Nr. 295 Ministerrat, Wien, 10. Dezember 1862 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Schurda; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 10. 12.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Esterházy; abw.abwesend Lasser, Pratobevera, Burger, Forgách; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 28. 12.
MRZ. 1101 – KZ. 3960 –
Protokoll des zu Wien am 10. Dezember 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.
I. Gesetzentwürfe über die Landesverteidigungs- und Schießstandsordnungen für Tirol und Vorarlberg
Der Staatsratspräsident referierte in Hinsicht der vom Staatsminister vorgelegten, im Staatsrate begutachteten Entwürfe der Regierungsvorlagen für die Landtage in Tirol und Vorarlberg über definitive Landesverteidigungs- und Schießstandsordnungena, 1.
Dem Staatsrate ergab sich gegen das Wesen dieser Gesetzesentwürfe keine Erinnerung. Von einigen Stimmen sei jedoch die Frage aufgeworfen worden, ob nicht mit Rücksicht auf den § 10 des Grundgesetzes vom 26. Februar hier die Kompetenz des Reichsrates eintrete, weil diese Entwürfe sich auch auf die Ordnung der Militärpflicht beziehen2. Die Majorität des Staatsrates teile diese Bedenken nicht, weil durch die vorliegenden Entwürfe keine neue Einrichtung geschaffen, sondern nur neue Normen gegeben werden sollen für die seit Jahrhunderten schon in Tirol gesetzlich bestehende Landesverteidigung. Der vortragende Präsident habe sich dieser Stimmenmehrheit angeschlossen, weil durch die fraglichen Entwürfe das Heeresergänzungsgesetz nicht geändert werde, da Tirol auch dermalen nur ein geringes Rekrutenkontingent stelle und die Militärpflicht dieses Landes auf die Ergänzung des Kaiserjägerregiments auch bisher schon beschränkt war.
Der Staatsminister , welcher die Bemerkung vorausschickte, daß diese Gesetzentwürfe mit dem Kriegsministerium vereinbart wurden und sich hiebei keine Differenz zeigte, teilte vollkommen die Ansicht des Staatsratspräsidenten rücksichtlich der staatsrätlichen Majorität, daß das Heeresergänzungsgesetz hiedurch keineswegs alteriert werde und daß die ganze Frage nur Tirol berühre, somit als eine spezielle Landesangelegenheit in die Kompetenz des Tiroler Landtages falle.
Hierwegen ergab sich dem Ministerrat keine weitere Erinnerung3.
II. Vorlage des Gebührengesetzes und des Gesetzes über die Kontrolle der Staatsschuld zur Ah. Sanktion
Der Finanzminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß er das Gebührengesetz und das Gesetz über die Kontrolle der Staatsschuld durch den Reichsrat zur Ah. Sanktion vorzulegen in der Lage ist4.
Bezüglich des Gebührengesetzes komme zu bemerken, daß bei dem früheren Gebührengesetze5 nicht bloß der Finanzminister, sondern auch der Justizminister mit dem Vollzuge desselben beauftragt und das Gesetz von diesen beiden Ministern kontrasigniert war, was bei dem gegenwärtigen Gesetze bezüglich Ungarns einige Verlegenheiten bereiten würde, daher es zweckmäßig wäre, wenn diesmal dieses Gesetz bloß von dem Finanzminister kontrasigniert wird. Ferner erachtete der Finanzminister, daß in Absicht auf die Publikation dieser beiden Gesetze von der Regel abgegangen und dieselben gleich nach Herablangen der Ah. Sanktion publiziert werden, was bezüglich des Gesetzes über die Kontrolle der Staatsschuld deshalb notwendig sei, weil die Mitglieder dieser Kommission noch in dieser Session gewählt werden müssen, und bezüglich des Gebührengesetzes, weil jeder Tag des Verschubes ein Verlust für die Finanzen wäre.
Der Ministerrat war in allen Beziehungen einverstanden6.
Wien, am 10. Dezember 1862. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 27. Dezember 1862. Empfangen 28. Dezember 1862. Erzherzog Rainer.