehrere Votanten zunächst dafür stimmten, die ausnahmsweise Wirksamkeit der Militärgerichte fortbestehen zu lassen, dem nächsten Landtage ein vollständiges Strafgesetz vorzulegen und von dessen Annahme die Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit abhängig zu machen, habe die Majorität im Staatsrate dafür gestimmt, daß die Wirksamkeit der Militärgerichte aufzuheben und die Beurteilung der ihnen zugewiesenen strafbaren Handlungen wieder an die ungarischen Gerichte zu verweisen sei, welchen eine von dem Staatsrate in der Art umgearbeitete Instruktion, daß dadurch auch die strafbaren Handlungen, wenn sie nicht durch die Presse begangen werden, getroffen würden, als eine bis zur Verfügung im Gesetzgebungswege wirksame Norm bei der Ausübung der Strafgerichtsbarkeit mittelst Reskript an die köngiglichen Kurien hinauszugeben wäre14. Der Staatsrat habe auch erachtet, sich bei der Ausarbeitung der gedachten Vorschrift nicht vorzugsweise an den Entwurf der ungarischen Hofkanzlei halten zu sollen, weil derselbe in mehrfachen Beziehungen unannehmbar erscheine, so z. B. in den §§ 1 und 6, wo (anstatt des vom Staatsrate gewählten Ausdruckes „Kaiser und König“) der Ausdruck gebraucht werde „die allerhöchste Person der Majestät“, dann wieder „Herrscher“, was ganz unpassend erscheint, weil derselbe die Deutung zulasse, als ob Ah. Se. Majestät nicht als der König von Ungarn sondern bloß als faktischer Herrscher anzusehen wäre.
Referent erwähnte, daß über Anordnung Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer über die Anträge der Hofkanzlei und die Gegenanträge des Staatsrates eine vorläufig Besprechung zwischen dem Minister Graf Nádasdy, den beiden ungarischen Hofkanzlern15 und ihm stattgefunden habe, bei welcher man jedoch über das Prinzip nicht übereingekommen sei. Referent erachtete, daß es heute vor allem Aufgabe des Ministerrates sein dürfte, über das Prinzip in dieser Angelegenheit sich zu einigen. Er könne dabei nur den Antrag stellen, daß die Militärgerichte so lange nicht aufgehoben werden sollen, bis nicht zugleich über die denselben bisher zugewiesenen strafbaren Handlungen, sie mögen in oder außer der Presse begangen werden, bestimmte, in der Wesenheit mit den österreichischen Gesetzen übereinstimmende Normen erfließen. Wenn nach dem Antrage der Hofkanzlei vorgegangen würde, wären nur zwei Fälle denkbar: Entweder, daß der ungarische Richter bei Aburteilung der hiebei in Frage kommenden Straffälle nach Analogie mit dem österreichischen Strafgesetz sich benehme, dann aber werden die Vorwürfe der || S. 301 PDF || Angeklagten mit Recht an den Tag kommen, sie seien ungerecht behandelt worden. Lasse aber der ungarische Richter diese Analogien nicht Platz greifen, dann seien das Diplom vom 20. Oktober 1860 und die Verfassung vom 26. Februar 1861 für vogelfrei erklärt. Dann werden dieselben Zustände wieder eintreten, die sich nach Abschaffung der österreichischen Gesetze in Folge der Genehmigung der Judexkurialkonferenzbeschlüsse alsbald eingestellt haben. Referent habe schon damals das Prognostikon gestellt, daß die Einführung der gedachten Beschlüsse eine heillose Verwirrung im Gefolge haben werde16, jetzt aber der Willkür des ungarischen Richterstandes es abermals anheimstellen, wie er die fraglichen Straffälle unter das ungarische Gesetz subsumieren wolle, würde gewiß nur wieder zu derselben Erfahrung führen. Was soll aber dann geschehen, wenn der ungarische Landtag ohne Erfolg bliebe, soll dann ein Zustand fortbestehend gelassen werden, wo es nur von der Willkür des Richters abhängen würde, auf die wichtigsten strafbaren Handlungen ein Strafgesetz anzuwenden oder nicht? Daß der Antrag der Hofkanzlei an einem inneren Widerspruche leide, habe der Staatsrat evident nachgewiesen, Referent wolle nur ein Beispiel beifügen, welches geeignet sei, diesen Widerspruch augenscheinlich hervortreten zu lassen. Wenn z. B. jemand gegen die Verfassung vom Jahre 1861 und für die Durchführung der Gesetztesartikel des 1848er ungarischen Landtages agitiere, so werde er, wenn er schreibe, hiefür nach der Instruktion gestraft, wenn er aber öffentlich eine Rede hierüber halte, gebe es kein Gesetz, nach welchem diesfalls eine Ahndung erfolgen könnte. Wo es sich um so wichtige Rücksichten handle, könne politischen Rücksichten nur ein untergeordnetes Gewicht beigelegt werden. Eine neue Oktroyierung trete bei seinem Antrage auch gar nicht ein, dieselben Gesetze, welche die Militärgerichte in Anwendung gebracht haben, blieben nach Aufhebung der Militärgerichte kontinuierlich in Wirksamkeit. Glaube aber der Hofkanzler, auch hierin eine Oktroyierung zu erkennen, so werde er es doch gewiß nicht in Abrede stellen können, daß auch nach seinem Antrage durch die Erlassung der Instruktion eine Oktroyierung begangen würde.
Der ungarische Hofkanzler v. Privitzer erklärte im großen und ganzen auch heute nur wiederholen zu können, was er in der gestrigen Vorbesprechung und sonst schon öfters zu bemerken sich erlaubt habe, daß bei der Beurteilung der ungarischen Verhältnisse der normale Maßstab nicht anpassend sei, eben weil die ungarischen Zustände unfertig und durch so vielerlei Einwirkungen derart mannigfaltig zerfahren seien, daß der Umgestaltungsprozeß, welcher seit Jahren sich vollziehe, noch immer in der vollsten Gärung begriffen sei. Angesichts der Situation, in welcher der ungarische Hofkanzler sich dem Lande gegenüber derzeit befinde und die wohl jedem mehr oder weniger klar vor Augen schwebe, und in Anbetracht aller hierauf Einfluß nehmender Umstände sei Votant innigst überzeugt, und Graf Zichy teile die Überzeugung, daß man in betreff der aus Anlaß der Aufhebung der jetzigen ausnahmsweisen Wirksamkeit der Militärgerichte in Ungarn im Verordnungswege zu erlassende Maßnahmen auf das möglichst geringe Maß sich beschränken müsse. Von diesem Gesichtspunkte habe der Hofkanzler, gestützt auch auf das Gutachten des Statthalters, des Stellvertreters des || S. 302 PDF || Judex Curiae und des königlichen Personals gleichwie auf das übereinstimmende Ergebnis der hierüber gepflogenen eindringlichen Beratungen, die Anträge eingebracht, wie sie eben von dem Staatratspräsidenten mit ausführlicher Berührung der wesentlichsten Beweggründe umfassend dargestellt worden seien. Es könne nicht geleugnet werden und wolle auch seitens des ungarischen Hofkanzlers gar nicht in Abrede gestellt werden, daß die ungarischen Strafgesetze, in ihrer Anwendung zunächst auf dem umsichtigen und gewissenhaften Ermessen des fürgehenden Richters beruhend, als lückenhaft und den Bedürfnissen der Zeit nicht mehr hinlänglich entsprechend für die fernere Zukunft einer durchgreifenden Umgestaltung benötigen und daß des höchst zweckmäßig wäre, dieselbe alsbald vorzunehmen. Ebenso sei dem Votanten vollkommen einleuchtend, daß namentlich nichtungarische Juristen sich mit der heute in Aussicht genommenen Strafgerichtspflege in keiner Weise befreunden können, sich daher zu dem vom Staatsrate ausgearbeiteten Entwurfe vermöge seines inneren Zusammenhanges und seiner äußeren Gestaltung grundsätzlich mehr hingezogen fühlen müßten, insbesondere aber geneigt sein dürften, jener Behauptung ein entscheidendes Gewicht beizumessen, daß es nicht statthaft und ein offenbarer Widerspruch sei, für dieselben Verbrechen und Vergehen, wenn sie mittelst der Presse begangen werden, ein eigenes oktroyiertes Statut gelten lassen zu wollen, während sie außerhalb der Presse begangen lediglich dem allgemeinen ungarischen Strafrechte anheimfielen, welches nur durch seine Elastizität und die vorausgesetzte loyale Haltung des derzeitigen ungarischen Richterstandes die erforderliche Garantie biete. Votant erachtete, wiederholen zu sollen, daß die fraglichen Anträge des ungarischen Hofkanzlers hauptsächlich auf politischen Erwägungen sich stützen, daß unter diesen das Bestreben, angesichts des nahe bevorstehenden Landtages im Oktroi sich auf das geringste Maß zu beschränken, in erster Reihe stehe und daß Graf Zichy fest überzeugt sei, mit dem, was er vorgeschlagen habe, das Auslangen zu finden. Obschon Votant ferner zugebe, daß auch in dem von der Regierung bestellten dermaligen Personale des ungarischen Richterstandes noch manche Änderungen wünschenswert seien, könne doch im Ganzen genommen die Loyalität desselben und die Voraussetzung, daß es von einer richtigen Auffassung der Sachlage durchdrungen sei, kaum in begründete Zweifel gezogen werden. Es lasse sich daher mit Zuversicht erwarten, daß für Verbrechen und Vergehen jeder Art, die außerhalb der Presse begangen werden, die allerdings allgemein gehaltenen, jedoch von demselben Geiste der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durchwehten Satzungen des ungarischen Strafrechtes und die diesfalls seit unzähligen Jahren fortbildend entstandene, die Formulierung des materiellen Gesetzes ergänzende Gerichtspraxis vollkommend ausreichend seien. Bloß was die mittelst der Presse begangenen Verbrechen und Vergehen anbelange, habe es deshalb nötig geschienen, dem ungarischen Richterstande in der Form einer königlichen Instruktion nicht ein neues Gesetz, sondern nur einen Leitfaden für das umsichtige und gewissenhafte Ermessen des Richters an die Hand zu geben, weil gerade auf diesem Felde, nachdem bis zum Jahre 1848 die Präventivzensur bestanden habe, das 1848er Preßgesetz17 außer Wirksamkeit sei und die auf das österreichische Strafgesetz sich beziehende Preßordnung vom Jahre || S. 303 PDF || 1852 nur vermöge des Oktoberdiploms in Kraft bestehe, die das materielle Gesetz ergänzende ältere Gerichtspraxis als eine unzulängliche betrachtet werden könne. Wenn aber der von dem Staatsratspräsidenten scharf betonte Widerspruch nicht in der vom Hofkanzler beantragten Weise seine den ungarischen Zuständen angemessene Lösung finden könnte, würde Votant es vorziehen, sich der Alternative zu fügen und selbst rücksichtlich der Ahndung der mittelst der Presse begangenen Verbrechen und Vergehen, wie Statthalter Graf Pálffy meinte, mit den Bestimmungen sich zu begnügen, die im allgemeinen ungarischen Strafrechte enthalten seien und deren umsichtige Anwendung kein ganz ungünstiges Ergebnis erwarten lasse. Im anderen Falle könne man sicher sein, selbst seitens der gemäßigten Elemente dem Vorwurfe zu begegnen, daß die über die Preßangelegenheiten hinaus sich erstreckende Strafgerichtsinstruktion einer indirekten Einführung des wichtigsten Teiles des österreichischen Strafgesetzbuches gleichkomme. Votant erklärte sonach auf dem bezüglichen Antrage des ungarischen Hofkanzlers vollinhaltlich beharren zu müssen und nur noch beizufügen zu haben, daß er die Aufhebung der Militärgerichte, bevor zur Einberufung des ungarischen Landtages geschritten werden könne, als einen in der Ministerkonferenz besprochenen und von Sr. Majestät Ag. genehmigten Standpunkt betrachte, von welchem ausgehend Graf Zichy die Ah. Ermächtigung zur Beantragung der hiemit zusammenhängenden gleichzeitig zu erlassenden Maßnahme au. erbeten und erhalten habe.
Der Minister Graf Nádasdy erkärte sich mit dem Antrage des Staatsrates beziehungsweise des Staatsratspräsidenten vollkommen einverstanden. Ohne jede Oktroyierung könne die Aufhebung der Wirksamkeit der Militärgerichte nicht stattfinden, auf das Mehr oder Minder komme es nicht so sehr an. Votant lege bei seinem Votum das Hauptgewicht auf die Behauptung der Hofkanzlei, daß die ungarischen Strafgesetze bei der Elastizität, die ihnen innewohne, genügend seien, um über strafbare Handlungen, die nach diesen Gesetzen nicht ausdrücklich als strafbar bezeichnet werden, ein Strafurteil begründen zu können. Er erklärte weiters, daß er, wenn ihm als gewesenem Justizminister18 ein Präsident gesagt haben würde, er werde zur Verhandlung eines bestimmten Falles einen Senat so zusammensetzen, daß er bei der Elastizität des Gewissens dieser Votanten auf einen günstigen Erfolg des Strafverfahrens zählen zu können glaubte, diesen Präsidenten ohne weiteres zur Pensionierung beantragt haben würde. Auf die Elastizität des Gewissens der Richter rechnen, hieße den Rechtsschutz in die Schanze schlagen. Das Publikum müsse überzeugt sein, daß der Richter nur nach bestimmten Gesetzen urteile, wenn er aber in ein Gesetz willkürlich eine Auslegung hineinlege, die darin nicht zu finden sei, müsse die Rechtspflege in üblen Ruf geraten. Er erinnerte an die Verurteilung des Kossuth, Wesselényi und Lovassy in Ungarn im Jahre 183919 und an den Umstand, daß im Landtage von 1840 zur Sprache gebracht worden sei, daß die königliche Tafel und die Septemviraltafel die Gesetze über Hochverrat dabei weiter ausgelegt habe, als der Inhalt derselben zugelassen habe und daß damals sogar der königliche Personal Somssich durch eine andere Person ersetzt || S. 304 PDF || werden mußte20, weil man besorgen mußte, daß er wegen dieser Judikaturen im Landtage nichts werde leisten können. Niemals dürfe die Regierung den Vorwurf an sich herankommen lassen, daß sie durch den Mangel der Gesetze Individuen verführe, gegen ihre bestimmte Überzeugung Recht zu sprechen. Es sei daher des Votanten unbeugliche Ansicht, daß die Militärgerichte in Ungarn nicht früher beseitigt werden können, bis nicht über die denselben zugewiesenen strafbaren Handlungen bestimmte Normen vorgezeichnet worden sein werden.
Der ungarische Hofkanzler Graf Zichy bemerkte, die Bedenken der Vorstimme nicht teilen zu können und im allgemeinen sich dem von dem ungarischen Hofkanzler v. Privitzer entwicklten Ansichten anschließen zu müssen. Nach seinem Dafürhalten erheischen die besonderen Zustände in Ungarn auch einer besonderen Berücksichtigung. Es lasse sich nicht leugnen, daß die Strafgesetzgebung in Ungarn von jeher mangelhaft und daß dem Arbitrium des Richters viel überlassen gewesen sei. Mehr oder weniger bringe dies aber auch die Gesetzgebung in anderen Ländern mit sich, auch in diesen sei der Deutung des Richters manches überlassen, es gebe gar kein Strafgesetz, in welchem für alle strafbaren Fälle vorgedacht sei, die Appellata wären ja sonst überflüssig. Bei den dermaligen Verhältnissen in Ungarn sei es vor allem notwendig, den politischen Standpunkt ins Auge zu fassen. Die staatsrechtliche Frage könne ohne den Landtag nicht gelöst werden, bei dem Bestande der Militärgerichte werde aber der Landtag gewiß nicht beschickt werden. Daß die von dem Staatrate entworfene provisorische Vorschrift juridisch besser und logisch richtiger sei als die bei der Hofkanzlei ausgearbeitete, wolle er durchaus nicht in Abrede stellen, nichtsdestoweniger könne er deren Einführung als nicht opportun auch nicht anraten, indem dadurch, wie sein Kollega v. Privitzer des weiteren dargestellt habe, der Sache nur geschadet werden würde. Besser wäre es noch, auch bezüglich der Preßordnung die Erlassung der Instruktion auf sich beruhen zu lassen, was auch Graf Pálffy geglaubt habe. Daß auch nach den ungarischen Strafgesetzen die Schuldigen nicht straflos ausgehen werden, davon sei Votant vollkommen überzeugt, wie er auch nicht von der Furcht befangen sei, daß nach diesen Gesetzen ein Unschuldiger bestraft werde. Votant erklärte sohin, aus hohen politischen Rücksichten darauf beharren zu müssen, daß aus Anlaß der Beseitigung der Militärgerichte nicht weiter gegangen werde, als er in seinem au. Vortrage beantragt habe. Der Minister Graf Esterházy bemerkte, daß er nach praktischer und gewissenhafter Erwägung aller Umstände nur dem Antrage des Hofkanzlers beistimmen könne. Er glaube den höchsten Wert darauf legen zu müssen, daß der ungarische Landtag vor Ablauf ades Jahres 1866 [sic!] einberufen gehört, gewissermaßen versucht werdea des Jahres 1866 [sic!]21 einberufen gehört, gewissermaßen versucht werde und daß man, wo dieses ohne Gefahr für wichtige Staatsinteressen geschehen könne, daran festhalte, daß bis zur Berufung des Landtages jede Maßnahme, welche geeignet sein dürfte, das durch das Diplom vom 20. Oktober 1860 und das Ah. Handschreiben vom 5. November 1861 begründete Vertrauen zu schwächen, || S. 305 PDF || tunlichst vermieden werde. Alle den Antrag des Hofkanzlers übersteigenden Maßregeln würden aber diese Eventualität in Frage stellen.
Der Staatsratspräsident stellte dar, daß die Behauptungen der beiden Hofkanzler schon durch sein früheres Plädoyer widerlegt worden seien und betonte, daß die vom Staatsrate entworfene Vorschrift nicht mehr oder weniger legal oder illegal sein könne als die von der Hofkanzlei lediglich für die Preßordnung beantragte Instruktion, die, man möge ihr was immer für einen Namen geben, doch immer eine Oktroyierung enthalte. Um nachzuweisen, daß die alten ungarischen Strafgesetze für viele doch gewiß strafbare Fälle nicht ausreichten, führte Baron Lichtenfels beispielsweise den Fall an, daß, wenn es jemandem einfallen würde, einen kaiserlichen Adler von dem Gebäude einer Behörde herabzureißen, der ungarische Richter den Täter nicht verurteilen könne, weil nach Art. XXI/184822 ein Frevel nur an dem (ungarischen) Landeswappen, Trikolore etc. begangen werden könne. Auch im Jahre 1861 habe man gesagt, daß die ungarischen Strafgesetze für alle strafbaren Fälle ausreichen, man habe aber bald die traurigsten Erfahrungen hierüber machen könne, Steuerverweigerungen en masse seien die unmittelbaren Folgen der Wiedereinführung der ungarischen Gesetze gewesen23. Warum soll man sich also abermals diesen Konsequenzen aussetzen. Könne die Instruktion Wirksamkeit haben, werde auch die vom Staatrate entworfene Vorschrift zur Wirksamkeit gelangen können, deren Inhalt auf das beschränkt sei, was die Militärgesetze in den fraglichen Fällen enthalten und was die Hofkanzlei selbst in ihre Preßgesetzinstruktion aufgenommen habe. Wenn es sich um Justizgesetze handle, müsse auf das juridische Gewissen vor allem die Hauptrücksicht genommen werden.
Der Staatsminister bemerkte, daß die Bedenken, die in der bisherigen Debatte für und wider den Antrag des Hofkanzlers erhoben wurden, schwer ins Gewicht fallen, so daß eine Entscheidung auch nur schwer sein könne. Es handle sich vor allem darum, den ungarischen Landtag zustandezubringen. Graf Zichy versichere, daß dies ohne Beseitigung der Militärgerichte nicht möglich sei, und Votant teile diese Ansicht. Bezüglich der Frage, wie es dann gehalten werden solle, wolle unterschieden werden zwischen strafbaren Handlungen, welche in oder außer der Presse begangen werden. Für die letzteren wolle durch eine Novelle ein Stück materielles Strafrecht geschaffen werden, dagegen werde behauptet, daß dies bezüglich der fraglichen strafbaren Handlungen, wenn sie außer der Presse begangen werden, weder notwendig noch opportun wäre. Man sei längst gewohnt, am kräftigsten der Presse an den Leib zu gehen, obwohl die Erfahrung lehrt, daß dabei der größte Lärm hervorgerufen werden, weil bei einem Preßprozeß die ganze Kameraderie der Journalistik für ihren Genossen Partei nimmt. Psychologisch sei es nicht wohl erklärlich, wenn behauptet werde, die Preßnovelle werde man ruhig hinnehmen, jede andere Normierung werde aber ein Hallo hervorrufen und man könne dabei nicht daran denken, den Landtag zusammenzubringen. Dem Votanten mache es vielmehr den Eindruck, daß die beabsichtigte Preßmaßregel den meisten Lärm hervorrufen werde. Wenn man aber die Erlassung einer solchen Novelle bezüglich der Presse für unvermeidlich halte, werde das Ärgste schon überwunden sein. || S. 306 PDF || Der Landtag werde wohl räsonieren, auf das Mehr oder Weniger komme es aber dabei dann nicht mehr an. Votant erklärte danach, daß, wenn schon bezüglich der Presse die Erlassung einer Novelle nicht gescheut werde, er auch glaube, daß man vor dem zweiten vom Staatsrate beantragten Schritte nicht zurückzuschrecken brauche. Zudem seien die Zustände jetzt anders als sie im Jahre 1861 waren, der Hofkanzler und die Beamten in Ungarn werden sich heute nicht passiv verhalten, wie dies im Jahre 1861 der Fall gewesen. Angenehm sei es wohl nicht, wenn man zum Landtage mit Ausnahmszuständen gelange, Ordnung müsse übrigens vor allem sein, selbst wenn auch der Landtag deshalb vertagt werden müsse. So sehr Votant auch des Hofkanzlers Anschauung verehre, könne er daher nach seiner Überzeugung dafür stimmen, daß die Novelle nur in der Art, daß sie auch die bezüglichen außer der Presse begangenen strafbaren Handlungen erfasse, erlassen werde. Der Polizeiminister erkannte es als eine politische Notwendigkeit, die Militärgerichte aufzuheben, wenn man zur Einberufung des Landtages schreiten wolle. Es handle sich nur darum, wie man dabei vorgehen wolle und welche Gesetze nunmehr zur Anwendung kommen sollen. Wenn die Organisation der Gerichte, wie sie früher beantragt war, aber nicht zur Ausführung24 kam, bereits ins Leben getreten wäre und durch diesen Apparat ein Zustand geschaffen wäre, wo alles sich schon im rechten Geleise befinden würde, hätte die Sache viel weniger Schwierigkeit. Im jetzigen Momente sei es aber nur um einen Notbehelf zu tun. Wenn aber in Frage komme, ob es absolut notwendig sei, im allgemeinen oder nur bezüglich der Presse fehlende Strafbestimmungen zu erlassen, scheine es dem Votanten gegenüber der besorgten Nachteile nicht rätlich, ein allgemeines materielles Strafgesetz zu erlassen, ohne die Bedingungen zu haben, die man sich durch die Gerichtsorganisation selbst habe schaffen wollen. Wenn der Richterstand guten Willen habe, werde bei der anerkannten Elastizität der ungarischen Strafgesetzte eine strafbare Handlung nicht ungestraft bleiben. Ganz anders verhalte es sich aber bei den Preßdelikten, eine positive Norm könne bezüglich derselben umso weniger entbehrt werden, weil die Presse nicht nur in Ungarn, sondern auch nach auswärts wirke und daher die Möglichkeit offengehalten werden müsse, dem Ausschreiten der Presse durch Bestrafung der Schuldigen einen Damm zu setzen. Darum glaube Votant selbst auf die Gefahr hin, daß die Maßregel im Landtage angefochten werden könnte, nur dem Atrage des ungarischen Hofkanzlers beistimmen zu sollen. Der Minister des Äußern bemerkte, daß ihm die von dem Staatsratspräsidenten für seinen Gegenantrag angeführten Argumente wohl einleuchtend erscheinen, daß er aber doch glaube, daß die politischen Rücksichten als die auschlaggebenden zu betrachten sein dürften, weshalb er auch dem Antrage des Hofkanzlers beistimme. Der Minister Ritter v. Lasser sah von der Vorfrage ab, daß die Militärgerichte beseitigt werden sollen, da sich diese Notwendigkeit aus den allgemeinen Erwägungen des Konstitutionalismus von selbst ergebe. Wenn aber die Militärgerichte beseitiget werden sollen, handle es sich nur darum, ausfindig zu machen, wie das mit den geringsten Nachteilen bewerkstelliget werden solle. Das Recht einer Regierung, im Falle der Notwendigkeit irgend etwas zu oktroyieren, sei schon nach der Theorie des Staatsrechtes unbestreitbar. In Österreich mache die Regierung || S. 307 PDF || vom Verordnungsrechte Gebrauch nach § 13 der Verfassung. Übergehend auf den vorliegenden Fall sei es sehr schwer, zu einer Konklusion zu gelangen, da die Sache von verschiedenen berechtigten Standpunkten angesehen werden könne. Vom Standpunkte der Logik könne man sich nur dazu entschließen, entweder gar nichts oder alles zu oktroyieren. Vom Justizstandpunkte könne man aber nur sagen, daß die ganze ungarische Strafgesetzgebung so mangelhaft sei, daß man nur die umfassendere Oktroyierung anraten könnte. Deshalb habe Votant auch im Jahre 1861 gegen die Aufhebung der österreichischen Gesetze durch die sohin erfolgte Genehmigung der Judexkurialkonferenzbeschlüsse gestimmt25. Neben diesen Standpunkten sei aber auch der politische beachtenswert. Die Beweise, zu denen man auf denselben gelange, haben zwar auf Logik nicht unbedingt Anspruch, sie werden vielmehr, man möchte sagen instinktmäßig geführt. Votant erklärte, nun gestehen zu müssen, es für weniger nachteilig betrachten zu müssen, wenn periodisch eine schlechtere Justiz Platz greifen würde, als wenn durch mißliebige Verfügungen der Moment des Tagens des ungarischen Landtages gefährdet würde. Wenn die ungarischen Räte der Krone, denen die Verhältnisse Ungarns wohl am besten bekannt sind, sagen, die Erfolge des Landtages werden durch weitergehende Maßregeln gefährdet, nehme Votant keine Anstoß, sich ihrer Überzeugung zu unterwerfen. Oktroyiert soll nur werden, was unbeding notwendig ist, bunbedingt notwendig sei eine Norm für Preßdelikte; für gewöhnliche strafbare Handlungen enthalte das ungarische Strafrecht Bestimmungen, die lückenhaft, elastisch etc. sind, aber sie sind doch vorhandenb . Votant würde noch lieber zulassen, daß man im Falle der Notwendigkeit seinerzeitc wieder auf die Bestellung der Militärgerichte zurückkomme, dWenn die Exzesse der Jahre 1860–1861 zurückkehren sollten. Sei der Landtag einmal versammelt, würde unter solchen Voraussetzungen auch die Rückkehr zu Ausnahmsmaßregeln weniger zu bekritteln sein als wenn man für die Zeit des Zusammentretens des Landtages das Provisorium beließe.d Votant erklärte sonach, sich dem Antrage des ungarischen Hofkanzlers anzuschließen. Der Finanzminister war der Meinung, daß der Status quo belassen, daher auch bei Einberufung des Landtages die Wirksamkeit der Miltärgerichte fortdauernd erhalten, dann aber sogleich dem Landtage ein Strafgesetz unterbreitet werden soll, von dessen Annahme die Aufhebung der Militärgerichte abhängig zu machen sei. Wenn man nicht so vorgehe, werde man nicht bloß eine schlechte Justiz schaffen, sondern auch die Zustände vom Jahre 1861 wieder herbeiführen. Alles andere würde als ganzes oder teilweises Oktroy angesehen werden und gleichmäßig verletzen. Wenn aber die Aufhebung der Militärgerichte schon eine beschlossene Sache wäre, würde sich Votant entschieden dem Antrage des Staatsrates, beziehungsweise des Präsidenten desselben anschließen. Der Marineminister bemerkte, daß er in allem und jedem gerne dem Grafen Zichy beistimmen würde, wenn der Widerspruch, daß strafbare Handlungen entweder straflos bleiben oder nur durch das Mittel des Elastizität der ungarischen Gesezte zur Ahndung gebracht werden || S. 308 PDF || können, nicht gar so bedeutend und eine gänzliche Demoralisierung des Richterstandes dabei nicht so augenscheinlich zu besorgen wäre. Wenn schon oktroyiert werden müsse, komme es auf das Mehr oder Weniger nicht so sehr an, daß man, wenn man sich nicht für das Mehr entschließen wollte, alles auf die Spitze bieten müßte. Deshalb stimme er für die Erlassung der vom Staatsrate entworfenen Vorschrift. Der Minister Ritter v. Hein bemerkte, im wesentlichen den Ansichten des Staatsratspräsidenten, des Staatsministers und des Marineministers beizupflichten. Oktroyiert müsse werden, übrigens brauche bloß die Strafbestimmung zur Preßnorm oktroyiert zu werden, denn mit der Aufhebung der Militärgerichte könne das mit deren Einführung doch bereits oktroyierte, als materielles Strafgesetz in Ungarn jetzt in Anwendung stehende Militärstrafgesetz bestehen gelassen werden. Der Kriegsminister und der Leiter des Handelsminsteriums stimmten für den Antrag des ungarischen Hofkanzlers.
Es ergab sich demnach der Beschluß mit eminenter Stimmenmehrheit für Aufhebung der Militärgerichte, und mit acht Stimmen, nämlich jener des Ministers des Äußern, des Polizeiministers, des Ministers Ritter v. Lasser, des Ministers Grafen Esterházy, des Kriegsministers, der beiden ungarischen Hofkanzler Grafen Zichy und v. Privitzer, endlich des Leiters des Handelsministeriums, gegen fünf Stimmen des Gegenantrages, nämlich jener des Ministers Grafen Nádasdy, des Staatsministers, des Finanzministers, des Marineministers und des Ministers Ritter v. Hein, die Stimme des Staatsratspräsidenten nicht gerechnet, der Majoritätsbeschluß für den Antrag des ungarischen Hofkanzlers. Bei der hier obwaltenden Meinungsverschiedenheit in einer Prinzipienfrage behielten sich Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer die Fortsetzung der Beratung über die übrigen im au. Vortrage enthaltenen Anträge bis nach Herablangung der Ah. Entschließung bevor26.
Wien, am 2. Mai 1865. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokoll zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 18. Mai 1865. Empfangen 20. Mai 1865. Erzherzog Rainer.