Nr. 521 Ministerrat, Wien, 19. und 21. Dezember 1864 - Retrodigitalisat (PDF)
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- Sammelprotokoll; RS.Reinschrift; P.Protokoll Hueber; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Erzherzog Rainer 21. 12.), Mensdorff, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck, Zichy, Mercandin, Kalchberg, Reichenstein; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 9. 1. 1865.
MRZ. 1325 – KZ. 3938 –
Protokoll des zu Wien am 19. [und 21.] Dezember 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer. [Sitzung vom 19. Dezember 1864] [anw.: Mensdorff, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck, Zichy, Mercandin (nur bei I), Kalchberg, Reichenstein, Kaiser (nur bei I); abw. Mecséry]
I. Zentralrechnungsabschluß pro 1862
Der Finanzminister brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß der dem Abgeordnetenhause des Reichsrates zur verfassungsmäßigen Behandlung vorgelegte Zentralrechnungsabschluß über den gesamten Staatshaushalt der Monarchie im Verwaltungsjahre 18621 nach dem gegenwärtigen Stande der Verhandlungen im Subkomitee des Finanzausschusses den Erwartungen nicht entspreche, welche man von der gedachten Regierungsvorlage gehegt habe. Zunächst und insbesondere sei es der Umstand, daß aus dem in Rede stehenden Zentralabschlusse nicht mit Gewißheit zu entnehmen sei, daß die als wirklicher Erfolg im Verwaltungsjahr 1862 nach den einzelnen Abteilungen und Unterabteilungen des Finanzgesetzes vom 2. November 1862 2 nachgewiesenen Ausgabssummen auch wirklich als solche angenommen werden können, welche mit den bezüglichen Ansätzen des Finanzgesetzes zu vergleichen seien, oder mit anderen Worten, ob nicht etwa auf Grundlage der durch das gedachte Finanzgesetz pro 1862 genehmigten Summen in der Folge, namentlich im nächsten Jahre, doch noch Aufwandsbeträge zur Verrechnung gelangen werden, welche in dem vorliegenden Rechnungsabschlusse noch nicht beziffert seien. Referent glaubte, daß diejenigen Beträge, welche pro 1862 zur Abstattung gekommen, jedoch das Jahr 1861 betroffen haben, sowie jene, welche im Verwaltungsjahr 1862 hätten zur Abstattung kommen sollen, jedoch erst in der Zukunft zur Abstattung gelangt sind, im Jahr 1863 zur Nachweisung zu bringen und dem Finanzausschusse nachträglich zur Benützung vorzulegen seien, wenn man es nicht vorziehen wollte, da dermalen vielleicht nur in einigen Rubriken keine nachträglichen Aufrechnungen vorkommen werden und daher nur diese Rubriken schon dermalen vollständig geprüft werden könnten, die ganze Prüfung auf spätere Zeit zu verschieben.
|| S. 39 PDF || Nach einer eingehenden längeren Debatte, bei welcher sich der Staatsratspräsident, der Staatsminister, dann die Minister Ritter v. Lasser, Baron Burger und Ritter v. Hein mehrfach beteiligten, und wobei der Präsident der Obersten Rechnungskontrollbehörde Graf Mercandin und der von letzterem beigezogene Hofrat Kaiser über die Art der Zusammenstellung der Zentralrechnungsabschlüsse die erforderlichen Auskünfte gegeben und Graf Mercandin insbesondere hervorgehoben hatte, daß nur mit Zuhilfenahme der vom Finanzminister erwähnten, nachträglich zu liefernden Nachweisungen eine wirkliche Prüfung des Jahresabschlusses pro 1862 möglich sein könne, einigte sich der Ministerrat in dem Beschlusse, es seien dem Finanzausschusse die gedachten zwei Nachweisungen, nämlich 1. ein Verzeichnis aller bedeutenderen Ausgabsbeträge, welche in den Partikularrechnungsabschlüssen der einzelnen Verrechnungszweige pro 1862 beausgabt worden sind, jedoch eine Leistung für das Jahr 1861 und früher betroffen haben, sowie 2. ein ebensolches Verzeichnis über die im Verwaltungsjahr 1863 auf den Kredit pro 1862 verausgabten bedeutenderen Beträge ohne irgendeine Bemerkung zu übergeben3.
Bei dieser Gelegenheit wurde die im § 25 der in Folge Ah. Entschließung vom 13. Juni 1863 4 zwischen dem Finanzministerium und der Obersten Rechnungskontrollbehörde vereinbarten Verordnung vom 17. Oktober 1863 5 enthaltene Bestimmung, wonach der für ein Verwaltungsjahr eröffnete Kredit, wenn er innerhalb des unmittelbar darauffolgenden Jahres nicht zur Realisierung gelangt, mit Ausnahme der stehenden Bezüge als wirkungslos zu betrachten ist, einer nachträglichen Beschlußfassung vorbehalten6,a .
II. Organisation der Gerichte in Ungarn
Der Staatsratspräsident referierte über den au. Vortrag der ungarischen Hofkanzlei vom 13. Oktober l. J., Z. 17503, betreffend die Organisierung der königlichen Gerichtshöfe erster Instanz und der Bezirksgerichte in Ungarn7 mit dem Bemerken, daß sich der Stand der Verhandlungen seit der Beratung dieses Gegenstandes im Staatsrate8 infolge der zwischen ihm und dem ungarischen Hofkanzler gepflogenen Besprechungen in einigen Punkten geändert habe, und daß insbesondere, nach dem neuerlichen, in einer Note an das Ministerratspräsidium gestellten Antrage des Hofkanzlers9 || S. 40 PDF || gleichzeitig auch eine Regulierung der Gerichtsbarkeit über die Zivilsachen in zweiter Instanz in der Art vorgenommen werden soll, daß die bisher bestandenen vier Distriktualtafeln und das Wechselappellationsgericht aufgelöst und die königliche Gerichtstafel die Gerichtsbarkeit in zweiter Instanz in sechs Abteilungen an den Standorten der früheren k. k. Oberlandesgerichte auszuüben berufen werde, wobei nur die Ausnahme einzutreten hätte, daß die eine Abteilung nicht nach Großwardein, wo früher das Oberlandesgericht seinen Sitz hatte, sondern nach Debreczin zu verlegen wäre. Referent erklärte diesen neuen Antrag auf das Lebhafteste unterstützen zu müssen, da eine Organisierung auf einer anderen Basis, insbesondere nach den im Juni l. J. beschlossenen Grundsätzen10, über welche eine allgemeine Klage laut geworden sei, nicht möglich wäre.
Nachdem Referent den beiliegenden, mit Zugrundelegung des Staatsratsgutachtens11 zwischen ihm und dem ungarischen Hofkanzler vereinbarten Entwurf eines königlichen Reskriptes an die königliche Kurieb abgelesen hatte, stellte Graf Zichy die Gründe dar, warum es ihm notwendig erschienen sei, hierinfalls [sic!] von den Beschlüssen vom 8. Juni l. J. abzugehen. Die Gestion der königlichen Tafel sei damals schon sehr zurückgeblieben, indem sie zu jener Zeit 4000 Stücke Rückstände gehabt habe. Seither habe es sich gezeigt, daß die Rückstände bei derselben in steter Zunahme begriffen seien, dieselben haben bereits die enorme Zahl von 7000 Stücken erreicht. Da hiebei die wichtigsten Interessen der Bevölkerung im Spiele seien, müsse eine Abhilfe unverzüglich getroffen werden. Seither habe sich jedoch die allgemeine Meinung Bahn gebrochen und es haben auch anerkannte Kapazitäten der ungarischen Jurisprudenz ausgesprochen, daß mit einer Neugestaltung nach den in die Öffentlichkeit gedrungenen Grundsätzen vom Juni l. J.12, wie er selbst schon damals vorgesehen habe, das Auslangen nicht werde gefunden werden können, und die seither gewonnene sechsmonatliche Erfahrung habe ihn vollkommen in seiner Ansicht bestärkt, daß man noch weiter gehen müsse. Wenn man aber schon mit einer Oktroyierung vorgehen müsse, sei es aber doch gewiß besser, etwas Ordentliches zu schaffen, als ein bloßes Flickwerk zu beginnen. Die königliche Tafel als solche soll in ihrem Bestande intakt erhalten und nur in Abteilungen zerlegt werden, die Septemviraltafel könne bleiben. Votant sei noch immer unverändert der Ansicht, daß vorerst die Gerichtspflege in Ungarn geregelt sein müsse, bevor man daran gehen könne, den Landtag einzuberufen13. Solange der Ausnahmszustand mit Militärgerichten in Ungarn bestehe und ein Preßgesetz nicht || S. 41 PDF || eingeführt sein wird, könne man an die Einberufung des Landtages nicht denken. Die Regierung lade eine bedeutende Verantwortung auf sich, wenn sie die trostlosen Justizzustände noch länger ohne Abhilfe lassen würde. Wenn man das Ende der Session des weiteren Reichsrates abwarten, dann die 82 Tage Zeit, die die Einberufung des ungarischen Landtages erheischt, verstreichen lassen wollte, könne der Landtag vor nächstem Herbst nicht zustande kommen, derselbe werde sich aber selbstverständlich zuerst mit der staatsrechtlichen Frage beschäftigen, und so sei im besten Falle die Möglichkeit einer Regelung der Justizpflege auf zwei Jahre hinausgeschoben. Durch die gegenwärtigen Maßnahmen verhindert die Regierung, daß man ihr nicht [später] einmal gerechte Vorwürfe über ihre Untätigkeit mache, es sei aber auch notwendig, daß sie, wenn sie schon mit Oktroyierung vorgehe, zweckmäßige Einrichtungen treffe, sodaß sie nicht aus dem Grunde der Zweckwidrigkeit von dem Landtage desavouiert zu werden Gefahr laufe. Es entspreche auch vollkommen der ungarischen Auffassung, daß der König, wenn wichtige Interessen der Justizpflege es bedingen und der Landtag nicht versammelt ist, durch Ah. Reskripte nachhelfe. Votant erklärte endlich, sehr gut zu wissen, daß auf Seite jener Partei, die sich gegen diese Maßregel stemme, andere Sachen im Spiele seien, ihnen wäre damit gedient, daß die Konfusion noch größer würde, damit im Trüben gefischt werden könne.
Der Staatsminister war der Ansicht, daß man bei den dermaligen Justizzuständen in Ungarn der Pietät entsagen und den Standpunkt der Zeckmäßigkeit einnehmen müsse, und da können die von dem Hofkanzler neu beantragten juridischen Einrichtungen, wobei die königliche Tafel doch intakt bleibe, nur gutgeheißen werden. Der Finanzminister glaubte die Erwägung der Frage, ob es in politischer Beziehung opportun sei, jetzt, vor Zusammentritt des Landtages, mit einer solchen Maßregel vorzugehen, dem ungarischen Hofkanzler anheimstellen zu sollen, und wenn dieser sich dafür ausspreche, daß es nicht anders sein könne und daß dadurch in politischer Beziehung eine Verschlimmerung in der Stimmung nicht zu besorgen sei, c(was jedoch der Finanzminister nach seiner subjektiven Ansicht allerdings besorge)c, von seinem Standpunkte bloß die finanzielle Frage zunächst im Auge behalten dund in dieser keine Schwierigkeiten erhebend zu sollen. Der Minister des Äußern erklärte, bei dem Umstande, als er in diese Verhältnisse und in die vorangegangenen Verhandlungen nicht so genau eingeweiht sei, sich bezüglich der Erwägung der prinzipiellen Frage der Ansicht des Finanzministers anzuschließen. Der Minister Graf Nádasdy betonte entschieden, daß der dermalige Zustand unmöglich fortbestehend gelassen werden könne, mit den Kriegsgerichten könne man niemals zum Landtage gelangen, eine Maßregel aber, die einen großen Lärm verursache, dabei aber unzweckmäßig wäre, könne nicht angeraten werden, deshalb stimme er mit Befriedigung für die neuerlichen Anträge des Grafen Zichy. Auch der Minister Ritter v. Hein erklärte, daß er mit Rücksicht auf seine früher geäußerten Ansichten14 den neuen Anträgen des ungarischen Hofkanzlers freudig beistimme. || S. 42 PDF || Der Minister Graf Esterházy , welcher früher an Se. kaiserliche Hoheit den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Rainer die Bitte gerichtet hatte, ihn bei dem Umstande, als er bei den Beratungen im Juni l. J.15 nicht anwesend war, von der Abgabe eines Votums gnädigst entheben zu wollen, glaubte später, nachdem sich eine Debatte über das Prinzip entwickelt hatte, doch in dieselbe eingreifen und insbesondere hervorheben zu sollen, daß er nicht begreifen könne, wie man sich von diesen Verfügungen einen gefügigeren Landtag versprechen könne. Für ihn sei es Hauptgrundsatz, daß es jedenfalls bedauerlich sei, mit Oktroyierungen vorzugehen. Wenn man dies aber schon für unvermeidlich halte, müsse man fest ins Auge fassen, wie dies dereinst verfassungsmäßig werde aufgenommen werden. Dabei müsse vor allem die kaiserliche Autorität zu wahren getrachtet und es einer besonders genauen Erwägung unterzogen werden, ob hierin nicht etwa ein Widerspruch zwischen dem Ah. Diplom vom 20. Oktober 1860 und den kaiserlichen Erlässen vom 5. November 1861 16 erkannt werden und aus so weitgehenden Maßregeln nicht etwa, sogar mit etwas Recht, ein kaiserlicher Wortbruch subsumiert werden könnte. Für den Fall aber, als der Beschluß der Konferenz für die Anträge des Grafen Zichy ausfallen sollte, glaubte Votant, daß der provisorische Charakter dieser Maßregel besonders hervorzuheben wäre und dem System der Autonomie in Ungarn auch in bezug auf die Justiz Rechnung getragen werden müßte, demgemäß im § 17 des Reskriptsentwurfes im Eingange: „Die königliche Septemviraltafel hat einstweilen in ihrem jetzigen Organismus fortzubestehen“, das Wort „einstweilen“ unter allen Umständen wegzubleiben hätte. Der Staatsratspräsident fand hierauf zu entgegnen, daß der von der Vorstimme angedeutete Widerspruch nicht erhoben werden könne, weil es ja die Devise des Oktoberdiploms gewesen und in dem Ah. Handschreiben an den Baron Vay17 ausdrücklich ausgesprochen sei, daß im Interesse der Sicherheit des Besitzes und der Stetigkeit der Privatrechtsverhältnisse die damals bestandenen Justizeinrichtungen und alle Bestimmungen und Einrichtungen des bürgerlichen und Strafrechtes insolange in voller Wirksamkeit zu bestehen haben, als nicht in betreff derselben im Wege der Gesetzgebung die allfälligen Veränderungen vereinbart werden. Davon abweichend sei es gewesen, daß man bezüglich der Justizeinrichtungen in Ungarn alles zusammengerissen und es habe geschehen lassen, daß die Justiz in Ungarn zu dem heutigen trostlosen Zustande gelangt sei. Von einem Widerspruche könnte selbst dann noch nicht die Rede sein, wenn man auf alles das zurückgehen würde, was zur Zeit, als die österreichischen Gesetze in Ungarn in Wirksamkeit waren, Geltung hatte, während man doch jetzt an den materiellen Gesetzen noch nichts ändern wolle. Damit, daß die neue Maßregel mit || S. 43 PDF || Betonung des provisorischen Charakters eingeführt werde, erklärte sich Votant mit dem Beifügen einverstanden, daß dies in der Vorlage ohnedies berücksichtiget sei, und zwar durch die am Schlusse des Einganges vor § 1 verkündeten Worte „folgende provisorische Vorschriften zu erlassen.“ Dagegen fand Votant es für gerechtfertigt, daß in § 17 das Wort „einstweilen“ weggelassen werde. Der ungarische Hofkanzler erklärte, daß er bei seinen Anträgen von denselben Anschauungen ausgegangen sei, denen der Staatsratspräsident soeben Ausdruck gegeben habe, und daß er es niemals wagen würde, Sr. Majestät Anträge zu unterbreiten, durch deren Genehmigung Se. Majestät mit anderen Ah. Aussprüchen in Widerspruch geraten würden.
Bei der Beratung des Reskriptsentwurfes wurde sich sohin über nachstehende Modifikationen geeinigt: a) im Eingange ist die Stelle „Bestellung beständiger und unabhängiger Gerichte“ abzuändern in „Bestellung bleibender und beständiger Gerichte“; b) im § 6 lit. h ist statt der Worte „Erbschafts- und Erbteilungen“ zu setzen „Erbschafts- und Erbteilungsklagen“; c) im § 8 sowie im § 13 ist statt dem § 5 der § 6 zu beziehen; d) der Eingang des zweiten Satzes des § 15 hat zu lauten „Jeder Abteilung wird ein eigenes Gebiet zugewiesen, in dessen Umfange dieselbe nicht nur über die Bezirksgerichte, sondern auch über die darin befindlichen Gerichtshöfe etc. etc.“; e) im § 17 hat das Wort „einstweilen“ wegzubleiben. Bezüglich der beantragten Standorte der sechs Abteilungen der königlichen Tafel ergab sich dem Ministerrate keine Erinnerung. Hinsichtlich des Personalstandes glaubte der referierende Staatsratspräsident , daß jenen 32 Auskultanten, welche an die Stelle der dermal bestehenden, aber aufzulassenden Konzipisten den Abteilungen der königlichen Tafel antragsgemäß beigegeben werden sollen, ein höheres Adjutum, und zwar 400 fl., gegeben werden solle.
Da sich der Finanzminister die Mitteilung der ergänzten Verhandlung zu dem Behufe erbat, um bezüglich der mit Geldauslagen verbundenen Fragen eine die Ministerberatung erleichternde vorläufige Einsicht nehmen zu können, wurde die Sitzung von Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzoge geschlossen.
Wien, am 19. Dezember 1864.
Fortsetzung am 21. Dezember 1864.
In Gegenwart der vorstehenden Stimmführer, dann des Polizeiministers Freiherr v. Mecséry und des ungarischen Hofvizekanzler v. Beke.
Staatsratspräsident referierte, daß der Finanzminister in der Zwischenzeit von den Akten Einsicht genommen und im wesentlichen laut einer an ihn gerichteten Note sich mit den Anträgen des Staatsrates einverstanden erklärt habe18. Was die Zahl der Gerichtshöfe erster Instanz betrifft, habe der Hofkanzler anfangs für jedes Komitat einen Gerichtshof bestellen wollen, die Gerichtshöfe wären jedoch mit Rücksicht auf ihre größere oder geringere Bedeutung in zwei Klassen zu teilen gewesen, und bei jenen zweiter Klasse wären die Präsesposten nur mit 2100 fl. Gehalt systemisiert worden. Der Finanzminister sei der Ansicht gewesen, daß die Gerichtshöfe erster Instanz auf jene || S. 44 PDF || Zahl zu reduzieren sei, welche vor dem Jahre 1860 bestanden habe, nämlich auf 4319. Der Staatsrat habe keinem dieser Anträge beigestimmt, vielmehr erachtet, daß statt 60 nur 53 Gerichtshöfe zu bestellen wären, und diese im Vergleiche mit dem Antrage des Finanzministers höhere Zahl damit für gerechtfertigt gehalten, weil sich die Verhältnisse seit 1860 beziehungsweise die Verhältnisse, welche bei der Einführung der Gerichtsverfassung vom Jahre 1853 zugrunde gelegen waren, durch die Errichtung neuer Komitate, Reinkorporierung der Partes adnexae etc. geändert haben20. In der letzten Note habe der Hofkanzler mit Ausnahme von zwei Bezirken sich dem Antrage des Staatsrates angeschlossen, er habe somit 55 Gerichtshöfe bestellt wissen wollen, insbesondere einen eigenen für Thurócz, welcher nach dem staatsrätlichen Antrage mit jenem in Árva hätte vereinigt werden sollen, und einen eigenen für den Haidukendistrikt, welcher nach dem staatsrätlichen Antrage dem Gerichtshofe in Debreczin zuzuweisen sein würde. Referent bemerkte, daß er den speziellen Gründen, welche der Hofkanzler hiefür angeführt habe, nicht entgegentreten könne und daher dem Antrage desselben auf Bestellung von 55 Gerichtshöfen erster Instanz zustimme. Der Ministerrat mit Einschluß des Finanzministers traten diesem Antrage bei.
Bezüglich der Anzahl des Personales für die Gerichtshöfe erster Instanz habe der Staatsrat, wie Baron Lichtenfels im Referate fortfuhr, geglaubt, daß der Personalstatus für diese Gerichtshöfe nicht schon jetzt festgestellt werden sollte, sondern nach Ah. Genehmigung der Gebietseinteilung auf Grundlage derselben ein neuer Status entworfen und derselbe nach vorläufiger Vernehmung mit dem Finanzministerium der Ah. Genehmigung unterbreitet werden soll. Nachdem sich aber die Konferenz über die Zahl der Gerichtshöfe erster Instanz geeinigt habe und die Anträge über den Personalstatus, in welchem sich noch dazu nach neuerer Aufklärung von Seite des Hofkanzlers das staatsanwaltschaftliche Personale zugleich befinde, durchaus nicht überspannt seien, glaubte Referent auf die Genehmigung dieser Anträge einraten zu sollen. Der Finanzminister und alle übrigen Stimmführer traten diesem Antrage bei.
Bezüglich der Personalbestellung für das Pester Wechselgericht erster Instanz habe der Hofkanzler sich dem Antrage des Finanzministers gefügt, es bestehe daher kein Grund, im Ministerrate hierüber einen Beschluß zu fassen.
Der Anstand über den Fortbestand des Causarum-Regalium-Direktorates falle wegen der beschlossenen Teilung der königlichen Tafel in sechs Abteilungen weg21.
Bezüglich der Personalbestellung für die Bezirksgerichte habe, wie Referent anführte, der Finanzminister anfänglich gegenüber den Anträgen der Hofkanzlei eine größere Reduzierung vorgenommen wissen wollen, zu Ende sei er den Hofkanzleianträgen mit der Ausnahme || S. 45 PDF || beigetreten, daß 50 Kanzellisten weniger bestellt werden sollen, der Hofkanzler habe aber dafür ein außerordentliches Diurnenpauschale in Anspruch genommen. Referent glaubte, daß es füglich bei dem Antrage des Hofkanzlers belassen werden könnte, zumal bei der Latitude des Ah. Entschließungsentwurfes zulässige Reduktionen nicht ausgeschlossen seien. Der Ministerrat erklärte sich hiemit einverstanden.
Referent erwähnte ferners, daß bezüglich der Instruktion über die Behandlung der Syndikatsbeschwerden der Staatsrat schon früher Modifikationen beantragt habe, mit denen der Hofkanzler sich einverstanden erklärt habe; jetzt aber werde hiebei, weil die königliche Tafel in Abteilungen zerlegt wird und die Distriktualtafeln aufhören, eine Modifikation eintreten müssen, was im Ah. Handschreiben an den Grafen Zichy auszudrücken wäre. Der Ministerrat stimmte dieser Ansicht bei.
Die Kosten der neuen Justizorganisation habe der Hofkanzler auf 3,383.808 fl. veranschlagt und dieselben beantragen um 55.541 fl. mehr als nach seinen früheren Anträgen. Die Berechnung der Kanzlei und sonstige Erfordernisse mit 33% der fixen Bezüge habe der Finanzminister nicht für zureichend begründet angesehen. Referent war des Erachtens, daß die Zifferansätze jetzt nur beiläufig gemacht werden können und dadurch in den Anträgen überhaupt eine Änderung nicht eintreten könne. Den erforderlichen Kostenbetrag werde der Hofkanzler besonders in Anspruch zu nehmen haben. Nachdem Referent den Entwurf des diesfälligen Ah. Handschreibens an den Grafen Zichy (Beilage 3 der Note des letzteren an das Ministerratspräsidium vom 9. Dezember 1864, Z. 1516)22 abgelesen und die hierin nach den Ministerratsbeschlüssen vorzunehmenden Modifikationen angedeutet hatte, bemerkte der ungarische Hofkanzler , daß erst dann, wenn auch die Anträge über die politische Organisierung in Ungarn vorliegen werden und dieselben bezüglich der Ziffern mit jenen über die Justizorganisation zusammengehalten werden, sich mit Bestimmtheit werde entnehmen lassen, welchen Aufwand diese beiden Verwaltungszweige in Ungarn früher erfordert haben und welchen sie später erheischen werden. Vorläufig könne er im ganzen nur annäherungsweise sagen, daß der Aufwand für beide zusammen um 1,300.000 fl. mehr betragen dürfte als früher. Der Finanzminister erwähnte, daß bezüglich der Kostenfrage für die vorliegende meritorisch durchgreifende Maßregel eine besondere Vorlage an den Reichsrat nicht werde ausbleiben können, bezüglich der Form desselben behalte er sich vor, seinerzeit einen Ministerratsbeschluß hervorzurufen23.
Wien, am 21. Dezember 1864. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 8. Jänner 1865. Empfangen 9. Jänner 1865. Erzherzog Rainer.