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Nr. 317 Ministerrat, Wien, 29. Jänner 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 4. 2.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein, Mažuranić (nur bei IV anw.); BdR. Erzherzog Rainer 20. 2.

MRZ. 1121 – KZ. 570 –

Protokoll des zu Wien am 29. Jänner 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Entwurf einer Bauordnung für Linz

a Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag des Ministers Ritter v. Lasser vom 11. Jänner 1863 betreffend den an den oberösterreichischen Landtag vorzulegenden Entwurf einer Bauordnung für Linz1.

Der Staatsrat hat sich mit dem Entwurfe im Wesen vollkommen einverstanden erklärt, bis auf die Bestimmung, wonach als erste Instanz in Bausachen die Gemeindevertretung zu fungieren hat. Es wäre vielmehr angezeigt, hiezu den Gemeindevorstand – Magistrat – zu bezeichnen, denn dieser allein ist das vollziehende und verwaltende Organ der Stadtgemeinde, und ihm liegt die Handhabung der Gesetze ob. Ferner sei zu erwarten, daß die Geschäfte bei dieser Instanz eine schnellere, mehr sachgemäße und leidenschaftslose Erledigung finden werden. Minister Ritter v. Lasser erklärte, sich der vorgeschlagenen Modifikation, welche auch mit der Bauordnung für Wien vom Jahre 1859 im Einklang steht, zu konformieren2.

II. Gesuche der Slowaken in Oberungarn in bezug auf ihre Sprache und Nationalität

Der Staatsratspräsident referierte über den Vortrag der ungarischen Hofkanzlei betreffend die Gesuche: 1. einer slowakischen Deputation aus Oberungarn wegen Abstellung mehrerer Beschwerden der dortigen slowakischen Bewohner und Bildung eines eigenen slowakischen Distrikts, und 2. des Bischofs Moyses von Neusohl um Berücksichtigung der slowakischen Sprache als Unterrichtssprache in den Schulen seines Sprengels3.

Der Staatsrat hat sich im wesentlichen mit der Meinung der ungarischen Hofkanzlei geeinigt, daß beide Gesuche sich zur Bewilligung nicht eignen. Doch scheint der von der ungarischen Hofkanzlei vorgeschlagene Entwurf der Ah. Resolution noch einer Ergänzung zu bedürfen, weil a) der Punkt des ersten Gesuches, welcher sich auf die Rechte der Slowaken hinsichtlich der Sprache bezieht, jetzt noch nicht als erledigt angesehen werden kann, sondern seine Erledigung erst durch das infolge Ah. Handschreibens vom 27. Julius 1862 auszuarbeitende Gesetz erhalte4 b). In dem letzten Absatze wäre das Wort „genehmigend“ vor „zur Kenntnis“ wegzulassen, weil die betreffenden Anordnungen der Hofkanzlei keinen abgesonderten Gegenstand einer Ah. Erledigung gebildet haben, daher noch nicht als Ah. genehmigt betrachtet werden können. c) Endlich dürfte, nach dem Wunsch der Bittsteller, die Berücksichtigung der slowakischen Nationalität bei der Besetzung von politischen und Justizämtern in den slowakischen Komitaten Allerhöchstenortes angeordnet werden. Freiherr v. Lichtenfels las hierauf den vom Staatsrate beantragten Resolutionsentwurf, gegen dessen Fassung der ungarische Hofkanzler keine Erinnerung erhob und bemerkte, daß in der zum Vollzug des Ah. Handschreibens vom 27. Julius zusammengesetzten Kommission, an welche das Gesuch geleitet werden wird, der slowakische R[egierungs]rat Francisci Beisitzer sei.

Der Ministerrat fand gleichfalls gegen die staatsrätlichen Anträge nicht zu erinnern5.

III. Interpellation über die Einbringung einer Landtagsvorlage wegen der Geschwornengerichte

Minister Dr. Hein brachte die Interpellation des Abgeordneten Hann im obderennsischen Landtage zur Sprache, worin die Frage gestellt wird, ob während || S. 220 PDF || der gegenwärtigen Session eine Regierungsvorlage wegen Einführung der Geschworenengerichte eingebracht werden wird6.

Der Minister erörterte vorerst die Frage, ob die Regierung überhaupt verpflichtet sei, die von einem einzelnen Abgeordneten oder einer Minorität in den Landtagen gestellten Fragen oder Interpellationen über legislative Gegenstände zu beantworten. Referent glaube nein. Dem Landtage dürfte ein solches Recht als Korollar der Befugnis zur Stellung von Anträgen auf Erlassung von Gesetzen nicht bestritten werden können. Die Hannsche Interpellation aber ist nicht von der Majorität des Landtages ausgegangen. Wenn sich indessen der Ministerrat doch dafür entscheidet, diese Interpellation durch Hofrat v. Schwabenau7 beantworten zu lassen, so dürfte die Antwort dahin lauten: „Eine Vorlage dieser Art werde im Laufe der gegenwärtigen Session nicht eingebracht werden, weil der Landtag nicht eher vernommen werden kann, bevor die Reglung des Instituts der Geschwornengerichte durch ein von Sr. Majestät über Antrag des engeren Reichsrates sanktioniertes Gesetz festgestellt sein wird.“ Wenn nämlich die Landtage nicht die Bestimmungen des Gesetzes über gewisse Punkte genau kennen, vermögen sich dieselben auch nicht mit Beruhigung über dessen Anwendung in ihrem Lande auszusprechen.

Minister Ritter v. Lasser teilt ganz die Meinung der Vorstimme, daß und warum in dieser Session keine solche Regierungsvorlage zu machen sei, glaubt aber, daß der oberösterreichische Landtag durch seine bisherige Haltung es nicht verdient habe, die fragliche Interpellation mit besonderer Bereitwilligkeit beantwortet zu sehen8. Erst nach wiederholter Anfrage dürfte daher eine Antwort, und zwar bdiesem Landtage gegenüberb bloß dahin erteilt werden, „daß in dieser Session keine Regierungsvorlage über die Geschwornengerichte eingebracht werden wird“. Minister Dr. Hein bemerkte, daß, nachdem die Minister im Abgeordnetenhause wiederholt erklärt haben, das Gesetz über die Geschwornengerichte werde den Landtagen vorgelegt werden, die Erwartung einer solchen Regierungsvorlage ganz natürlich und eine diesfällige Anfrage nicht befremdend sei. Darum scheine es auch angezeigt, über eine solche Frage den Grund ganz kurz anzugeben, warum heuer keine Vorlage erfolgt. Der Staatsminister , welcher eine Interpellation dieser Art gleichfalls für nicht unberechtigt hält, teilet in bezug auf ihre Beantwortung die Meinung des Ministers Dr. Hein, glaubt aber, daß man sich vorderhand in Linz der Erteilung einer Antwort füglich enthalten könne. Die Frage werde übrigens auch von Krain aus gestellt werden. Der Staatsratspräsident äußerte, daß, nachdem einmal das Prinzip angenommen worden ist, die Landtage über die Einführung der Geschwornengerichte zu vernehmen, er im Wesen dem Antrag des Referenten über die || S. 221 PDF || Beantwortung solcher Interpellationen teile, nur hielte Baron Lichtenfels es für vorsichtig, in derselben die Vernehmung der Landtage näher als eine „gutächtliche“ zu präzisieren, damit nicht daran zu weitgehende Folgerungen geknüpft werden. Der Polizeiminister ist der Meinung, daß die Stellung von Interpellationen in Angelegenheiten der Administration eines Landes zu den Befugnissen des bezüglichen Landtages gehören dürfte; dagegen dürften Interpellationen in Reichsangelegenheiten als unberechtigt nicht beantwortet werden. Im vorliegenden Fall aber finde die Anfrage einen genügenden Anhaltspunkt in den Erklärungen der Minister im Reichsrat, und es dürfte daher die Antwort nicht wohl so kurz gefaßt werden können, als Ritter v. Lasser beantragt; dagegen habe aber auch der Leiter der oberösterreichischen Statthalterei die Antwort nicht mit Berufung auf höhere Weisung, sondern bloß von seinem Standpunkte aus zu erteilen. Minister v. Lasser formulierte im Sinn des Antrages der Vorstimme die Antwort des Hofrates v. Schwabenau beiläufig in folgender Weise: „Eine Regierungsvorlage in bezug auf die Einführung der Geschwornengerichte ist mir bis jetzt nicht zugekommen; ich vermöchte aber auch nicht deren Einbringung im Lauf der gegenwärtigen Landtagssession in Aussicht zu stellen, weil“ etc. (folgt die Motivierung des Ministers Dr. Hein mit Baron Lichtenfels’ Zusatz).

Der Ministerat fand gegen diese Textierung nichts zu erinnern und wird dieselbe vom Leiter des Justizministeriums mit dem Staatsminister definitiv redigiert werden9.

IV. Verhältnis des Handelsministeriums zu den ungarischen, siebenbürgischen und kroatischen Handelskammern

Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag des Ministers für Handel und Volkswirtschaft vom 2. Dezember 1862 betreffend die Stellung seines Ministeriums zu den Handelskammern in Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien10.

Nach kurzer Darstellung des Konfliktes, der sich in dieser Beziehung zwischen dem Handelsminister und der ungarischen wie auch der siebenbürgischen Hofkanzlei ergeben hat11, motivierte Referent das von ihm geteilte Gutachten des Staatsrates, welcher sich mit dem au. Antrage des Handelsministers auf Erlassung folgender Ah. Resolution vereinigte: „Das Gesetz vom 18. März 1850 (über die Handels- und Gewerbekammern)12 hat in Meinen Königreichen Ungarn, Kroatien und Slawonien und in Meinem Großfürstentum Siebenbürgen in seinem ganzen Umfange in Geltung zu bleiben. Die unmittelbare Unterordnung der in diesen Ländern bestehenden Handels- und Gewerbekammern unter Mein Handelsministerium ist aufrechtzuhalten, welch letzteres in den die Mitwirkung der politischen Verwaltungsbehörden bedingenden || S. 222 PDF || Fällen die bezüglichen Mitteilungen an die Hofkanzleien jener Länder richten wird.“ Über Verlangen des ungarischen Hofkanzlers wurden auch die Gutachten der minderen Stimmen des Staatsrates (Graf Almásy, Baron Ožegović) vorgelesen, welche keinen hinreichenden Grund finden, den obersten politischen Behörden Ungarns die infolge des Oktoberdiplomesc geübte Oberaufsicht über die Gebarung der ungarischen Handelskammern zu entziehen. Im Laufe der über diesen Gegenstand gepflogenen langen und eindringlichen Erörterung wurden im wesentlichen folgende Äußerungen abgegeben.

Der ungarische Hofkanzler erklärte, er sei weit entfernt, die Kompetenz des Handelsministeriums bezüglich Ungarns – sofern es nur allgemeine Handelssachen der Monarchie betrifft – in Abrede zu stellen, aber er müsse gegenwärtig halten, daß am 20. Oktober der alte administrative Wirkungskreis der ungarischen Dikasterien wiederhergestellt wurde, damals gar kein Handelsministerium bestand, und zwar ein neues, jedoch ohne administrativen Wirkungskreis zu gründen beschlossen worden sei. Diese später ins Leben getretene Schöpfung habe den Wirkungskreis der bereits reaktivierten ungarischen Behörden in Handelssachen umso weniger beeinträchtigen können, als am Schlusse des mit Ah. Entschließung vom 10. April 1861 (RGBl. S. 393) festgesetzten Wirkungskreises des Handelsministeriums ausdrücklich bestimmt wird, daß durch diese Geschäftseinteilung der sonstige Wirkungskreis der bei den einzelnen Angelegenheiten mitbeteiligten Zentralbehörden nicht berührt wird. Graf Forgách beabsichtige keineswegs, den Verkehr des Handelsministeriums mit den Handelskammern et vice versa zu hemmen, sondern er beanspruche bloß für sich die Vermittlung desselben, welche ja nur förderlich für die Zwecke des Ministeriums sein kann, weil sie demselben die Unterstützung der Landesbehörden nach allen Seiten sichert, die Verdolmetschung der Eingaben und Akten aus den Landessprachen verschafft und selbst der Beschleunigung des Geschäftsganges nützlich sein kann. Eine Republikation des Gesetzes über die Handelskammern oder ein Ah. Ausspruch über dessen fortdauernde Gültigkeit sei in Ungarn weder notwendig noch selbst wünschenswert. Der Staatsratspräsident entgegnete, daß durch die Wiederherstellung der alten ungarischen Behörden das Gesetz über die Handelskammern nicht aufgehoben worden sei, folglich der ddarin festgesetzted direkte Verkehr der Kammern mit der Reichshandelsbehörde noch zu Recht bestehe. Sobald man diesen Verkehr nicht zugibt, negiere man also den gesetzlichen Wirkungskreis des Handelsministeriums, wie er 1861 festgestellt wurde. Von einer Förderung des Verkehrs und der Handelsinteressen durch die Landesbehörden sei nichts zu bemerken, wohl aber fehlt es nicht an Beschwerden in entgegengesetzter Richtung. Minister Graf Nádasdy referierte, das Handelsministerium habe am 7. Oktober 1861 an die siebenbürgische Hofkanzlei das Ansuchen gestellt, die Handels- und Gewerbekammern in Kronstadt und Klausenburg zur schleunigen Vorlegung der Jahresrechnungen für 1860 und der Präliminare für 1862 anzuweisen. Die Hofkanzlei habe am 17. d. M. erwidert, daß sie sich mit Hinblick auf das kaiserliche Diplom vom 20. Oktober 1860 wieder so wie früher, als die verfassungsmäßige Zentralstelle || S. 223 PDF || in den Verwaltungsangelegenheiten Siebenbürgens ansehe, es werde jedoch von ihr gleichzeitig an das Landesgubernium der Auftrag erlassen, die gedachten Handelskammern zur unverweilten Einsendung ihrer Rechnungen für 1860 anzuweisen, welche man dem Handelsministerium nach Wunsch mitteilen werde. Diese Note blieb ohne Entgegnung, und somit scheine sich das Handelsministerium damit zufriedengestellt zu haben. Graf Nádasdy finde daher von seinem Standpunkt gegen diesen, von der siebenbürgischen Hofkanzlei noch vor seiner Amtsleitung eingehaltenen Vorgang ein dem konkreten Falle nichts zu erinnern und wolle nur noch bestätigen, daß sich seitdem zwischen dem Handelsministerium und der Hofkanzlei in bezug auf das Verhältnis des ersteren zu den Handelskammern kein Anstand ergeben habe. Das Ministerium möge daher fortan von den Kammern die gewünschten Aufklärungen, statistischen Daten und sonstigen Berichte über Handelsangelegenheiten, wobei dritte Personen nicht beteiligt sind, direkt abfordern und erledigen. Allein in allen Fällen, wo das Handelsministerium Aufträge erläßt oder Verfügungen trifft, wozu später die Assistenz der politischen Behörden notwendig werden dürfte, müsse Minister Graf Nádasdy in Anspruch nehmen, daß die Korrespondenz im Wege der siebenbürgischen Hofkanzlei stattfinde. Der Handelsminister hob heraus, daß der Konflikt nicht durch Übergriffe seinerseits, sondern dadurch herbeigeführt wurde, daß die siebenbürgische und später die ungarische Hofkanzlei den auf dem bestehenden Gesetz über die Handelskammern (insbesondere die §§ 5 und 9 desselben) beruhenden Wirkungskreis des Ministeriums beeinträchtigen wollten. Die ungarische Hofkanzlei ging soweit, dem Handelsministerium jeden direkten Verkehr mit den demselben gesetzlich direkt untergeordneten Kammern zu bestreiten! Daß das Handelsministerium nach den Bestimmungen vom 20. Oktober keinen eigentlichen administrativen Wirkungskreis erhalten sollte, änderte nichts in den damaligen Beziehungen der Handelskammern zum Finanzministerium, bei dem sich am 20. Oktober die oberste Handelsleitung konzentrierte; und als später Se. Majestät dem Handelsministerium doch einen administrativen Wirkungskreis Ah. zuzuweisen fanden, gingen infolge Ah. Entschließung vom 10. April 1861 die Angelegenheiten der Handelskammern auf das letztere Ministerium über. Dies läßt sich nicht bestreiten! Graf Wickenburg wies ferner darauf hin, daß die Handelskammern keine politische Behörde, sondern ein konsultatives Organ des Reichshandelsministeriums sind und es schon im Interesse eines einfachen und schnellen Geschäftsganges nicht angezeigt erscheine, jede Korrespondenz zwischen denselben auf den langen und zeitraubenden Weg durch die Hofkanzlei und Statthalterei zu leiten. Dagegen, daß die Jahresrechnungen und Voranschläge ihren Lauf durch die Hofkanzleien nehmen, walte kein Anstand; die Prüfung und Richtigstellung derselben durch das Handelsministerium aber erscheine schon aus dem Grunde angezeigt, weil manche Kammern, z. B. jene in Kronstadt, nur durch die Unterstützungen aus dem Staatsschatze ihr Dasein fristen. Graf Wickenburg müsse daher seine Meinung als sowohl durch das Gesetz als durch die Opportunität begründet ansehen. Der kroatisch-slawonische Hofkanzler glaubte in bezug auf die Handelskammern zwei Kategorien || S. 224 PDF || von Geschäften unterscheiden zu sollen. 1. Die Geschäfte, die den materiellen und Personalstand der Handelskammern betreffen, die sich daher auf die Zusammensetzung der Kammern, ihr Präsidium und die Vorschreibung, Einhebung und Verrechnung der Beiträge der Industriellen zu deren Unterhalt beziehen. 2. Die eigentlichen Handelssachen: Erstattung von Gutachten, Vorlage statistischer Daten, Anträge und Wünsche des Handels- oder Gewerbsstandes. Die Agenden der ersten Kategorie berühren die politisch-administrative Sphäre, und bei deren Durchführung bedarf man in der Regel des Beistandes der politischen Behörden. Der Hofkanzler glaubt daher, daß es der Sachlage ganz angemessen und im Interesse des Handelsministeriums selbst gelegen wäre, wenn diese materiellen Angelegenheiten der Behandlung der Statthalterei – rücksichtlich der könglichen Hofkanzlei – gegen Mitteilung des Resultates überlassen würde. In Absicht auf die direkte Verhandlung zwischen dem Ministerium und den Kammern über die Agenden der zweiten Kategorie walte dagegen kein Anstand. Bezüglich der Republizierung des Gesetzes über die Handelskammern teile der Hofkanzler die Meinung des Grafen Forgách. Der Handelsminister erklärte, er könne den Einfluß auf die Wahlbestätigung des Präsidenten der Handelskammer nicht aufgeben, weil von der Persönlichkeit desselben die Tätigkeit der Kammer im Sinn des Ministeriums hauptsächlich abhängt.

Der Staats- sowie der Marineminister vereinigten sich mit dem Antrage des Handelsministers, während der Minister des Äußern den vom Minister Grafen Nádasdy und dem kroatisch-slawonischen Hofkanzler ausgesprochenen Meinungen beitrat. Der Polizeiminister bemerkte, daß wenn man beiderseits auf dem bloß formalen Standpunkt beharrt, aus dieser Komplikation kaum ein Ausweg zu finden sei; denn während einerseits das Gesetz über die Handelskammern in Kraft besteht, habe die Anwendung desselben in den Ländern der ungarischen Krone durch die Ah. Beschlüsse vom 20. Oktober doch fwenigstens in bezug auf die Form der Geschäftsbehandlungf eine Modifikation erlitten. In einem solchen Falle erscheint es ihm rätlich, mit Aufgebung des grein formelleng Standpunktes jene Mittel zu vereinbaren, wodurch dem Zwecke des Gesetzes und dem Besten des Dienstes am meisten entsprochen wird. Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint es am wichtigsten, dem Handelsministerium, hwelchem nach dem Geiste des Gesetzes die Handelskammern in oberster Linie unterordnet bleiben müssenh, den nötigen, iund zwar entscheidendeni, Einfluß auf die Zusammensetzung der Handelskammern und die Wahl des Präsidenten unter entsprechender Mitwirkung der Statthaltereien und Hofkanzleien zu wahren, in den reinen Handelsangelegenheiten den direkten Verkehr des Ministeriums mit den Kammern aufrechtzuerhalten rücksichtlich wiederherzustellen, jin allen administrativen Angelegenheiten, welche übrigens ohne Mitwirkung der politischen Verwaltungsorgane ohnehin vom Handelsministerium nicht entschieden und durchgeführt werden können, dem letzteren das Einvernehmen mit [den] Hofkanzleien zur Pflicht zu machen. Insoferne nun über diese Grundsätze ein Zwiespalt zwischen den Zentralbehörden besteht, müsse dieser durch einen in obigem Sinne zu beantragenden Ah. Ausspruch gelöst werdenj in allen administrativen Angelegenheiten, welche übrigens ohne Mitwirkung der politischen Verwaltungsorgane ohnehin vom Handelsministerium nicht entschieden und durchgeführt werden können, dem letzteren das Einvernehmen mit [den] Hofkanzleien || S. 225 PDF || zur Pflicht zu machen. Insoferne nun über diese Grundsätze ein Zwiespalt zwischen den Zentralbehörden besteht, müsse dieser durch einen in obigem Sinne zu beantragenden Ah. Ausspruch gelöst werden. Minister Ritter v. Lasser findet, die an sich minder bedeutende Frage über die Korrespondenz des Handelsministeriums mit den Handelskammern in jenen Ländern erhalte erst dadurch einige Wichtigkeit, daß man dieselbe mit den prinzipiellen „ungarischen Fragen“ in Zusammenhang bringt. Soviel sei gewiß, daß am 20. Oktober niemand daran gedacht hat, das Verhältnis des Handelsministeriums zu den Handelskammern irgendwie zu stören, und es hätten daher die letzteren jedenfalls in oberster Linie dem Handelsministerium untergeordnet zu bleiben. Dem Ministerium dürfte es ferner unbenommen bleiben, unmittelbar Gutachten, Ausweise etc. von den Kammern abzufordern und entgegenzunehmen. In den übrigen administrativen Handelskammerangelegenheiten aber hätte der Minister mit der betreffenden Hofkanzlei das Einvernehmen zu pflegen, damit von der letzteren die in den übrigen Ländern durch die politische Landesstelle dem Handelsminister gegenüber vermittelte Wahrnehmung des politischen Standpunkts geschehen könne. Auf diese Weise würde keine auch nur teilweise Übertragung des gesetzlichen Wirkungskreises des Handelsministers an die Hofkanzler Platz greifen. Der Finanzminister erkennt die Schwierigkeit in diesem so wie in manchen anderen Fällen hauptsächlich in dem Umstand, daß die ungarischen Fragen nicht gelöst sind. Hiezu kommt noch hier, daß dem Handelsminister in den ungarischen Ländern keine besonderen Behörden als Vollzugsorgane zu Gebot stehen wie dem Finanzminister. Der Handelsminister muß daher nicht selten die Hilfe der politischen Landesbehörden in Anspruch nehmen. kDie Landesbehörden (Statthaltereien) der nichtungarischen Länder stehen in Verkehr und in unmittelbarer Korrespondenz mit dem Handelsminister, die ungarische Statthalterei verweigert diesen Verkehr. Der Handelsminister muß daher als Ersatz dafür die Korrespondenz mit einem anderen, in Handelssachen die politischen Interessen wahrnehmenden Organe pflegen. Dieses Organ kann nur die ungarische Hofkanzlei sein, daher in allen das Oeconomicum, das Personale, die Umlagen usw. der Handelskammer betreffenden Fragen der Verkehr des Handelsministers mit dem Herrn ungarischen Hofkanzler angezeigt erscheintk . Über die diesfälligen Modalitäten und über die übrigenl Gegenstände des direkten Verkehres zwischen dem Handelsministerium und den Kammern m(als Gutachten, Nachweisungen usw.)m dürfte es daher am besten sein, ein gütliches Übereinkommen zwischen den beteiligten Zentralstellen in der von den beiden Vorstimmen angedeuteten Weise zu treffen. Dadurch würde auch vermieden, ein Ah. Reskript in dieser Angelegenheit erlassen zu müssen, nauf dessen Unterbleiben ich hohen Wert legen würde, indem die Hereinziehung der Ah. Person des Monarchen für wichtigere Gegenstände reserviert werden sollten . In ähnlicher Weise sprachen sich die Minister Graf Degenfeld, Graf Esterházy und Freiherr v. Burger aus, und auch Minister Graf Nádasdy würde vorziehen, diese Angelegenheit durch eine Vereinbarung als durch eine Ah. Entscheidung über || S. 226 PDF || die theoretische Frage geschlichtet zu sehen. Minister Dr. Hein kann heute die Sache noch nicht als spruchreif betrachten. Wenn aber doch heute ein Beschluß gefaßt werden will, müsse er sich im wesentlichen mit dem Antrage des Staatsrates einverstanden erklären. Von der obersten Reichsbehörde in Handelsangelegenheiten konnte kein Attribut an die Hofkanzleien übergehen. Allein die Maßnahmen des Handelsministers in den Ländern der ungarischen Krone scheitern an dem Umstand, daß die dortigen Statthaltereien demselben nicht, gleich den in den übrigen Ländern, untergeordnet sind; oder der Minister ist doch bei jedem Schritte von dem guten Willen der Hofkanzleien abhängig. Diesem Übelstande ließe sich nun vielleicht dadurch begegnen, daß die Finanzbehörden in jenen Ländern dem Handelsminister als Vollzugsorgane untergeordnet würden. Der Präsident des Staatsrates erinnert an die Notwendigkeit, daß das Verhältnis der Handelskammern bald geregelt werde. Jetzt ist es schon dahin gekommen, daß die ungarischen Handelskammern die Anfragen des Ministeriums unbeantwortet lassen. Die diesfalls zugrunde liegenden höheren Weisungen müssen daher zurückgenommen werden. oSoll dieser Gegenstand im Wege des Einverständnisses auf jene Weise beigelegt werden, wie es von dem Grafen Nádasdy als Leiter der siebenbürgischen Hofkanzlei angedeutet worden ist, so würde der Beschluß dahin zu formulieren sein: „daß die in dem Gesetze über die Handelskammern gegründete unmittelbare Unterordnung derselben unter das Handelsministerium auch für Ungarn, Kroatien, Slawonien und Siebenbürgen aufrechtzuerhalten und daher das Handelsministerium in der Regel unmittelbar mit den Handelskammern zu korrespondieren berufen sei, daß jedoch in Fällen, wo es sich um Aufträge oder Verfügungen handelt, zu deren Durchführung die Assistenz der politischen Behörde erforderlich ist, die Korrespondenz im Wege der betreffenden Hofkanzlei stattzufinden habe.“o Graf Wickenburg trat dieser Meinung vollkommen bei, indem er sich gegen jede meritorische Änderung des bestehenden Gesetzes über die Handelskammern erklärte pund eine solche Verantwortung gar nicht auf sich nehmen könntep . Der ungarische Hofkanzler erklärte sich schließlich einverstanden, daß diese Angelegenheit durch eine Vereinbarung zwischen dem Hofkanzler und dem Handelsminister in dem vom Polizeiminister bezeichneten Sinne geordnet werde, und behielt sich vor, die ungarischen Behörden im administrativen Wege zur genauen Darnachachtung anzuweisen.

qDer Polizeiminister bemerkte nun, daß nach der vorstehenden Erklärung des königlich ungarischen Herrn Hofkanzlers der Grund, aus welchem ein Ah. Ausspruch Sr. Majestät hervorgerufen werden solle, entfallen dürfte, nachdem der Herr Hofkanzler die unmittelbare Korrespondenz in reinen Handelssachen zugestehe und nach seiner früheren Äußerung von ihm der aufrechte Bestand des Handelskammergesetzes auch für Ungarn gar nicht in Zweifel gezogen werde. Es dürfte daher die Ausgleichung der bestandenen Differenz durch diesen Ministerratsbeschluß einfach konstatiert und durch entsprechende Weisungen an die Behörden und Handelskammern, welche im Sinne seines früheren Votums durch Einverständnis des Herrn Handelsministers mit dem Herrn Hofkanzler zu formulieren wären, der künftige Geschäftsgang in Handelskammerangelegenheiten vorläufig geregelt werdenq Der Polizeiminister bemerkte nun, daß nach der vorstehenden Erklärung des königlich ungarischen Herrn Hofkanzlers der Grund, aus welchem ein Ah. Ausspruch Sr. Majestät hervorgerufen werden solle, entfallen dürfte, nachdem der Herr Hofkanzler die unmittelbare Korrespondenz in reinen Handelssachen zugestehe und nach seiner früheren Äußerung von ihm der aufrechte Bestand des Handelskammergesetzes auch für Ungarn gar nicht in Zweifel gezogen werde. Es dürfte daher die Ausgleichung der bestandenen Differenz durch diesen Ministerratsbeschluß einfach konstatiert und durch entsprechende Weisungen an die Behörden und Handelskammern, || S. 227 PDF || welche im Sinne seines früheren Votums durch Einverständnis des Herrn Handelsministers mit dem Herrn Hofkanzler zu formulieren wären, der künftige Geschäftsgang in Handelskammerangelegenheiten vorläufig geregelt werden. Der Minister Graf Nádasdy, der Handelsminister und der kroatisch-slawonische Hofkanzler waren mit dieser Erledigung des Gegenstandes im Wege der Vereinbarung gleichfalls einverstanden, und von den übrigen Stimmführern wurde schließlich keine Erinnerung mehr dagegen erhoben. rDer Handelsminister erklärte insbesondere noch, daß er diese Vereinbarung nur insoferne verstehe, daß er, ohne an dem Reichsgesetze selbst etwas zu ändern, stets gerne bereit sein werde, sich in der Durchführung desselben bei allen administrativen Maßregeln, wie er es schon bisher zu tun beflissen war, mit den betreffenden Herrn Hofkanzlern in das jedesmalige Einvernehmen zu setzenr Der Handelsminister erklärte insbesondere noch, daß er diese Vereinbarung nur insoferne verstehe, daß er, ohne an dem Reichsgesetze selbst etwas zu ändern, stets gerne bereit sein werde, sich in der Durchführung desselben bei allen administrativen Maßregeln, wie er es schon bisher zu tun beflissen war, mit den betreffenden Herrn Hofkanzlern in das jedesmalige Einvernehmen zu setzen, 13.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 20. Februar 1863. Empfangen 20. Februar 1863. Erzherzog Rainer.