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Nr. 272 Ministerrat, Wien, 15. Oktober 1862 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 18. 10.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, FML. Schmerling; abw. Degenfeld, Burger; BdR. Erzherzog Rainer 10. 12.

MRZ. 1076 – KZ. 3259 –

Protokoll II des zu Wien am 15. Oktober 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Landesgesetz über die Konkurrenz bei Kirchen- und Pfründengebäuden

Der Staatsminister referierte über den anverwahrten Entwurf eines Landesgesetzes, betreffend die Bestreitung der Kosten der Herstellung und Erhaltung der katholischen Kirchen- und Pfründengebäude, dann der Beischaffung der Kirchenparamente, Einrichtung und Erfordernissea, 1. Vor allem beleuchtet Ritter v. Schmerling die Frage, ob der engere Reichsrat oder die Landtage zur Mitwirkung || S. 290 PDF || bei Erlassung dieses Gesetzes berufen seien. Das Gremium des Staatsrates habe den engeren Reichsrat für kompetent gehalten, da es sich um die Regelung der Kirchenbaukonkurrenz und des Kirchenpatronats handle, welche Gegenstände der allgemeinen Gesetzgebung sind, und da es ferner wünschenswert sei, mindestens in den Grundprinzipien eine gleichmäßige Regelung dieser hochwichtigen Angelegenheit eintreten zu lassen2.

Der Präsident des Staatsrates sei dagegen der Meinung, daß es nicht unbedingt nötig ist, die Erlassung der vorliegenden Normalvorschrift vom engeren Reichsrate abhängig zu machen, zumal es sich nicht darum handelt, solche Grundsätze abzuändern, welche gegenwärtig durch allgemeine, für alle Länder des engeren Reichsrates erlassene Gesetze festgesetzt sind, sondern die in Rede stehende Konkurrenz in den einzelnen Kronländern durch Partikularvorschriften geregelt ist. Der Staatsminister , dieselbe Meinung teilend, glaube sich einer näheren Erörterung darüber enthalten zu können, nachdem Se. k. k. apost. Majestät sich bereits über die diesfällige Kompetenz der Landtage Ah. ausgesprochen haben3. Im Verlaufe des Referats über die einzelnen Bestimmungen des Entwurfes erwähnte der Staatsminister, daß der Staatsrat geglaubt habe, die Patrone von ihrer im Normal von 18054 ausgesprochenen Verpflichtung zur Konkurrenz entheben und bloß die Gemeinden in Anspruch nehmen zu sollen. Ritter v. Schmerling könne sich aber nicht bestimmt finden, von seinem au. Antrage, die nach § 8 zu ermäßigende Patronatslast aufrechtzuerhalten, abzugehen und dadurch den Patronatsgutsbesitzern auf Unkosten der Gemeinden ein Geschenk zu machen. Jeder Käufer eines Gutes bringt bvon jeher alle, somit auchb die kapitalisierten Patronatslasten vom Kaufschillinge als ein Passivum in Abschlag. Die völlige Enthebung von diesen altherkömmlichen und gewohnten Lasten wäre daher ein durch nichts motivierter Gewinn, gegen dessen Zuwendung Billigkeit und Opportunität streiten. Der Staatsratspräsident erklärte sich mit dem Referenten vollkommen einverstanden. Der Handelsminister trat dagegen der Meinung des Staatsratsgremiums bei, und zwar mit folgender Begründung: Die Verhältnisse und Eigenschaften der Patrone haben sich seit 1848 wesentlich verändert. Dermal können Griechen, Protestanten und Juden Besitzer von landtäflichen Gütern und Patronaten werden5. Die früher reichen oder doch wohlhabenden Patrone seien durch die Aufhebung der Zehenten und Urbarialgiebigkeiten gegen unverhältnismäßig niedrige Entschädigung häufig sehr herabgekommen und unfähig, die frühere Last noch ferner || S. 291 PDF || zu tragenc . Die übrigen Stimmführer fanden gegen den Antrag des Staatsministers nichts zu erinnern, welcher schließlich äußerte, er zweifle nicht, daß der Antrag, die Patrone von der Konkurrenzpflicht zu entheben, in mehreren Landtagen auftauchen werde. Allein dies könne nicht als Bestimmungsgrund dienen, diese Enthebung in die Regierungsvorlage aufzunehmen. Der Präsident des Staatsrates äußerte, er vermisse im Gesetzentwurf die Bestimmungen, ddurch welche dem Patron der nötige Einfluß auf das Kirchenvermögen gewahrt werde, dannd wer über die Notwendigkeit eines Kirchenbaues zu erkennen und bei Streitigkeiten darüber zwischen der kirchlichen Behörde und den Konkurrenzpflichtigen zu entscheiden, endlich wer den Zustand der Kirchen- und Pfarrgebäude zu kontrollieren habe. Sollten diesfalls die Vorschriften des Normals von 1805 zu gelten haben6, so wären dieselben in den Entwurf aufzunehmen. Ebenso wäre dem Zweifel zu begegnen, daß diese Konkurrenzangelegenheiten zu höherer Instanz vor die Landesausschüsse gehören. Der Staatsminister äußerte, daß, nachdem die Absicht dahin geht, alle diese Angelegenheiten im bisherigen vorschriftsmäßigen Weg, und zwar durch die lf. Behörden, behandeln zu lassen, in einem Schlußparagraphen zu sagen wäre: die bestehenden Gesetze bleiben, sofern sie nicht durch die vorstehenden Bestimmungen abgeändert wurden, aufrecht. Infolge der von Seite mehrerer Konferenzglieder gestellten Fragen über die Aufgaben des Komitees bei mehreren konkurrierenden Gemeinden über die Kompetenz zur ziffermäßigen Feststellung des Patronatsbeitrages, dann über die Frage, wer dort, wo der Fall der Bildung eines Komitees (§ 12) nicht eintritt, die Konkurrenzgeschäfte zu leiten habe, erklärte der Staatsminister, den Entwurf in einer Weise ergänzen lassen zu wollen, der alle diese Punkte völlig ins Klare bringt. Was die Verwaltung des Kirchenvermögens betrifft, so habe der Minister bereits infolge einer Interpellation die Erklärung im Reichsrate abgeben, daß die Verwaltung des Kirchenvermögens nicht ganz unbeschränkt in den Händen des Klerus bleiben könne, sondern den dabei durch die Konkurrenz beteiligten Laien eine Kontrolle eingeräumt werden müsse7. Der weitere Inhalt des Gesetzentwurfes gab zu einer Erinnerung keinen Anlaß. eDer Staatsratspräsident bezog sich auf die von dem Staatsrate bei den einzelnen Paragraphen gemachten Bemerkungen, insbesondere auf seine Bemerkung, daß im § 16, um auch die Möglichkeit einer Beschwerde an die lf. Behörden offenzulassen, sich auf die betreffenden Artikel der Gemeindeordnung zu beziehen wäre, eine Bemerkung, welche auch auf die beiden übrigen Entwürfe Anwendung finde. Der Staatsminister sicherte zu, diesen Bemerkungen bei der neuen Redaktion Rechnung zu tragene Der Staatsratspräsident bezog sich auf die von dem Staatsrate bei den einzelnen Paragraphen gemachten Bemerkungen, insbesondere auf seine Bemerkung, daß im § 16, um auch die Möglichkeit einer Beschwerde an die lf. Behörden offenzulassen, sich auf die betreffenden Artikel der Gemeindeordnung zu beziehen wäre, eine Bemerkung, welche auch auf die beiden übrigen Entwürfe Anwendung finde. Der || S. 292 PDF || Staatsminister sicherte zu, diesen Bemerkungen bei der neuen Redaktion Rechnung zu tragen, 8.

II. Landesgesetz über die Konkurrenz bei Schulbauangelegenheiten

Der Staatsminister referierte über den anverwahrten Entwurf eines Landesgesetzes, betreffend das Schulpatronat und die Kostenbestreitung für die Lokalitäten der Volksschulenf, 9. In bezug auf die auch bei diesem Gesetz vom Staatsrate in Zweifel gezogene Kompetenz der Landtage10 berief sich der Staatsminister auf das bei Beratung des Kirchenbaukonkurrenzgesetzes Gesagte. Durch das vorliegende Landesgesetz soll das Schulpatronat, soweit es nicht auf Privatrechtstiteln beruht, aufgehoben werden, und die damit verknüpften Pflichten samt dem Präsentationsrechte sollen auf die Gemeinde übergehen. Der § 11 gab zu einer längeren Erörterung Anlaß. Derselbe lautet: „Regreßansprüche für Auslagen zu Schulzwecken, welche seit dem Jahre 1848 bis zum Erscheinen dieses Gesetzes von Gemeinden, außer Kraft tretenden Schutzpatronaten und den vormaligen Grundobrigkeiten bestritten worden sind, werden — den Fall eines privatrechtlichen Übereinkommens ausgenommen — als behoben erklärt.“ Der Staatsrat glaubte, daß diese Bestimmung wegzulassen wäre, weil diese Regreßansprüche überhaupt privatrechtlicher Natur sind und deren Aufhebung nicht einfach von den Landtagen verfügt werden könne. Der Staatsminister machte dagegen geltend, daß der fragliche Regreß, nur insoweit er auf Administrativmaßregeln beruht, aufgehoben werden soll, und zwar in der plausiblen Absicht, dem Aufleben zahlreicher Ansprüche an die Gemeinden pro praeterito und den vorauszusehenden Streitigkeiten vorzubeugen, deren schließliches Ergebnis für die Grundobrigkeiten doch nur wenig Vorteil bringen würde.

Der Polizeiminister trug ernste Bedenken dagegen, die Aufhebung dieser Regreßrechte in den Regierungsentwurf aufzunehmen, da es doch die Regierung war, welche die Schulpatrone und Grundobrigkeiten zur Fortsetzung der Brennholzlieferung gnach Aufhebung des Untertansverbandesg zwang, und ihnen den || S. 293 PDF || Regreß dafür wiederholt zusicherte. hDaß die gesetzliche Regelung so spät erfolgt, ist wahrlich nicht die Schuld der Patroneh .

Auch der ungarische Hofkanzler sprach sich mit Bezug auf die in Böhmen bei jeder Schulorganisation erteilten Ersatzzusicherungen in demselben Sinne aus. Nachdem nun auch die Ministerialverordnung vom 15. Dezember 1848 ([RGBl.]Nr. 28/1849) vorgelesen worden war, worin die Dominien vorläufig zur Beistellung des Schulbeheizungsholzes „wie bisher mit dem Beisatz verhalten wurden, daß es ihnen freisteht, seiner Zeit von demjenigen den Ersatz zu fordern, dem etwa in Hinkunft diese Last aufgebürdet wird“, vereinigte sich der Ministerrat zu dem Beschlusse, den § 11 zu streichen. Der weitere Inhalt des Gesetzentwurfes II gab zu einer Erinnerung keinen Anlaß.

Der Finanzminister kam jedoch auf den Gesetzentwurf I über die Konkurrenz zu Kirchenbauten zurück und stellte die Anfrage, ob nach demselben die ehemaligen Dominien nicht häufig doppelt werden zu dieser Konkurrenz in Anspruch genommen werden — einmal als Kirchenpatrone und dann als Mitglieder der Gemeinde. Infolge der bejahenden Erwiderung von Seite des Staatsministers äußerte der ungarische Hofkanzler das Bedenken, daß den böhmischen Dominien durch das beantragte Gesetz größere Lasten aufgebürdet werden dürften, als sie früher zu tragen hatten, wo sie nämlich nur die Material- und Professionistenkosten bestreiten mußten, während die Gemeinden die Hand- und Zugrobot besorgten. Nach § 8 des Entwurfes aber muß der Patron 1. den dritten Teil des Aufwands auf sich nehmen, welcher nach Abschlag des Beitrags aus dem Kirchenvermögen und Pfründeneinkommen, dann des Werts der Zug- und Handarbeiten zu bestreiten bleibt, und 2. trifft ihn noch als Gemeindeglied ein großer, vielleicht der größte Teil der Hand- und Zugarbeitskosten nach Maßgabe der direkten Besteuerung (§ 11). Graf Forgách wünschte durch einige Berechnungen für konkrete Fälle ziffermäßig nachgewiesen zu sehen, wie sich die Konkurrenz eines ehemaligen Dominiums nach dem früheren und nach dem vorliegend beantragten Systeme stellen würde, um über die Wirkungen des letzteren auf die Patrone beruhigt zu sein. Der Staatsminister erwiderte, daß es ihm an dem nötigen Material zur Anstellung solcher Berechnungen fehle. Jedenfalls werde aber jetzt der Patronatsbeitrag mit ein Drittel schärfer und enger begrenzt sein als bisher. Was aber den weiteren Anteil des Patrons an den diesfälligen Gemeindeauslagen betrifft, so sei es keineswegs durch die Grundsätze des Gemeindegesetzes vom 5. März 1862 11 vorgeschrieben, daß alle Auslagen zu Gemeindezwecken mittels Zuschlägen zu den direkten Steuern und der Verzehrungssteuer bedeckt werden müssen, und im Artikel XV heißt es vielmehr am Schlusse: „Die Art und das Maß, nach welchem die einzelnen Gemeindemitglieder zu den Auslagen der Gemeinde konkurrieren sollen, bestimmt die Gemeinde innerhalb der durch ein Landesgesetz festzusetzenden Grenzen.“ Dadurch ist es in die Macht der Landtage gelegt, für die Kirchenbau- und Schulauslagen etc. einen anderen, billigeren Verteilungsmaßstab || S. 294 PDF || festzusetzen. Schließlich wolle Ritter v. Schmerling noch bemerken, daß die Statthaltereien und Landesausschüsse mit den Bestimmungen des Entwurfes im wesentlichen einverstanden waren12.

III. Landesgesetz über die Konkurrenz bei der Herstellung und Erhaltung von Straßen und Wegen[1].

Der Staatsminister referierte über den Entwurf eines Landesgesetzes, betreffend die Herstellung und Erhaltung der nicht ärarial öffentlichen Straßen und Wegei, gegen dessen Bestimmungen von Seite des Staatsrates kein Anstand erhoben wurde13.

Der Ministerrat war mit dem Entwurfe gleichfalls einverstanden, nur besorgte Minister Graf Rechberg Mißbräuche von der Bestimmung des § 9, wonach das Straßenkomitee mit Rücksicht auf die Verhältnisse und Wünsche der einzelnen Gemeinden festzusetzen hat, ob deren Leistungen zur Konkurrenzstraße in Geld oder natura stattzufinden haben. Um die Gutsbesitzer vor Erpressungen zu schützen, dürfte es zweckmäßig sein zu bestimmen, daß die Leistungen der Gemeinden stets in natura zu geschehen haben. Der Staatsminister erwiderte, daß es oft im wohlverstandenen Interesse der Gemeinden liegt, sich durch Geldzahlung von Naturalleistungen zu befreien, die ihr wegen der Entfernung oder anderer Lokalverhältnisse, wegen Mangels an Zugvieh etc. schwer oder unmöglich zu erfüllen wären. Übrigens habe ja der Großgrundbesitzer auch eine Stimme in der Gemeinde, und, fügte der ungarische Hofkanzler hinzu, wenn man sie nicht hören will, steht der Rekursweg offen14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 9. Dezember 1862. Empfangen 10. Dezember 1862. Erzherzog Rainer.