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Nr. 233 Ministerrat, Wien, 20. Mai 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 20. 5.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw. Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 20. 8.

MRZ. 1037 – KZ. 2489 –

Protokoll des zu Wien am 20. Mai 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Ausarbeitung und Einführung neuer Zivil-, Kriminal- und Gewerbegesetze in Ungarn

Der ungarische Hofkanzler referierte über seinen au. Vortrag vom 13. d. M., Z. 6774, betreffend die vorbereitenden Schritte für die Ausarbeitung und Einführung || S. 22 PDF || neuer Zivil-, Kriminal- und Gewerbsgesetze in Ungarn1. Gegenwärtig bestehen in Zivilrechts-, Straf- und Gewerbssachen Provisorien, und es haben sich mannigfache Lücken und Mängel gezeigt, was im ganzen Lande den Wunsch hervorgerufen habe, daß endlich ein Definitivum eingeführt werde2. In dieser Richtung mache der Judex Curiae den Vorschlag, daß er ermächtigt werde, zur Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuches, eines Kriminalkodex und eines Handelsgesetzbuches fähige Männer zusammenzuberufen und ihr Gutachten einer kommissionellen Prüfung zu unterziehen, welche Arbeit sodann in Form von königlichen Propositionen dem nächsten Landtage vorzulegen wäre. Hiebei seien drei Gesichtspunkte herrschend, nämlich erstens, daß diese Vorschläge zu den künftigen Gesetzen im gesetzlichen Wege, nämlich im Wege des Landtages, durchgeführt werden, zweitens, daß man bei dem diesfälligen Operate auf die besonderen Verhältnisse des Landes volle Rücksicht nimmt respektive den ungarischen Anschauungen Rechnung trägt, zugleich aber drittens auch die Beziehungen der Bewohner Ungarns zu jenen der übrigen Kronländer nicht außer acht läßt und überhaupt auf die einheitlichen Interessen der Monarchie Bedacht nimmt. Graf Forgách, die Ansichten des Judex Curiae sowohl hinsichtlich des vorgesteckten Zieles als auch bezüglich der Modalität des vorgeschlagenen Vorganges vollkommen teilend, habe daher in dieser Richtung den Entwurf eines Ah. Handschreibens verfaßt, welchen er zur Ah. Schlußfassung vorlegen wolle. Nachdem Graf Forgách sodann den beiliegenden Entwurf des Ah. Handschreibens dem ganzen Inhalte nach vorgelesen hattea, bemerkte er, daß er diese Form deshalb vorgezogen habe, weil es ihm von sehr guter Wirkung zu sein dünkt, wenn diese Bestimmung vom Ah. Throne ausgehe und weil Se. Majestät bereits bezüglich der Einführung des allgemeinen deutschen Handelsgesetzes in Ungarn auch mittels Ah. Handschreibens die Vorarbeiten anzuordnen geruht haben3.

|| S. 23 PDF || Der zuerst um seine Meinung befragte Staatsratspräsident äußerte, daß sich ihm gegen diese Anträge wesentliche Bedenken und zwar sowohl vom politischen als vom juridischen Gesichtspunkte aus ergeben. Der Anschauung des ungarischen Hofkanzlers, daß eine Regelung des Gerichtswesens in Ungarn ein dringendes Bedürfnis ist, könne nur vollkommen beigestimmt werden, ja Votant halte dieselbe für so dringend, daß zu derselben noch vor dem nächsten Landtage werde geschritten werden müssen, der nach seiner Überzeugung noch sehr lange nicht werde abgehalten werden können. Allein es handle sich hier um die Grundlagen, von welchen hiebei ausgegangen werden solle. Was die Strafgesetzgebung betrifft, so wolle Graf Apponyi bei der vorzunehmenden Reform den Entwurf der Regnikolardeputation vom Jahre 1844 zur Grundlage nehmen4. Nun sei es aber bekannt, daß gegen dieses Operat die wichtigsten Bedenken erhoben wurden und insbesondere dessen auf die Schmälerung der königlichen Gewalt gerichtete Tendenz konstatiert ist. Aus diesem Gesichtspunkte sei darin auf die gänzliche Abschaffung der Todesstrafe und auf die Einführung der Jury angetragen worden, und es sei dem Votanten aus dem Jahre 1844 her noch erinnerlich, daß damals in der Konferenz diesem Entwurfe die Tendenz beigelegt wurde, politische Umtriebe möglichst leicht und straflos zu machen5. Dieser Standpunkt wäre also der Regierung schon an sich sehr abträglich. Selbst hievon abgesehen, könne man aber doch bei der Ausarbeitung eines neuen Gesetzes nicht einen Entwurf zur Grundlage nehmen, der vor mehr als 20 Jahren verfaßt, daher in vieler Beziehung veraltet, dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft und den neuern Gesetzen nicht mehr entsprechen würde. Von einer Berücksichtigung der alten einheimischen Kriminalgesetze könne dabei ohnehin keine Rede sein, schon die 1844er Deputation habe dieses nicht getan, sondern großenteils das Badensche Strafgesetzbuch zum Anhaltspunkte genommen6. Muß aber ein ganz neues Strafgesetz erlassen werden, so sei es von der größten Wichtigkeit, für Ungarn von den gleichen Grundlagen auszugehen, wie für die übrigen Kronländer, um sonach ein Werk zustande zu bringen, welches nicht bloß zeitgemäß ist, sondern auch den einheitlichen Interessen der Monarchie entspricht. Und in dieser Richtung würde es Votant für das zweckmäßigste erachten, daß man sich mit dem Justizministerium, wo man eben || S. 24 PDF || mit der Ausarbeitung des Strafgesetzes beschäftigt ist7, in das Einvernehmen setzt und so für Ungarn einen Kodex in Harmonie mit den hiesigen Gesetzen schafft. Was die Zivilgesetzgebung betrifft, so wolle Graf Apponyi auch hier wieder an die alten ungarischen Gesetze und Gepflogenheiten anknüpfen, welcher Standpunkt ein durchaus verfehlter sei. Freiherr v. Lichtenfels macht hier einen Rückblick auf die Zeit der Einführung des österreichischen bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn und bemerkte8: Die Frage, ob dieses Gesetzbuch für Ungarn passe und was dabei von den alten einheimischen Gesetzen aufrechtzuhalten wäre, habe den Gegenstand einer dreimaligen gründlichen Erörterung gebildet. Zuerst wurde eine Kommission von mehr als 30 Mitgliedern zusammengesetzt, welcher alle möglichen Autoritäten der ungarischen Rechtswissenschaft beigezogen wurden, wo die Prinzipien erörtert und zu Rate gezogen wurden, was von den einheimischen noch tauglich sei. Bei diesen Beratungen habe sich herausgestellt, daß die Annahme der Grundsätze des österreichischen bürgerlichen Gesetzbuches keinem Bedenken unterliege, wobei nur sehr wenige Punkte bezeichnet wurden, in welchen Ausnahmen wünschenswert wären9. Später sei unter dem Minister Baron Krauß abermals eine Kommission unter Zuziehung von ungarischen, bkroatischen und siebenbürgischenb Rechtsgelehrten berufen worden, wo das Gesetzbuch Paragraph für Paragraph diskutiert wurde, bei welcher alle notwendigen Abweichungen von demselben gesammelt und in dem Entwurfe zu dem Kundmachungspatente zusammengestellt wurden10. Als endlich dieser Entwurf vorgelegt und diese Angelegenheit zum drittenmal im ständigen Reichsrat verhandelt wurde, waren die ungarischen Reichsräte v. Szőgyény und Graf Zichy, die gewiß in der Lage waren, die ungarischen Anschauungen geltend zu machen, gleichwohl nicht imstande, andere als die in dem Kundmachungspatente gesammelten Ausnahmen zu bezeichnen, in welchen die alten einheimischen Gesetze aufrechtzuerhalten gewesen waren11. Aus || S. 25 PDF || allem diesen habe Votant eine doppelte Überzeugung geschöpft. Einerseits, daß, wenn man in Ungarn ein ordentliches Zivilgesetzbuch haben will, man nicht mehr an das einheimische knüpfen kann, indem es an Mängeln der mannigfachsten Art leidet und in jeder Beziehung antiquiert ist, sondern immer nur etwas Neues, den gegenwärtigen Anforderungen Entsprechendes schaffen muß. Anderseits, daß das immerwährende Proklamieren, als ob man im Lande nur die alten vaterländischen Gesetze haben wolle, durchaus nicht Sache juridischer Überzeugung, sondern nur ein politisches Getriebe sei. Wie verderblich dem Lande die Wiedereinführung der alten Gesetze sei, zeige seine gegenwärtige Lage. Votant sei sonach auch hinsichtlich des Zivilgesetzes der Meinung, daß das hiesige Gesetzbuch zur Grundlage dienen und nur die durch die besondern Landesverhältnisse gebotenen Änderungen vorgenommen werden sollten. Indem sonach Freiherr v. Lichtenfels in der vorliegenden Frage schon den eingenommenen Standpunkt nicht zu teilen vermag, glaubt er umso weniger sich mit der Person, in deren Hand die ganze Sache gelegt werden soll, einverstehen zu können. Graf Apponyi habe bisher eine Politik verfolgt, die nach der Überzeugung des Votanten keineswegs den Interessen der Regierung förderlich ist. Er sei es, welcher die Regierung schon im verstärkten Reichsrate beim Oktoberdiplome auf Abwege gebracht hat. Wohin es mit der Kriminalgesetzgebung durch die Judexkurialkonferenzbeschlüsse gekommen, habe die Erfahrung gezeigt, indem am Ende die Militärgerichte eingeführt werden mußten. In Zivilsachen habe er das Land durch die Judexkurialkonferenzbeschlüsse in die größte Verwirrung gestürzt, wie alle aus Ungarn einlangenden Nachrichten bestätigen. Gleichwohl würde Graf Apponyi — wie immer das Ah. Handschreiben textiert werden möge — auf seinen Prinzipien der Anknüpfung an das alte ungarische Recht verharren. Überdies sei er als der Gegner des ganzen jetzigen Regierungssystems bekannt, und es würde daher seine Betrauung mit der Regelung der Gesetzgebung im Lande nur als ein Zeichen angesehen werden, daß die Regierung dieses nicht länger festzuhalten beabsichtige. Votant könne daher dem Antrage, ihm in dieser Angelegenheit eine Mission zu übertragen, nicht beipflichten. Der Staatsminister anerkannte gleichfalls die dringende Notwendigkeit einer baldigen Regelung der Rechtszustände in Ungarn, zumal sich infolge der Wiedereinführung der alten Gesetze schon überall im Lande die größten Übelstände herausstellen und die Klagen der ungarischen Bevölkerung, namentlich des Handelsstandes, darüber immer lauter werden. Nicht minder glaubte Ritter v. Schmerling der Anschauung des Staatsratspräsidenten beipflichten zu sollen, daß man bei den beabsichtigten Reformen unmöglich die alten, längst unbrauchbar gewordenen einheimischen Gesetze zum Anhaltspunkte nehmen könne, sondern vielmehr sowohl in Absicht auf die Kriminal- als Zivilgesetzgebung für Ungarn von gleichen Grundlagen wie bei den übrigen Kronländern ausgehen müsse, denn nichts sei nach der Überzeugung des Votanten für die Interessen der Monarchie nachteiliger und den wechselseitigen Beziehungen abträglicher als eine Rechtsungleichheit. Um nun das sehr wünschenswerte Endziel, nämlich Einigkeit und Gleichmäßigkeit in der Gesetzgebung zu erreichen, sei es nach der Ansicht des Votanten vor allem sehr wichtig, daß die Regierung über gewisse Prinzipien ins klare komme, und Votant würde daher, was den Modus des bezüglich der vorliegenden Frage zu || S. 26 PDF || beobachtenden Vorganges betrifft, es für das Geratenste halten, daß, bevor man bezüglich Ungarns an die Arbeit geht, hier eine gemischte Kommission aus allen möglichen Rechtsgelehrten, aus Männern des Richterstandes und sonstiger sachkundiger Personen, zusammengesetzt werde, welche die Hauptprinzipien zu erörtern und festzustellen hätte. Sodann könnte in bezug auf Ungarn eine Subkommission im Lande bestellt werden, welche auf Grund dieser Beschlüsse die einzelnen Gesetzentwürfe, selbstverständlich mit Berücksichtigung der besonderen Landesverhältnisse, auszuarbeiten hätte, welches Operat endlich wieder in der Zentralkommission einer reiflichen Prüfung zu unterziehen wäre. So wenigstens würde sich Votant beiläufig den Weg denken, auf dem man zum gewünschten Ziele gelangen dürfte. Was nun den Vorschlag wegen Erlassung eines Ah. Handschreibens betrifft, so vermeinte Ritter v. Schmerling, demselben nicht entgegentreten zu sollen, nur würde er in dieser Beziehung erachten, daß in diesem Ah. Erlasse unter Anerkennung des Bedürfnisses einer Regelung des Gerichtswesen der Ah. Wille ausgesprochen werde, es sei bei den diesfälligen Arbeiten hauptsächlich auf die Erzielung von gleichförmigen, mit den Gesetzen der übrigen Kronländer in vollem Einklange stehenden Gesetzesentwürfen das Augenmerk zu richten, und daß darin zugleich genau der Weg vorgezeichnet werde, welchen der Judex Curiae in dieser Angelegenheit zu gehen haben wird. Belangend endlich die Frage, ob Graf Apponyi die geeignete Persönlichkeit zu dieser Mission sei, so vermöchte Votant dieselbe nicht geradezu zu verneinen, gleichwohl er sich im Hinblicke auf die Judexkurialkonferenzbeschlüsse und auf sein bisheriges Verhalten nicht verhehlen könne, daß man gerade nicht viel Ersprießliches zu erwarten habe. Der ungarische Hofkanzler erklärte hierauf, daß ja gerade seine und des Grafen Apponyi Tendenz dahin gerichtet sei, für Ungarn ähnliche Gesetze, wie sie in den anderen Königreichen und Ländern bestehen, zu erlangen, gleichwohl könnte er aber mit der von der Vorstimme vorgeschlagenen Modalität, wie die bezüglichen Gesetzentwürfe zustande gebracht werden sollen, sich nicht einverstehen, denn es handle sich ja eben darum, daß die Grundsätze für die künftigen Gesetze nicht von hier aus kommen, indem man schon allein deswegen renitent sein wird, weil es eben nicht von unten kommt. Sollen also neue Gesetze zustande kommen, so sei es von höchster Wichtigkeit, daß man hiebei einen solchen Vorgang beobachtet, welcher den gegenwärtigen Verhältnissen im Lande angepaßt und auch den einheimischen Anschauungen und in solchen Fragen seither geübten Gepflogenheiten entspricht. Mit einer gemischten Kommission hier in Wien würde man gewiß nichts erreichen, wogegen eine nach dem Vorschlage des Grafen Apponyi zusammenberufene Landeskommission, die nicht etwa aus Beamten, sondern aus andern loyalen, aber völlig independenten Männern bestehen soll, sich der größten Sympathie im Lande erfreuen und gewiß nur Gedeihliches zustande bringen würde. Indem Graf v. Forgách noch ausführlicher die bezüglichen Verhältnisse bespricht und in weiterer Auseinandersetzung anschaulich zu machen sucht, daß nur die durch den Judex Curiae vorgeschlagene Modalität zum Ziele führen kann, glaubte er bei seinen Anträgen beharren zu sollen. Der Minister Graf Esterházy unterstützte diese Anträge, weil sie ihm bei den gegebenen Verhältnissen des Landes allein zweckdienlich scheinen. Er sprach übrigens die Meinung aus, daß, || S. 27 PDF || nachdem der nächste Landtag allem Anscheine nach noch sehr lange nicht werde abgehalten werden könne, auf dem durch den ungarischen Hofkanzler vorgeschlagenen Wege wenigstens ein Provisorium ins Werk gesetzt werden kann, welches dem Lande eine Beruhigung zu verschaffen geeignet sein dürfte. Von diesem Gesichtspunkte aus vermeinte der Kriegsminister sich mit der Vorstimme vereinigen zu sollen. Der Minister Graf Nádasdy cbemerkte, daß, wenn ein Ah. Handbillett erlassen werden soll, dessen Entwurf vor der Beratung lithographiert verteilt werden dürfte, denn jedes Wort des Kaisers muß reiflich erwogen werden, damit selbes nicht zu bedauerlichen Folgerungen und unliebsamen Mißverständnissen Anlaß gebe, ferner sprach er die Überzeugung aus, daß vom juridischen Standpunkte die ganze Sache zwecklos sein wird, denn sobald die Vorschläge der Kommission als königliche Propositionen dem Landtage vorgelegt werden, so sei es gewiß, daß sie nicht angenommen werden, weil selbe als ein fertiges Regierungsoperat [werden] betrachtet werden. Votant führt zur Begründung dieser seiner Ansicht mehrere operata deputatiorum diaetalium und königliche Propositionen aus der früheren Zeit der ungarischen Landtage an und bemerkt weiter: nichtsdestoweniger habe er keinen Anstand, daß eine solche Landeskommission, wie sie der Graf Apponyi vorschlägt, einberufen werde, wenn nämlich ein anderer — das ist der politische — Zweck damit verbunden werden wollte, diese Kommission dazu zu benützen, um in dieselbe gewisse einflußreiche Persönlichkeiten der Opposition, sozusagen die gegenwärtigen Fahnenträger des Patriotismus, hineinzuziehen und dieselben in Regierungsfreunde umzuwandeln, damit endlich einmal eine vieles klar und bestimmt aussprechende Partei für die Regierung gebildet werdec . Um jedoch diesen Weg betreten zu können, müßte vor allem die Regierung selbstd darüber ins klare kommen, wie denn eigentlich die Regierungspartei beschaffen sein muß. Bisher wolle man in Ungarn nicht einmal den 20. Oktober anerkennen, sondern halte allein edie 1848er Gesetze für maßgebend, es müßte jedoche nach der Ansicht des Votanten die Regierungspartei nicht bloß den 20. Oktober festhalten, sondern inbesondere auch das Staatsgrundgesetz vom 26. Februar zu ihrem Leitfaden nehmen. Von den übrigen Stimmführern wurde im Laufe der Debatte in bezug auf die Notwendigkeit einer Regelung des Gerichtswesens in Ungarn und sohin möglichster Gleichstellung der ungarischen Gesetzgebung den Ansichten || S. 28 PDF || des Staatsministers im allgemeinen beigepflichtet. In betreff der Modalität, wie die bezüglichen Gesetze zustande gebracht werden sollen, war der Polizeiminister der Meinung, daß man die gewünschte Landeskommission immerhin gewähren könne, nur sollten die Grundsätze früher festgestellt und dann das Ah. Handschreiben so abgefaßt werden, daß darin die genaue Weisung, wie die Kommission vorzugehen hat, enthalten wäre; wogegen Minister v. Lasser dafür wäre, daß beiläufig wie bei dem allgemeinen Handelsgesetzbuche vorderhand ein Substrat geschaffen, rücksichtlich ein Entwurf des bezüglichen Gesetzes von der Hofkanzlei ausgearbeitet werde, welcher Entwurf dann erst der Kommission zur Beratung zuzuweisen sein wird. Die Kommission ohne ein Substrat arbeiten zu lassen, würde nur zu denselben traurigen Resultaten führen, wie sie an der Judexkurialkommission trotz aller guten Verheißungen des Grafen Apponyi erlebt wurden. Der Finanzminister würde sich im Hinblick auf die Beurteilung des Grafen Nádasdy hinsichtlich des Erfolges der Kommissionsarbeit von der ganzen Sache nicht viel versprechen, vermeinte aber im Wesen mit dem Staatsminister stimmen zu sollen, wofür sich auch der Handelsminister unter Hinweisung auf das bisherige, dem Regierungssysteme gewiß nicht zuträgliche Wirken des Grafen Apponyi fumso mehrf aussprach, gals von einem hohen Beamten, der es gewagt hat, die famose titellose Adresse des ungarischen Landtages Sr. Majestät zu unterbreiten, und dessen eifrigstes Trachten dahin gerichtet war, die österreichischen Gesetze außer Wirksamkeit zu bringen und dieselben durch die Judexkurialbeschlüsse zu ersetzen, nicht wohl erwartet werden kann, daß er die mit solcher Hast abgeschafften österreichischen Gesetze nun plötzlich wieder zur Basis neuer ungarischer Gesetze nehmen werde wolleng, 12.

II. Unterhalt neapolitanischer Flüchtlinge

Der Polizeiminister referierte, daß von den auf österreichischem Gebiete untergebrachten neapolitanischen Flüchtlingen gegenwärtig viele beschäftigungslos geworden sind und daß, nachdem es nicht möglich ist, sie nach Italien, wo sie wegen ihrer Anhänglichkeit han die Dynastieh keine Existenz finden, zurückzuschicken, es absolut notwendig sei, diese Leute aus öffentlichen Mitteln solange zu unterhalten, bis sie wieder untergebracht sein werden. Obwohl hiezu keine besondere Dotation beansprucht werde, sondern der Polizeiminister diesen Aufwand durch anderweitige Ersparnisse im Sicherheitsfonds zu decken beabsichtigt, so sei || S. 29 PDF || es doch eine so große Auslage, die er rechtfertigen müsse, daher sich bemüßigt sehe, hiezu die Zustimmung der hohen Konferenz sich zu erbitten.

Hierwegen ergab sich keine Erinnerung13.

III. Beratungen des Finanzausschusses über die Steuerfrage

Der Finanzminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß er bei der jüngsten Plenarberatung des Finanzausschusses über das Gesetz wegen Erhöhung der direkten Steuern das Vorhaben der Regierung, eine Revision des stabilen Katasters anzuordnen, kundgegeben habe und daß er auch bereits im Ministerium den Auftrag erteilt habe, ein solches Gesetz vorzubereiten14. Ferner referierte der Finanzminister, daß bei dieser Beratung ungeachtet der eindringlichsten Erörterung und der triftigsten Widerlegung dennoch die 10%ige Kuponsbesteuerung beschlossen worden ist. Dieser Beschluß habe aber auch bereits den nachteiligen Einfluß geübt, wie es sich am deutlichsten aus dem dem Ministerrate vorgelesenen Börsenberichte zeige. So wie Edler v. Plener es bereits in der früheren Konferenz dargelegt, so müsse er auch heute dabei verbleiben, daß die Regierung hierauf nicht eingehen und einen solchen Beschluß keineswegs zur Ah. Sanktion vorlegen könne. Im Finanzausschusse habe er es aber zu dieser Erklärung noch nicht kommen lassen, wenn aber diese Panik so fortherrschen sollte, so würde es Referent doch für gut finden, wenigstens durch die Zeitungen, oder wenn dieses nicht beliebt würde, doch durch seine Kommissäre an der Börse die Meinung der Regierung kundgeben zu lassen, iwas insbesondere wegen des bevorstehenden Verkaufes der 1860er Lose sehr notwendig wärei, 15.

Über die Bemerkung des Ministers des Äußern , daß es nicht schaden dürfte, diese Baisse einige Tage andauern zu lassen, damit die Leute selbst einsehen, wie zerstörend dieser Beschluß wirke, vermeinte der Finanzminister seinen Antrag dahin zu modifizieren, daß er vorderhand nur jenen Männern des Konsortiums die vertrauliche Mitteilung hierwegen machen würde, wogegen sich dem Ministerrate keine Erinnerung ergab.

IV. Gesuch des Anton Freiherrn Halbhuber v. Festwill um Bemessung seiner Bezüge als Staatsrat

Der Staatsratspräsident referierte über ein Gesuch des zum Staatsrate ernannten Freiherrn v. Halbhuber, worin derselbe unter Hinweisung auf den Umstand, daß sich seine als Leiter der niederösterreichischen Statthalterei bisher genossenen Bezüge auf 11.000 fl. belaufen16, die Bitte stellt, hierauf bei Bemessung seines Gehaltes als Staatsrat Rücksicht nehmen und ihm eine verhältnismäßige || S. 30 PDF || Aufbesserung des systemmäßigen Gehaltes erwirken zu wollen. Freiherr v. Lichtenfels war der Meinung, daß wohl die Belassung seiner bisherigen 11.000 fl. nicht befürwortet werden könnte, hingegen aber immerhin Billigkeitsgründe für den Antrag sprechen dürften, daß ihm mit Rücksicht auf seine Bezüge als Landespräsident von Schlesien — 5000 fl. Gehalt und 3000 fl. Funktionszulage — eine entsprechende Zulage beiläufig von 3000 fl. bewilligt werde. Das gleiche Verhältnis sei beim Grafen Mercandin gewesen, welcher bei seiner Einberufung in den Reichsrat Landespräsident in Krakau war und eben in Rücksicht auf seine dortigen Bezüge eine Personalzulage von 3000 fl. zu dem systemmäßigen Reichsratsgehalte erhielt, sodaß er im ganzen 10.000 fl. bezog. Referent würde daher darauf antragen, dem Freiherrn v. Halbhuber denselben Betrag zu bewilligen, wodurch auch das Etat des Staatsrates im gleichen bliebe.

Der Finanzminister glaubte diesem Antrage umso weniger beistimmen zu sollen, als seinerzeit selbst Minister Reichsräte geworden sind, ohne daß man ihnen die gehabten Funktionszulagen belassen hätte. Eine Funktionszulage klebt dem gewissen Posten an und kann nicht als eine Personalzulage angesehen werden, sondern erlischt jedesmal mit dem Aufhören der Funktion. Votant müsse sich daher im vorliegenden Falle schon der Beispielsfolgerungen wegen entschieden gegen die beantragte Gehaltserhöhung aussprechen. Der Staatsminister glaubte ebenfalls sich nur dafür aussprechen zu können, daß dem Halbhuber bloß der systemmäßige Staatsratsgehalt bewilligt werde, nur könnte demselben allenfalls eine Vergütung oder Übersiedlungsentschädigung ein für allemal zugesprochen werden.

Nachdem sich dieser Meinung auch alle übrigen Stimmführer angeschlossen haben, wurde mit Zustimmung des Finanzministers diese Vergütungssumme mit 3000 fl. bestimmt17.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 16. August 1862. Empfangen 20. August 1862. Erzherzog Rainer.