Nr. 185 Ministerrat, Wien, 16. Jänner 1862 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Schurda; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 16. 1.), Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Esterházy; außerdem anw.anwesend Erzherzog Rainer; abw.abwesend Pratobevera, Forgách; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Rechberg 4. 2.
MRZ. 991 – KZ. 342 –
Protokoll II des zu Wien am 16. Jänner 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.
I. Anträge des Finanzministers hinsichtlich: a) Abänderungen in dem Übereinkommen zwischen der Staatsverwaltung und der Nationalbank und Maßnahmen im Falle des Mißlingens dieses Übereinkommens; b) Mittel zur Deckung des Staatsdefizits pro 1862
Der Finanzminister referiert in längerer Rede über die demnächst zu eröffnende Verhandlung mit der Bank wegen Regelung des Schuldverhältnisses und wegen || S. 206 PDF || des zu treffenden Übereinkommens1; über einige in den entworfenen Grundzügen zu diesem Übereinkommen vorzunehmende Abänderungen; dann über seinen für den Fall des Mißlingens dieses Übereinkommens im Hintergrunde haltenden Plan; und endlich über die Mittel und Wege, auf welchem das Defizit pro 1862 gedeckt werden könnte.
[a] Er beginnt seinen Vortrag mit der Bemerkung, daß, sobald der gegenwärtig tagende Bankausschuß2 mit seiner Arbeit fertig ist, zu der Wahl des Komitees für die gedachte Verhandlung geschritten werde3, daß Hoffnung vorhanden ist, dieses Übereinkommen zustande zu bringen, obgleich es sehr zu beklagen ist, daß der Gouverneur4 anstatt unterstützend überall nur hemmend in den Weg trete, so wie auch sein Benehmen in der gegenwärtigen Sitzung sehr schwankend und zaghaft erscheint, weshalb sich der Finanzminister genötigt sah, durch den lf. Kommissär5 erklären zu lassen, daß es seine entschiedene Absicht sei, die Bestimmung der neuen Statuten nur in Verbindung mit der Regelung des Verhältnisses zwischen dem Staate und der Bank bei einer entsprechenden Verlängerung des Privilegiums der verfassungsmäßigen Behandlung zuzuführen6. Dies vorauslassend bespricht sodann der Finanzminister die Umstände, welche es rätlich erscheinen lassen, in den der hohen Konferenz in der Sitzung vom 3. Dezember v. J. vorgetragenen Grundzügen zu dem Übereinkommen in zwei Punkten Modifikationen vorzunehmen. Es soll nämlich fürs erste von der Bestimmung, daß von der nach Zurückzahlung der Silberschuld von 20 Millionen noch verbleibenden Schuldpost in der Summe von 189,595.000 fl. ein Betrag von 100 Millionen als permanente Schuld an die Bank erklärt werde, abgegangen und dieser letztere Betrag auf 80 Millionen herabgesetzt werden, ferner dieses Kapital von 80 Millionen, welches der Staat für die Zeit des Privilegiums permanent schulden würde, nicht als ein unverzinsliches Darlehen betrachtet, sondern der Nationalbank mit 2% verzinst werden. Die zweite Modifikation betreffe die Position wegen der Zurückgabe der 1860er Lose im Nennbetrage 123 Millionen, bezüglich welcher eine derartige Stipulation zu proponieren wäre, daß von dem obigen Betrage dem Staate bloß 90 Millionen nominell zurückgegeben und 33 Millionen nominell bei der Bank belassen werden sollen. Weitere Zugeständnisse gedenkt der Finanzminister nicht zuzugeben, sondern auf seinen Propositionen zu beharren und zwar aus dem Grunde, weil, wenn bei den diesfälligen Verhandlungen keine Einigung erzielt werden und das Übereinkommen nicht Zustandekommen sollte, er einen Plan im Hintergrund halte, der seines Erachtens geeignet sei, die aus dem etwaigen aMißlingen der Verhandlung mita der || S. 207 PDF || Bank hergeleiteten Besorgnisse zu beseitigen. Dieser Plan geht im wesentlichen dahin, daß die Banknoten à 1 fl. und 5 fl., deren Gesamtbelauf 157 Millionen beträgt, vom Staate übernommen und als Staatspapiergeld erklärt werden, hiedurch die Bank von der Verpflichtung, sie einzulösen, befreit, rücksichtlich das Verhältnis in dieser Beziehung gelöst werde und von der Schuld des Staates der Betrag von 157 Millionen abgestreift würde. Hiebei wäre aber zugleich zu bestimmen, daß die niedrigsten Notenappoints der Nationalbank nur 10 fl. sein sollen und daß die als Staatspapiergeld übernommenen Noten à 1 fl. und 5 fl. einerseits als Steuergeld bund bei allen lf. Kassen als Zahlungsmittel angenommen, andererseits nur bis zum Betrage von 10 fl. mit obligatorischer Annahme kursierendb, für den Privatverkehr eigentlich nur ceine höherec Scheidemünze sein sollen. Wohl erheben sich gegen einen solchen Vorgang Bedenken, und namentlich rege sich bezüglich des Bestandes von zweierlei Papiersorten die Besorgnis, daß ein Disagio der Staatsnoten gegen die Banknoten hervorgerufen werde, dem lasse sich aber entgegen, daß, nachdem das neu hinauszugebende Staatspapiergeld sich nur auf dein gewisses kleineres Verkehrsbedürfnis beschränkt, dagegen das eigentliche Handelsgeld durch die Noten der Nationalbank vertreten sein würded, nicht so leicht eine Entwertung des einen Papiergeldes eintreten, sondern es sich im ganzen ausgleichen werde. eDer Staat bekäme hiebei die sämtlichen Domänen und den größten Teil der 1860er Lose zurück und könnte die Veräußerung der Domänen zur angemessenen Einziehung und Verminderung der 1 fl. und 5 fl. Staatsnoten im Wege eines eigenen Amortisierungsplanes verwendene . Der Finanzminister würde daher auf Grundlage dieser hier bloß in Umrissen dargelegten Ideen — falls der hohe Ministerrat zustimmt — ein Gesetz vorbereiten, um es seinerzeit, in dem vorbemerkten Falle nämlich, vorlegen zu können7.
[b] Der Finanzminister wendet sich sodann zu der Erörterung seiner Anträge, die er in bezug auf die Deckung des Defizites pro 1862 zu stellen willens ist. Von diesem Defizit werde der Betrag von 70 Millionen durch die 1860er Lose gedeckt, der Restbetrag könne nur im Wege der Besteuerung hereingebracht werden8, und da frage es sich nun, ob durch Einführung neuer Steuern oder durch Erhöhung der bereits bestehenden. Die Umlage von neuen Steuern erweise sich im Momente nicht geeignet, dem dringenden Bedürfnisse abzuhelfen, weil dieselbe eine Menge Vorbereitungen || S. 208 PDF || bedinge und es eine bekannte Sache sei, daß von der Anlagef neuer Steuern bis zum wirklichen Einfließen der Gelder in die Kassen eine Zeit von mehreren Monaten vergeht, welcher Umstand hauptsächlich im Hinblicke auf die Notwendigkeit der Deckung des Defizites der nächsten Monate, gdann auf die Untunlichkeit, in Ländern wie in den ungarischen, wo passiver Widerstand bestehe, für neue Steuern die Grundlage mittels Fassionen und Katastrierungen zu schaffeng, volle Beachtung verdiene. Indem der Minister die Hindernisse, welche gegen die Einführung von neuen Steuern vorhanden sind, noch des näheren auseinandersetzt und hiebei namentlich die Unzulässigkeit der schon öfters angeregten Kopfsteuer, die in letzter Auflösung doch nichts anderes als eine verkappte Steuererhöhung sich darstellen hund mit der ungarischen und siebenbürgischen Kopfsteuer (Personalerwerbssteuer usw.) inkompatibel seinh würde, und die Untunlichkeit der Klassensteuer, die auch nichts anderes als eine Modifikation der bestehenden Einkommensteuer wäre iund neben dieser eine Doppelbesteuerung begründen würdei, erörtert, kommt er zu dem Schlusse, daß bei den gegenwärtigen Verhältnissen und bei seinem jetzigen Standpunkte nichts anderes erübrige, als einige der bereits bestehenden Steuern entsprechend zu erhöhen. In dieser Richtung haben sich ihm nun folgende Mittel geboten.
1. Bei dem Salzgefälle könnte eine angemessene Erhöhung der Salzpreise ohne Bedenken eintreten. Wenn nämlich das Pfund Salz um einen Kreuzer erhöht würde, entfiele, nachdem der Verbrauch des Salzes pro Kopf mit 10 bis 12 Pfund jährlich angenommen wird, auf den einzelnen eine Mehrbesteuerung von 10 bis 12 Kreuzer jährlich. Durch diese gewiß nicht sehr bedrückende Erhöhung würden aber j5 bisj 6 Millionen mehr einkommen, und es sei auch dieser Antrag gegenwärtig dadurch erleichtert, als man kunlängst die Preise für Industriesalze sehr herabgesetzt undk gerade jetzt eine Herabminderung der Verschleißpreise für das Viehlecksalz bewilligt und so dem lIndustriellen und deml Landmanne diesen für siem wichtigen Stoff zu den billigsten Preisen zugänglich gemacht hat9.
2. könnten einzelne Tarifsätze des Gebühren- und Stempelgesetzes ohneweiters erhöht werden. Eine allgemeine Umarbeitung dieses Gesetzes sei jetzt allerdings nicht tunlich, dagegen scheine es dem Finanzminister leicht durchführbar zu sein, nmehrere in andern Staaten belegte Urkunden, als Personen- und Frachtkarten [und] Rechnungen, in den Kreis der Stempelpflicht einzubeziehen und bei gerichtlichen Eingaben, Protokollen und Ausfertigungen (ohne Berührung der proportionalen Gebühr vom Rechtsgeschäfte)n mehrere in andern Staaten belegte Urkunden, als Personen- und Frachtkarten [und] Rechnungen, in den Kreis der Stempelpflicht einzubeziehen und bei gerichtlichen Eingaben, Protokollen und Ausfertigungen (ohne Berührung der proportionalen || S. 209 PDF || Gebühr vom Rechtsgeschäfte) eine angemessene Erhöhung eintreten zu lassen. Hiedurch würden nach beiläufiger Berechnung 10 Millionen mehr einfließen, und es wären daher mit den obigen 6 Millionen schon 16 Millionen zur weitern Deckung des Staatsdefizites gewonnen10. Der Restbetrag müßte 3. durch entsprechende Erhöhung der direkten Steuern (Grundsteuer, Erwerbssteuer) und teilweise der Verzehrungssteuer hereingebracht werden. Zur Rechtfertigung dieser Erhöhung ließe sich anführen, daß der Staat mit Rücksicht oauf die mit den Katastralpreisen dermalen in gar keinem Verhältnisse stehenden und enorm gestiegenen Fruchtpreise, insbesondere an Grundsteuer weit weniger beziehe, als dem Steuersystem entspricht; dann, daß die Finanzeinnahmen bei der Entwertung der Valuta im allgemeinen eine weit geringere geworden seio auf die mit den Katastralpreisen dermalen in gar keinem Verhältnisse stehenden und enorm gestiegenen Fruchtpreise, insbesondere an Grundsteuer weit weniger beziehe, als dem Steuersystem entspricht; dann, daß die Finanzeinnahmen bei der Entwertung der Valuta im allgemeinen eine weit geringere geworden sei, während der Besitzer und der Fabrikant seine Produkte eben mit Rücksicht auf diese Verhältnisse besser anbringe, daher ihn eine geringe Erhöhung der Steuer nicht gar so empfindlich treffe11. Dieses wären, meinte schließlich der Finanzminister, die Prinzipien, auf deren Grundlage er die neuen Gesetze vorbereiten ließe, die dann zur ordnungsmäßigen Beratung im Staatsrate und im Ministerrate vorgelegt würden, [während] sein heutiger Vortrag aber nur den Zweck habe, hiezu im Prinzipe die Zustimmung der hohen Konferenz zu erlangen.
Se. kaiserliche Hoheit der Vorsitzende Herr Erzherzog geruhten hierauf zunächst den ersten Teil der Vorschläge der Finanzministers, nämlich jene, welche sich auf die in dem Entwurfe des Übereinkommens zwischen der Staatsverwaltung und der Nationalbank vorzunehmenden zwei Modifikationen, dann auf die im Falle des Mißlingens dieses Übereinkommens zu ergreifenden Maßregeln beziehen, zur Abstimmung zu bringen, bei welcher sich alle Stimmführer des Ministerrates sowohl mit den Modifikationen als auch mit dem Plane des Finanzministers einverstanden erklärten, gleichwohl allseitig als nicht glaublich angenommen wurde, daß von dieser Reserve ein Gebrauch wird gemacht werden müssen, zumal es kaum denkbar sei, daß es den Bankausschüssen mit der Liquidation, die doch gewiß eine große Störung in den Verkehrsverhältnissen herbeiführen würde, ein Ernst ist. Minister Ritter v. Lasser würde nur wünschen, a) daß die Bestimmung bezüglich der 2%igen Verzinsung der permanenten Schuld von 80 Millionen derart gestellt werde, daß von dieser Verzinsung sukzessive zurückgegangen werde, pin dem Maße, als die Wiener Währungsschuld von 40 Millionen und die 89 Millionen, wofür die Domänen verpfändet sind, an die Bank bezahlt werden, wornach dann für die bleibende Schuld per 80 Millionen keine Zinsen mehr gezahlt werden sollten, und b) daß der Plan, die 1 fl. Noten als Staatsnoten zu übernehmen, nicht aufgegeben werde, weil sie, für den Kleinverkehr ganz unentbehrlich, keiner bankmäßigen Deckung bedürfen und keine Entwertung zu befürchten ist, wenn sie nur wie die Scheidemünze als Steuergeld angenommen werdenp in dem Maße, als die Wiener Währungsschuld von 40 Millionen und die 89 Millionen, wofür die Domänen verpfändet sind, an die Bank bezahlt werden, wornach dann für die bleibende Schuld per 80 Millionen keine Zinsen mehr gezahlt werden sollten, und b) daß der Plan, die 1 fl. Noten als Staatsnoten zu übernehmen, nicht aufgegeben werde, weil sie, für den Kleinverkehr ganz unentbehrlich, keiner bankmäßigen Deckung bedürfen und keine Entwertung zu befürchten ist, wenn sie nur wie die Scheidemünze als Steuergeld angenommen werden. Der || S. 210 PDF || Handelsminister aber meinte, daß diese Verzinsung nicht gleich, sondern erst späterhin einzutreten hätte12.
In bezug auf den zweiten Teil der Anträge des Finanzministers, nämlich die Finanzoperationen zur teilweisen Deckung des Staatsdefizits pro 1862, erklärten sich bei der hierüber vorgenommenen Umfrage sämtliche Mitglieder des Ministerrates im Prinzipe mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Steuern einverstanden, wobei der Kriegsminister nur bezüglich der Salzpreiserhöhung die Bewohner der Militärgrenze von dieser Maßregel ausgeschlossen wissen wollte und der Polizeiminister aufmerksam machte, daß eine Erhöhung der Grundsteuer sehr üble Sensation machen dürfte, daher dieser, wenn es nur halbwegs möglich ist, auszuweichen wäre; der Handelsminister aber die Steigerung der Verzehrungssteuer für äußerst bedenklich hielt, indem diese auf den Konsumenten, der bei den gegenwärtigen Verhältnissen ohnehin der Bedrückteste ist, eine große Rückwirkung machen wird und man in dieser Beziehung lieber zu der Kopfsteuer, die ganz einfach ist und in der Durchführung keinen Schwierigkeiten unterliegen dürfte, greifen könnte13.
Wien, am 16. Jänner 1862. In Abwesenheit Sr. kaiserlichen Hoheit auf höchsten Befehl Rechberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 3. Februar 1862. Empfangen 4. Februar [1862]. Rechberg.