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Nr. 322 Ministerrat, Wien, 12. Februar 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 14. 2.), Rechberg, Mecséry, Degenfeld, Plener; außerdem anw. Kalik; BdR. Erzherzog Rainer 17. 2.

MRZ. 1125 – KZ. 525 –

Protokoll der Ministerkonferenz abgehalten zu Wien am 12. Februar 1863 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät.

I. Voranschlag für den Armeeaufwand im Jahre 1864

Der Kriegsminister hat in einem au. Vortrage die Schwierigkeiten dargestellt, mit der im laufenden Jahre für die Armee bewilligten Dotation, brecte mit jener Dotation, welche vom Finanzministerium (per 100 Millionen) als wünschenswert bezeichnet wurdea, auszulangen, und daran seine Anträge bezüglich des Militärvoranschlages für 1864 geknüpft1. Bevor Se. k. k. apost. Majestät über diesen letzteren Gegenstand eine Ah. Entschließung zu fassen geruhen, wünschen ihn Allerhöchstdieselben || S. 249 PDF || vom militärischen, politischen und finanziellen Standpunkte beleuchtet zu sehen.

FZM. Graf Degenfeld las hierauf infolge Ah. Aufforderung den bezüglichen Teil seines au. Vortrages, welcher die zur Durchführung der beabsichtigten Ersparnisse nötigen Reduktionen im Detail aufzählt, und bemerkte schließlich, es handle sich vor allem um die Beantwortung der Frage, ob und inwiefern die militärischpolitische Lage in Italien die Vornahme eingreifender Reduktionen gestatte. Hiebei aber sei der dermalige Bestand und die weitere Entfaltung der Streitmacht Sardiniens entscheidend. Oberst Ritter v. Kalik referierte, daß nach den im Evidenzhaltungsbüro des Generalquartierstabes zusammengestellten Daten die sardinische Armee in ganz Italien eine Stärke von 450.000 Mann hat, welche bis zum Jahresschlusse auf 480.000 Mann gestiegen sein wird. Allerdings befindet sich ein Teil davon auf Urlaub, kann jedoch in kurzer Frist wieder einberufen werden. Ferner steht eine weitere Verstärkung dieser Macht durch 120.000 mobile Nationalgarden in Aussicht, welche mindestens im Festungsdienste mit Nutzen verwendet werden können. Auf den vollen Pferdestand per 45.000 Stück gehen etwa 15.000 ab. Die sardischen Fuhrwesensbespannungen2 sind allerdings nur für die erste Linie vorhanden, aber dafür haben sie vor uns den Vorteil, die Bespannung der 2. und 3. Linie vom Lande beistellen lassen zu können. Geschütze, Waffen, Munition und Kriegsmaterial aller Art hat Sardinien bereits in großen Massen vorrätig oder doch durch Bestellungen in Frankreich, Belgien und England sichergestellt. Alle Maßnahmen des sardinischen Kriegsministeriums sind augenscheinlich darauf berechnet, bis zum Frühjahr 1865 vollkommen kriegsbereit und in der Lage zu sein, die Eroberung Venetiens mit einer wohleingeübten Armee von 250.000 Mann zu unternehmen. Der Kriegsminister äußerte hierauf, daß er in Erwägung dieser Eventualitäten und andererseits von dem Wunsche geleitet, dem Staatsschatze jede tunliche Erleichterung zuzuwenden, sich mit der Auffindung eines Mittelweges beschäftigt habe, wobei mittels einer mäßigen Erhöhung des Extraordinariums von 8 auf 12 Millionen in Italien nebst den zur Besetzung der Festungen nötigen Truppen noch 15.000 Mann disponibel bleiben und die nötigen Bespannungen beibehalten würden. Eine Skizze der entsprechenden Dispositionen wurde vorgelesen3.

Der Finanzminister drückte seine Überraschung über die vernommene glänzende Schilderung der sardinischen Macht aus, welche mit seinen, freilich nur aus Zeitungsberichten, dann aus Mitteilungen Rothschilds und anderer Bankiers entstandenen Vorstellungen vom Zustand der sardischen Armee sehr kontrastiert. Auf die Ziffernfrage übergehend, bemerkte der Minister, in beiden Häusern des Reichsrates sei man der Ansicht, daß die Militärdotation für 1864 mit bloß 100 Millionen zu bemessen wäre4. Nach dem soeben skizzierten Mittelwege würden 92 [Millionen] Ordinarium || S. 250 PDF || und 12 Millionen Extraordinarium, somit 104 Millionen im ganzen erforderlich werden. Dies sei um 4 Millionen mehr, und man sollte diese Differenz wenigstens auf 2 Millionen herabzumindern suchen. Der Polizeiminister sprach seine Überzeugung dahin aus, daß, solange die Revolution in Europa bald an diesem, bald an jenem Orte agitiert, eingreifende Reduktionen des Militäraufwandes „fromme Wünsche“ bleiben werden. Auch wolle er auf den moralischen Eindruck aufmerksam machen, den die fortgesetzten Reduktionen auf den Geist in unserer Armee hervorbringen müssen. Der Minister des Äußern [:] cEs hätten sich in neuester Zeit die Verhältnisse zum Ausland günstiger gestaltet, und für jetzt sei keine Störung des allgemeinen Friedens in Aussicht, aber er könne nur die zur Sprache gebrachten Rüstungen bestätigen, welche von Seite der piemontesischen Regierung mit beharrlichem Eifer durchgeführt werden. Ebenso kann er der von dem Herrn Polizeiminister entwickelten Ansicht nur vollkommen beipflichten. Er glaubt daher dem Herrn Kriegsminister die Frage unterlegen zu sollen, ob bei den in Piemont getroffenen Maßregeln und bei den Vorbereitungen in Frankreich und anderen Ländern Österreich auch nach Durchführung der vorgeschlagenen Reduktionen in der Lage sein würde, seine Armee in ebenso kurzer Zeit wieder auf schlagfertigen Fuß setzen zu können als Piemont oder Frankreich, und nicht der Gefahr sich ausgesetzt sehen würde, unvorbereitet angegriffen zu werdenb .

Im Laufe einer hierauf gepflogenen längeren Erörterung wurde die Möglichkeit anerkannt, durch manche noch während des laufenden Jahres einzuführenden Ersparnisse einen namhaften Geldrest zu gewinnen, welcher der Gebarung von 1864 zugute käme, so daß die Dotation des künftigen Jahres entsprechend vermindert werden könnte. Dagegen waren die mehreren Stimmen auch darüber einig, daß man vor den Reichsrat nicht mit einer bereits auf das äußerste restringierten Forderung treten solle, weil mit voller Sicherheit darauf zu zählen ist, daß das Abgeordnetenhaus es als seines Amtes betrachten wird, selbst von dem unabweisbaren Erfordernisse 1–2 Millionen abzubrechen.

Se. Majestät geruhten schließlich den Kriegsminister Ah. zu beauftragen, daß er das Armeebudget für 1864 auf Grundlage des skizzierten Mittelweges und unter Anwendung der oberwähnten Vorsicht behufs der Vorlage an den Reichsrat im Detail ausarbeiten lasse5.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 17. Februar 1863. Empfangen 17. Februar 1863. Erzherzog Rainer.