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Nr. 259a Votum des Präsidiums der Budgetkommission 1859/60 betreffend die Vereinigung der Zentralseebehörde mit der Kriegsmarine, o. O., o. D. (Beilage zu: MRP-1-5-04-0-18620825-P-0259.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; Beilage zum MRProt. I v. 25. 8. 1862. Druck: Walter, Zentralverwaltung III/4, 122127.

MRZ. – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Präsidium glaubt, behufs einer eingehenden Würdigung diesem Anwurfe folgende Darlegung gegenüberstellen zu sollen.

Die hier angeregte Vereinigung der Zentralseebehörde mit der kaiserlichen Kriegsmarine erscheint weder aus dem Gesichtspunkte richtiger Verwaltungsgrundsätze noch aus Rücksicht der Geschäftsvereinfachung und Ökonomie empfohlen und würde ohne Zweifel den erwarteten ganz entgegengesetzte Resultate und zahlreiche Inkompatibilitäten erzeugen. Der Antrag beruht auf mehrfachen, teils irrigen, teils nicht entscheidenden Voraussetzungen und auf einer unvollständigen oder einseitigen Auffassung der Aufgaben der Zentralseebehörde und ihres Zusammenhanges mit der Staatsadministration. Wie vieles auch der Kriegsmarine und der Handelsmarine gemeinsam sein mag, so scheiden sich doch beide wesentlich in ihrem durch ihren Endzweck bedingten Charakter, welcher gerade die Tätigkeit und Einwirkung des Staates in bezug auf selbe bestimmen muß und wirklich bestimmt, weshalb letztere für beide eine durchweg verschiedene ist. Die Kriegsmarine ist eine Staatsanstalt zu Schutz und Trutz auf der See und alle ihre Einrichtungen, ihre Ausbildung und der Geist ihrer Verwaltung ist und muß auf diesen Zweck der Verteidigung und des Angriffes gerichtet und berechnet sein. Die Handelsmarine ist eine Privatindustrie zum Erwerbe und muß zu ihrem Gedeihen als solche von Seite des Staates nach den gleichen Grundsätzen der Nationalökonomie und Handelspolitik behandelt werden, welche für die Förderung des materiellen Privaterwerbes überhaupt als die richtigen erkannt sind. Die Benützung der Wissenschaft für die Technik des Schiffbaues und Schiffahrtsbetriebes ist freilich ein gemeinsames Element beider Zweige; aber die Anwendung wird selbst in diesem Punkte großenteils verschieden sein nach der gänzlichen Verschiedenheit des Zweckes.

Noch weit mehr gilt dies für alles andere, was administrativer Natur ist. Vom Schiffbau angefangen bis zur Disziplin der Seeleute und der Hafenpolizei bedarf die Kriegsanstalt einer anderen Gebarung als der Privatgewerbszweig, und kurz gesagt, muß die Leitung und Verwaltung der einen ebenso ganz vom militärischen || S. 195 PDF || Geiste durchdrungen sein wie die des andern vom kommerziellen Geiste. Das Grundprinzip der ersteren ist die strenge Abhängigkeit des Ganzen von einem Chef, das Grundprinzip des letzteren ist die möglichst freie Tätigkeit der einzelnen Kräfte. Bei solchem Gegensatze liegt es aber in der Natur der Sache, daß fast keine Angelegenheiten sich weniger für eine militärische Oberleitung eignen als gerade kommerzielle und daß die Versuche solcher Vermischung, die hier und da gemacht wurden, durch mißliche Erfahrungen sich immer als unpraktisch erwiesen.

Geht man auf den der Zentralseebehörde bestimmten Wirkungskreis näher ein, so zeigt sich, daß nicht das Technisch-Wissenschaftliche des Seewesens den Schwerpunkt ihrer eigenen Tätigkeit bildet, obwohl sie diesfalls oft kompetenter Ratgeber bedarf, wie dies auch bei anderen Verwaltungsbehörden der Fall ist. Vielmehr ist es Grundsatz, daß das rein Technische bei diesem wie bei allen anderen Gewerben möglichst unbeirrt der Privatindustrie überlassen bleibe, welche durch eigene Tätigkeit am besten die Mittel zu ihren Zwecken findet und am sichersten erstarkt. Nur hilfeleistend, fördernd und ordnend soll hier die Seebehörde einwirken, wo ein Bedarf sich zeigt, und mit sorgfältiger Schonung der freien Betriebsamkeit. Alle ihr gestellten Aufgaben haben den Charakter einer Zivilverwaltung der Seeindustrie ähnlich derjenigen, welche hinsichtlich der anderen kommerziellen Tätigkeiten den politischen Behörden zu Lande übertragen sind, und sie bedarf hierzu ganz ähnlicher mit den Rechts- und Gesetzeskenntnissen und mit administrativen Erfahrungen administrativer Arbeitskräfte. Es würden in dieser Behörde alle jene Zweige ämtlicher Verrichtungen und Obsorgen vereinigt, welche von unmittelbarer Wichtigkeit für den gedeihlichen Betrieb der Merkantilschiffahrt und der Seefischerei sind, nicht bloß um eine einheitliche Leitung der maritimen Gewerbe zu gewinnen, sondern hauptsächlich um zu bewirken, daß die Verwaltung aller jener Gegenstände als Schiffbau, Evidenzhaltung und Disziplin der Seeleute, Schiffspolizei, Hafenpolizei, Hafenbauten, das gesamte Kontumazwesen, Einflußnahme auf Konsulareinrichtungen etc. vorzugsweise und durchgreifend aus dem kommerziellen Gesichtspunkte behandelt werden. Gerade dieses hat der Gründung der Zentralseebehörde den allgemeinen Beifall im In- und Auslande, sogar in England, verschafft, und wer die gesamte Tätigkeit derselben aus Erfahrung kennt, weiß, daß gerade hier ihr Lebensprinzip und der Grund ihrer Ersprießlichkeit liegt. In dieser Art von Tätigkeit aber können die befähigten Organe nicht in der nach einer ganz anderen Richtung hin ausgebildeten Kriegsmarine gefunden werden. Wie viele Berührungspunkte zwischen dieser Tätigkeit und dem Marineoberkommando auch vorkommen mögen, so verschwinden sie doch gegenüber dem innigen und durchgängigen Zusammenhang, in welchem die erstere mit dem gesamten Handels- und Verkehrswesen des Reiches steht, von welchem die Merkantilmarine ihrer Natur nach einen integrierenden Bestandteil bildet. Es wäre nicht nur keine Vereinfachung im Geschäfte, sondern vielmehr ein leidiger Umzug, es erscheint nicht nur bedenklich, sondern völlig inkompatibel, diesen Geschäftszweig aus seinem natürlichen Zusammenhange mit der Gesamtleitung des Kommerzwesens herauszureißen und ihn in ein, wie gezeigt, fremdartiges Element zu versetzen. Die Handelsmarine ist das Vehikel des Seehandels und lebt nur von diesem. Alle || S. 196 PDF || bedeutenderen Schiffahrtsfragen sind zugleich Handelsfragen und umgekehrt. Die Zentralseebehörde verwendet fortwährend einen Teil ihrer besten Kräfte in Bearbeitung von Fragen des auswärtigen Handels, die reife Erfahrung und spezielle Kenntnis in diesem Fache erfordern und die wesentlich zum Ressort der obersten Kommerzleitung gehören. Es ist bei der heutigen Entwicklung des Verkehrs und der Kommunikation nicht möglich, den Landhandel und den Seehandel abgesondert zu beurteilen und zu behandeln, und noch weniger ist es möglich, den Seehandel und die Seeschiffahrt zu trennen. Die oberste Leitung dieser wichtigen Partie, welche durch die Aufhebung des Handelsministeriums nicht beseitigt, sondern mit allen Hilfsmitteln an das Finanzministerium übertragen wurde, wäre nicht nur gelähmt, sondern zerstört, wenn das Merkantilschiffahrtswesen aus derselben ausgeschieden und unter eine andere, der kommerziellen Welt ganz fremde Direktion gestellt würde. Die wirksame und richtig organisierte Pflege der kommerziellen Betriebsamkeit ist gerade für die Hebung der Finanzkraft des Staates viel zu wichtig, um eine Gefährdung derselben durch die projektierte Änderung selbst dann ratsam zu finden, wenn wirklich eine unmittelbare Ersparung dabei zu erreichen wäre. Der Schaden einer notwendig mangelhaften gesonderten Handels- und Schiffahrtsadministration wäre sicherlich größer als der Betrag einiger Besoldungen. Aber selbst solche Ersparungen wären nicht einmal verbürgt. Die beiden Merkantilsektionen des projektierten Marineministeriums und der neuen Zentralseebehörde würden, um nur einigermaßen den ihnen obliegenden Aufgaben zu entsprechen, die gleichen, ja zu bald noch größere Kräfte und Kosten in Anspruch nehmen, weil ihnen durch die Verrückung ihrer natürlichen Stellung und der ihren Geschäftsgegenständen eigentümlichen Verbindungen die Leistung erschwert und verkümmert sein würde.

Es ist kaum zu zweifeln, daß die gehoffte Ersparung verschwinden, die mißlichen Erfolge einer nach der erörterten Natur des Gegenstandes verfehlten Maßregel aber sich immer mehr fühlbar machen würden. In bezug auf die in dem Projekte enthaltene Hindeutung auf den Vorgang in anderen zivilisierten Staaten ist noch zu erinnern, daß wohl nirgends der gesamte oder auch nur der hauptsächliche Wirkungskreis der Zentralseebehörde, wie er oben beleuchtet wurde, mit der Kriegsmarine vereinigt sein dürfte, für welche er eigentlich eine heterogene Last wäre. In den meisten Staaten sind die bezüglichen Geschäfte überhaupt nicht so vereinigt, und es darf wohl gesagt werden, daß gerade die dermalige Einrichtung unserer Merkantilschiffahrtsangelegenheiten eine der anerkannten Institutionen ist, die Österreich vor anderen Staaten voraushat.

In England, welches doch in betreff der Handelsschiffahrt das Musterland bleibt, ist durch die neue Schiffahrtsakte von 1854 die Oberaufsicht über die Handelsschiffe und Seeleute und die Handhabung des ganzen bezüglichen Gesetzes dem Board of Trade, dem Handelsamte, übertragen, und diese Einrichtung wurde damals in der Öffentlichkeit so aufgenommen, als ob das Beispiel Österreichs durch die Nachfolge des mächtigen Seehandelsstaates eine Bestätigung seiner Zweckmäßigkeit erhielte. Auch darf nicht unerwähnt bleiben, daß gerade die österreichische Handelsmarine unter den verschiedenen Industriezweigen sich vorzugsweise die Achtung und das Vertrauen des Auslandes erworben hat, so zwar, daß || S. 197 PDF || bekanntlich englische Kaufleute für ihre Warensendungen den österreichischen Handelsfahrern wegen ihrer Verläßlichkeit sogar den Vorzug vor den eigenen britischen Schiffen geben, was einerseits der natürlichen Seetüchtigkeit unserer Küstenvölker, andererseits aber auch der Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der bisherigen Leitung unserer Schiffahrtsangelegenheiten zum Lobe gereicht. Man muß wohl Anstand nehmen, in dem, was sich ebenso praktisch als ersprießlich erprobt hat, zu Experimenten zu raten, deren Erfolg so viele einleuchtende Bedenken gegen sich hat.

Wie wenig sich überhaupt das militärische Regime mit produktiver Erwerbstätigkeit verträgt, davon nur einige Beispiele: Der in der Verwaltung des Militärs stehende Seeküstenstrich der Militärgrenze (Zengg, Carlopago etc.) ist der einzige, der fast keine Reederei und gar keinen Schiffahrtsverkehr von mehr als rein lokaler Bedeutung hat, während das nachbarliche Fiume, die gegenüberliegenden Quarnerischen Inseln, das sonst so arme Dalmatien den blühendsten Schiffbau, die ausgedehnteste Reederei und Schiffahrt haben.

Es ist ein Fehler in der Organisation, daß die Küste der Militärgrenze von dem Einflusse der Zentralseebehörde ausgeschieden ist. Der Fehler erscheint allerdings minder fühlbar, eben weil das Schiffahrtsinteresse jener Küste null ist, aber es wäre gewiß nicht rätlich, deshalb die ganze Schiffahrt unter militärisches Regime zu setzen. Gleiche Ursachen würden alsbald zu gleichen Wirkungen führen. Auf dem Po wurden durch längere Zeit die Lloyd-Schiffe durch Marine- oder Flotillenoffiziere kommandiert. Das Resultat war ein Jahresverlust von 600.000 fr. bei der Lloyd-Po-Schiffahrt. Die bezügliche Konvention mit dem Militär mußte aufgelöst werden. Die Offiziere standen im besten Einvernehmen und wurden persönlich geachtet und gelobt, aber ihre militärische Disziplin gestattete nicht jene Usancen und jene kommerziellen Bemühungen, welche der Verkehr erheischt, um rentabel zu sein. Die Kriegskorvette „Carolina“ wurde von Sr. kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Max eigens zu einer Handelsmission nach Brasilien und Kalkutta bestimmt, und es wurde auf derselben ein Handelsagent entsendet1. Dieser konnte, solange er auf dem Kriegsschiff reiste, fast nichts für seine kommerziellen Zwecke tun, die Schiffsdisziplin und das Kommando behinderten alles, was dazu erforderlich. Aufenthaltsorte, Aufenthaltszeit, Erlaubnis zur Ausschiffung, Nötigung, an Bord zu sein, Raumverhältnis auf dem Schiffe — alles war regelrichtig, für Marinezwecke aber so, wie es der Kaufmann nicht brauchen kann. Erst als der Agent die Erlaubnis erhielt, sich in Rio auszuschiffen und selbst für sein weiteres Fortkommen zu sorgen, konnte er seiner kommerziellen Aufgabe entsprechen.

Die projektierte Änderung in betreff der Zentralseebehörde und der Hafen- und Schiffahrts­gegenstände überhaupt eignet sich sonach aus überwiegenden Gründen wohl nur zur Ablehnung.