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Nr. 325 Ministerrat, Wien, 23. Februar 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 25. 2.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy (bei I abw.), Hein, Mažuranić (nur bei I anw.); abw. Schmerling, Burger; BdR. fehlt.

MRZ. 1129 – KZ. 756 –

Protokoll des zu Wien am 23. Februar 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Errichtung einer südslawischen Akademie der Wissenschaften und Künste

a Der Präsident des Staatsrates referierte über den au. Vortrag der kroatisch-slawonischen Hofkanzlei vom 27. Jänner 1863 wegen Errichtung einer südslawischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Agram1.

Der vorgeschlagene Resolutionsentwurf lautet: „Ich genehmige im Prinzipe die Gründung einer südslawischen Akademie der Wissenschaften und Künste mit dem Sitze in Agram und behalte Mir die nachträgliche Genehmigung der betreffenden Statuten vor.“ Drei Stimmen im Staatsrate vereinigten sich vollkommen mit den Anträgen der Hofkanzlei, während eine gleiche Stimmenzahl die Bezeichnung der Akademie als „südslawisch“ aus dem Resolutionsentwurf wegzulassen antrug. Der Präsident trat der letzteren Meinung bei, weil die Bezeichnung der Akademie als „südslawische“ zwar nicht gerade politisch bedenklich, aber doch unrichtig sei und dem Institut eine geographische Ausdehnung vindizieren würde, welche ihm nicht gegeben werden kann. So könne man wohl z. B. in Österreich eine Akademie für ägyptische Altertumskunde und Geschichte, aber keine ägyptische Akademie der Wissenschaften gründen. Ob übrigens die Wahl dieser fehlerhaften Bezeichnung gleichwohl Anlaß geben könnte, der Regierung politische Tendenzen zuzumuten, die sie sicher nicht hat, sei allerdings noch die Frage. Da ferner die vorliegenden Statuten in mehrfacher Beziehung Anständen unterliegen, wäre im Resolutionsentwurfe statt der Worte „der betreffenden Statuten“ zu setzen „der nach den Bestimmungen des Vereinsgesetzes zu berichtigenden Statuten“.

Der kroatisch-slawonische Hofkanzler äußerte, daß er persönlich keinen Wert auf die Benennung „südslawische“ Akademie lege. Die Meinungen im Landtage aber waren ganz anders! Der Landtag wollte vor allem, daß das Institut den Stempel eines südslawischen an der Stirn trage, und die an diese Voraussetzung || S. 267 PDF || sich knüpfenden nationalen Ideen waren es hauptsächlich, welche so schnell die namhafte Subskription von 175.000 fl. zustande brachten2. Für eine namenlose Akademie der Wissenschaften in Agram hätte man gewiß nur sehr wenig gezeichnet, und es ist sehr fraglich, ob bei einer diktierten Änderung des populären Namens die gemachten Subskriptionen von den Zeichnern zugehalten werden würden. Der Hofkanzler würde daher für den Fall, [daß] Se. Majestät den vom Landtage beschlossenen Namen nicht Ah. zu genehmigen fänden, au. vorschlagen, eine Resolution in dem Sinne zu erlassen: „Se. Majestät fänden auf den Antrag der Hofkanzlei derzeit nicht einzugehen, und der Landtag habe für die Akademie eine andere Benennung vorzuschlagen.“ Der Staatsratspräsident entgegnete, aus den vorliegenden Akten sei nicht zu entnehmen, daß die Subskriptionen nur für eine südslawische Akademie gemacht worden seien. Die Benennung „Akademie zur Pflege südslawischer Wissenschaft und Kunst“, welche der Polizeiminister vorgeschlagen habe, würde Baron Lichtenfels nicht beanständen. Der Minister des Äußern erklärte, daß er vom diplomatischen Standpunkte aus gegen den Namen „südslawische Akademie“ nichts zu erinnern finde, da man türkischerseits über die Absichten der österreichischen Regierung völlig beruhigt ist. Aber auf eine sorgfältigste Revision des Statutenentwurfes müsse man bedacht sein, damit der vorhandene Drang der Südslawen, sich national zu konstituieren, durch das Institut nicht neue Nahrung und gefährliche Hebel gewinne. Der Kriegsminister äußerte, dieser Meinung umso mehr beizutreten, als ihm die Umtriebe des ersten Subskribenten, Bischofs Strossmayer, und anderer erhitzter „Südslawen“ nur zu genau bekannt sind. Der kroatisch-slawonische Hofkanzler bemerkte, daß die behördliche Prüfung der von Sr. Majestät Ah. zu sanktionierenden Statuten über diesen Punkt hinlänglich Beruhigung geben dürfte. Minister Ritter v. Lasser schickte voraus, daß ihm nicht klar sei, welche Stellung der kroatisch-slawonische Landtag zur Akademie einnehmen solle, da sie ja nicht aus Landesmitteln gegründet wird und auch kein Landesgesetz hiezu erforderlich ist. Die Bildung dieses Vereines zur Pflege von Kunst und Wissenschaft falle daher ganz in das Gebiet des Vereinsgesetzes. Gegen die allerdings nicht streng logische und einen politischen Beigeschmack führende Benennung „südslawische Akademie“ würde übrigens der Minister im wesentlichen keinen Anstand erheben, wenn nur der Zweck des Vereins und die durch ihn anzuwendenden Mittel näher bdurch den Inhalt der Statutenb präzisiert wären. Der kroatisch-slawonische Hofkanzler erwiderte, es handle sich um die Pflege der südslawischen Sprache, Literatur und Geschichte, an die sich die Pflege der übrigen Wissenschaften anreihen würde. Wenn man in Agram nicht mit einem Institut dieser Art vorausgeht, werde bald in Belgrad eine südslawische Akademie mit für Österreich bedenklichen politischen und antikatholischen Tendenzen erstehen || S. 268 PDF || Die Begründung eines nationalen Instituts von solcher Bedeutung wie die südslawische Akademie betrachte der Hofkanzler als eine Landes- und somit Landtagsangelegenheit, so wie seinerzeit die Gründung der ungarischen Akademie landtäglich verhandelt worden ist3. Der Handelsminister und der ungarische Hofkanzler traten dem kroatischen Hofkanzler bei.

Nach längerer Beratung vereinigten sich die mehreren Stimmen mit dem Antrage des Ministers Dr. Hein , daß in Ag. Berücksichtigung des vom Landtage ausgesprochenen Wunsches die Benennung südslawische Akademie Ah. zugestanden, zugleich aber auch der Zweck derselben näher präzisiert werde. Im Falle der Ah. Genehmigung dieses au. Antrages dürfte die kaiserliche Resolution ungefähr folgendermaßen gefaßt werden: „Zum Zwecke der Beförderung von Wissenschaft und Kunst im allgemeinen und insbesondere zur Pflege südslawischer Literatur und Sprache genehmige Ich die Errichtung einer Akademie in Agram unter der Benennung ,südslawische Akademie der Wissenschaften und Künste‘ und behalte Mir die Genehmigung der betreffenden Statuten vor.“

Der Präsident des Staatsrates hielt seinen Einspruch gegen die Benennung fest, und Minister Graf Nádasdy , der die Angelegenheit noch nicht zu einer schließlichen Ah. Entscheidung reif fand, weil sie noch mit dem Landtage verhandelt werden müsse, glaubte, daß sich dermal auf den Ausspruch einer Ah. Geneigtheit, die Errichtung der Akademie zu genehmigen, beschränkt werden dürftec, 4.

II. Gemeindestatut für die Stadt Czernowitz

Der Staatsratspräsident referierte über die Anträge des Staatsministers bezüglich des neuen Gemeindestatuts für die Stadt Czernowitz (Vortrag vom 11. Februar 1863).

Dem Staatsrate gaben diese Anträge zu einer Bemerkung keinen Anlaß, und auch der Ministerrat fand gegen dieselben nichts zu erinnern5.

III. Delegierung der galizischen Kreisgerichte zur Aushilfe bei den Untersuchungen wegen Beteiligung an der polnischen Revolution

Minister Dr. Hein referierte, er habe Berichte der galizischen Gerichtsbehörden erhalten, worin über die außerordentliche Zahl der Untersuchungen wegen Beteiligung an der polnischen Revolution geklagt und um Aushilfe durch Personalvermehrung oder in anderen Wegen gebeten wird6. Von Seite des Obersten Gerichtshofes || S. 269 PDF || sei darauf hingedeutet worden, der Überbürdung des Krakauer Landesgerichts durch Delegierungen7 der galizischen Kreisgerichte für derlei Straffälle abzuhelfen und eine Sichtung der ergriffenen Flüchtlinge in der Art vorzunehmen, daß bloß die Rädelsführer in Untersuchung zu ziehen wären8. Auf eine solche Sichtung dürfte nach der Meinung des Referenten nicht eingegangen werden können, teils wegen der vertragsmäßigen Verhältnisse gegen Rußland und schon darum, weil man ja vor Beginn der Untersuchung nicht mit Gewißheit sagen kann, wer ein Rädelsführer ist. Dagegen halte Minister Dr. Hein die Delegation der Kreisgerichte schon jetzt für vollkommen angezeigt.

Minister Ritter v. Lasser teilt gleichfalls die Meinung, daß dem Gesetz nach Möglichkeit gegen alle freier Lauf zu lassen wäre. Statthalter Graf Mensdorff habe angefragt, wie die heimkehrenden Österreicher, welche nicht nach Galizien zuständig sind, zu behandeln seien. Diese Leute dürften zur Erleichterung der galizischen Gerichte und Leerung der überfüllten Untersuchungsgefängnisse in ihre Heimat entsendet werden. Der Präsident des Staatsrates war des Erachtens, daß bei fortdauerndem massenhaftem Übertritt von Revolutionärs eine Sichtung derselben nach Kategorien unausweichlich sein werde, wenn das Untersuchungsgeschäft nicht unerschwinglich anwachsen soll. In dieser Richtung dürfte an den Obersten Gerichtshof eine Anfrage vom Justizministerium gerichtet werden. Der Polizeiminister wäre zwar jetzt gegen jeden Akt, der den Charakter einer Amnestie trägt, erkennt aber die Notwendigkeit einer Sichtung der Flüchtlinge gleich nach dem Übertritte, und zwar im politischen Wege, bevor sie an die Untersuchungsgerichte abgegeben werden, weil diese nur nach dem Gesetz zu Werke gehen können, während es zur Vermeidung von Monsterprozessen notwendig sein wird, gewisse Kategorien straflos nach Hause zu schicken. Dahin gehören z. B. jene Galizianer, die auf dem Wege zur Grenze von Polen festgenommen werden.

Nach eingehender Erörterung vereinigte sich die Stimmenmehrheit mit dem Antrage des Ministers Dr. Hein auf Delegierung der galizischen Kreisgerichte und mit dem des Polizeiministers auf eine Rückfrage an den Statthalter Grafen Mensdorff9.

IV. Öffentliche Besprechung der Arbeiten der in Hannover tagenden Kommission für eine allgemeine deutsche Zivilprozeßordnung

Minister Dr. Hein referierte, der österreichischen Abgeordnete bei der in Hannover tagenden Kommission wegen Bearbeitung eines deutschens Obligationsrechts, Sektionschef v. Rizy, habe in Antrag gebracht, die Arbeiten der Kommission einer öffentlichen Besprechung durch einen kompetenten österreichischen Rechtsgelehrten unterziehen zu lassen10. Der Minister fände seinerseits gegen die Veranlaslehrten || S. 270 PDF || unterziehen zu lassen. Der Minister fände seinerseits gegen die Veranlassung einer solchen Besprechung, und zwar durch den dazu völlig geeigneten Professor Haimerl der Wiener Universität gar nichts zu erinnern. Der Minister des Äußern war damit einverstanden in der Voraussetzung, daß es mit dem gehörigen Takte geschehe, und Minister Ritter v. Lasser erklärte, Professor Haimerl sei dazu der rechte Mann11.

V. Aufhebung des Sensenausfuhrverbots nach Rußland

Der Handelsminister brachte zur Sprache, daß die österreichischen Sensenfabrikanten dringend um eine wenigstens teilweise Zurücknahme des Ausfuhrverbotes bitten, weil sie sonst die empfindlichsten Verluste erleiden würden. Gegenwärtig sei nämlich der Augenblick, wo Rußland alljährlich seinen Sensenbedarf aus Österreich zu decken pflegt, und es liegen bereits bedeutende Bestellungen vor, die nicht realisiert werden können12.

Der Minister des Äußern deutete an, daß die Fabrikanten sich behufs der nebst der österreichischen Verbotsaufhebung noch notwendigen russischen Einfuhrsbewilligung an die russische Gesandtschaft zu wenden hätten. Übrigens sei Graf Rechberg bereit, sich diesfalls direkt an Herrn v. Balabine zu wenden, wenn der Handelsminister die dazu nötigen Daten liefern wolle. Graf Wickenburg sagte deren Mitteilung zu13.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 7. März 1863.