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Nr. 553 Ministerrat, Wien, 20. März 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 20. 3.), Mecséry, Plener, Mažuranić; BdR. Erzherzog Rainer 31. 3.

MRZ. 1358 – KZ. 856 –

Protokoll der zu Wien am 20. März 1865 unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer abgehaltenen Konferenz.

I. Geheime Auslagen für den kroatisch-slawonischen Landtag

Der kroatisch-slawonische Hofkanzler referierte, die magyarische Oppositionspartei in Kroatien habe in neuester Zeit aus Pest Subsidien im Betrag von 30.000 fl. zur Förderung ihrer Zwecke im nächsten kroatischen Landtage1 erhalten. Dieser nur allzu rührigen Partei gegenüber dürfe die Regierung nicht untätig bleiben, sondern sie müsse, um nicht den kürzeren zu ziehen, durch „landesübliche Mittel“, als Traktamente2 etc., auf die Erzielung guter Deputiertenwahlen wirken. Durch entsprechende Verwendung eines Betrages von 100.000 fl. würde es gelingen, der Regierung im Landtage eine Majorität zu verschaffen, die zwar nicht sofort die Beschickung des Reichsrates beschließen, aber doch das Vorhandensein der gemeinsamen Angelegenheiten Kroatiens und der übrigen Länder und die Notwendigkeit ihrer gemeinsamen Behandlung anerkennen werde3. Auf die Bemerkung des Polizeiministers , mit dieser Anerkennung sei nichts gewonnen, da selbst die ungarische Beschlußpartei die Tatsache des Vorhandenseins gemeinsamer Angelegenheiten und die Notwendigkeit einer gemeinsamen Behandlung nicht in Abrede stellen kann, erwiderte der Hofkanzler , es komme vor allem darauf an, den Anschluß an Ungarn zu hintertreiben, und dies werde eben dadurch bewirkt, wenn der kroatische Landtag die Gemeinsamkeit der kroatischen Angelegenheiten mit jenen der übrigen Länder anerkennt und die Hand zu einer Verständigung über die Frage bietet, wie kroatischerseits diese Angelegenheiten direkt zu behandeln seien. Mögen auch anfangs die Vorschläge aus Agram über den Modus der Behandlung absonderlich klingen, man wird doch nach und nach zu besserer Einsicht kommen. Der Hofkanzler stelle daher den Antrag, Se. Majestät wären au. zu bitten, den Dispositionsfonds der kroatischen Hofkanzlei für 1865 auf 100.000 fl. Ag. zu erhöhen. Die Bestimmung und Verwendung des Geldes müßte natürlich als das größte Geheimnis bewahrt werden, widrigens die Regierung und speziell der Referent den heftigsten Angriffen ausgesetzt wären. Daher dürfte es geraten sein, den vorläufig benötigten Betrag von 20.000 fl. unmittelbar dem Ban vor seiner Abreise von Wien nach Agram zu behändigen [sic!]. Schon die Übersendung dieser Summe mittels Post an den Ban würde im gegenwärtigen Augenblicke Verdacht erregen! Sollte an der Gesamtsumme von 100.000 fl. etwas erspart werden, so würde der Rest den Finanzen zurückersetzt.

|| S. 230 PDF || Im Laufe der längeren Besprechung über den obigen Antrag äußerte der Finanzminister , die erwähnte Summe werde, wenn sie zur Erreichung eines wichtigen Staatszwecks absolut nötig ist, zur Verfügung gestellt werden; bdie Übernahme könne wohl nur auf den allgemeinen Dispositionsfonds geschehen, welcher sofort bedeutend überschritten werden wird; diese Überschreitung oder die besondere Vorausgebung nicht präliminierter Ausgaben durch Erwirkung einer Ah. Ermächtigung decken zu wollen, wäre ganz verfehlt. Da wird es vielmehr Pflicht der Minister, mit interner Ah. Zustimmung und Ermächtigunga auf eigene Verantwortung zu handeln und die von ihnen verfügte Überschreitung der Dotation cgegenüber der Reichsvertretungb plausibel zu verteidigen. Der Polizeiminister , hiermit vollkommen einverstanden, hob nur die Schwierigkeit einer solchen Verteidigung heraus, da man sich bei einer Mehrauslage gerade dieser Art nicht mit einer allgemeinen Phrase begnügen könne. Der Hofkanzler erklärte, diese Verteidigung nicht übernehmen zu können.

Bei Erörterung der Frage, ob die fragliche Auslage nicht mit den „Landtagsauslagen“ kumulativ aus dem kroatischen Landesfonds bestritten werden könne, äußerte der Hofkanzler, dies sei nicht tunlich, nachdem über die Ausgaben des kroatischen Landesfonds dem Landtage eine detaillierte Rechnung gelegt werden muß, wobei diese geheime Auslage ans Licht der Öffentlichkeit gezogen werden würde.

Nachdem der Finanzminister geäußert hatte, es sei vorauszusehen, daß die Bedeckung und Verrechnung geheimer Landtagsauslagen für Ungarn ebenfalls, und zwar in einem noch größeren Maßstabe, vorauszusehen sei, und die übrigen Konferenzglieder dieser Meinung beigetreten waren, erklärten Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog, Höchstdieselben gedächten die vorliegende Frage demnächst einer wiederholten Beratung mit Zuziehung des ungarischen Hofkanzlers unterziehen zu lassen4.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 31. März 1865. Empfangen 31. März 1865. Erzherzog Rainer.