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Nr. 158 Ministerrat, Wien, 24. November 1861 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 25. 11.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw. Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 6. 12.

MRZ. 960 – KZ. 3796 –

[Tagesordnungspunkte]

Protokoll des zu Wien am 24. November 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Statut für den Unterrichtsrat

Se. k. k. apost. Majestät geruhten durch den Staatsminister die Motive mehrerer Bestimmungen des au. beantragten Statuts für den Unterrichtsrat eingehend beleuchten zu lassen1, u. zw. insbesondere jener über die Bildung einer Abteilung für die Volksschulen § 6, einer Sektion für die evangelisch-theologischen Anstalten § 7, dann die Zahl und Amtsdauer der Unterrichtsräte §§ 9, 10 und 13.

Zu einer längeren Beratung gab die von Sr. Majestät Ah. aufgeworfene Frage Anlaß, ob nicht der letzte Paragraph des Statutenentwurfs, welcher von der Ingerenz des Unterrichtsrates in die ungarischen, siebenbürgischen und kroatischen Unterrichtsangelegenheiten handelt, ganz wegbleiben könne, da er eigentlich fast nur eine umschreibende Wiederholung des § 1 ist und daher diesen Paragraph eher abschwächt als bekräftigt. Abgesehen hievon würde die Textierung des letzten Paragraphes durch die Weglassung des sinnstörenden Wortes „gleichfalls“ nur gewinnen. Im Laufe der hierüber gepflogenen Erörterung erinnert der ungarische Hofkanzler , daß bei den über dieses Statut stattgefundenen Ministerkonferenzen die Beifügung dieses im ursprünglichen Entwurf nicht enthaltenen Schlußparagraphes deswegen beschlossen worden sei, um der Eigentümlichkeit Rechnung || S. 60 PDF || zu tragen, daß der Wirkungskreis der ungarischen Statthalterei, welcher ein eigener Studienrat beigegeben ist, dann den politischen Landesstellen in Kroatien und Siebenbürgen in Personal- und didaktischen Angelegenheiten ein etwas ausgedehnterer ist als der Wirkungskreis der dem Staatsministerium unterstehenden Landesstellen. Dieser Zusatz sollte ausdrücken, daß in dem von Sr. Majestät wiederhergestellten Wirkungskreise jener drei Landesstellen (sowie der Hofstellen) durch das Statut nichts geändert worden sei. Sofern diese Absicht durch eine anderweitige Textänderung erreicht werden kann, finde Graf Forgách von seinem Standpunkt gegen die Weglassung des letzten Paragraphes nichts zu erinnern. Der Ministerrat vereinigte sich hierauf zu dem vom Minister Ritter v. Lasser formulierten au. Antrage, im § 2 einen Satz beiläufig des Inhaltes einzuschalten: „daß der Unterrichtsrat von den Ministerien und Hofkanzleien nur insoweit in Anspruch zu nehmen sei, als die Unterrichtsangelegenheiten der Entscheidung dieser Behörden vorbehalten sind“. Se. Majestät der Kaiser geruhten diesen Antrag Ag. zu genehmigen, und es wurde sonach der Schlußparagraph gestrichen.

Schließlich bemerkte der ungarische Hofkanzler , er sehe voraus, daß die Ingerenz des Unterrichtsrates bei Volksschulangelegenheiten in manchen Ländern, namentlich in Böhmen, wo man den Einfluß der Landesvertretung auf die Volksschule im weitesten Sinne aufzufassen geneigt ist, nicht günstig aufgenommen werden dürfte, worauf Se. Majestät zu erwidern geruhten, daß man das Was und Wie in der Volksschule gelehrt werden solle, nicht ohne die nachteiligsten Folgen ganz den Landesvertretungen zur Entscheidung überlassen könne2.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Venedig, 3. Dezember 1861. Empfangen 6. Dezember 1861. Erzherzog Rainer.