Nr. 13 Ministerrat, Wien, 20. Februar 1861 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet (RS.Reinschrift Klaps); VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 21. 2.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Degenfeld, Plener, Wickenburg, Lasser, Szécsen 25. 2., Pratobevera 24. 2., Szög yény, Mažuranić 22. 2.; abw.abwesend Vay; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 27. 2.
MRZ. – KZ. 613 –
Protokoll der Ministerkonferenz am 20. Februar 1861 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Die Landesstatute
Se. k. k. apost. Majestät geruhten, als den Gegenstand der heutigen Beratung die Landesstatute zu bezeichnen, Allerhöchstsich über die Motive mehrerer Bestimmungen nähere Auskünfte erstatten zu lassen und nach Erörterung der Verhältnisse auch die nachfolgenden Modifikationen des Textes Ah. zu beschließen1.
A) Bestimmungen, welche in allen Statuten gleich lautena . Landesordnung: § 2. Statt „die Befugnisse werden geübt“ ist zu setzen „werden ausgeübt“. Die im § 15 vorbehaltene Ah. Genehmigung des Betrages der Entschädigung für die Landesausschußmitglieder wird vom Staatsminister und den Ministern v. Lasser und v. Plener dadurch motiviert, daß diese Entschädigung vielleicht aus persönlichen Rücksichten zu hoch bemessen werden könnte, was einerseits gegenüber den Staatsbeamten ähnlicher Stellung unverhältnismäßig und andererseits für den Landesfonds lästig sein könnte . Se. Majestät der Kaiser fanden es jedoch nicht für nötig, diese Beschränkung eintreten zu lassen, da der Landtag hierbei vor allem kompetent sei und selbst eine zu reichliche Bemessung der Entschädigung für die so wenigen Ausschußmitglieder dem Lande nicht fühlbar sein könnte. Die letzten Worte des zweiten Absatzes wurden hiernach gestrichen. Die Bestimmung des § 16 „Zu jedem Landesgesetz ist die Übereinstimmung des Kaisers und des Landtages erforderlich“ geruhten Se. Majestät insoferne zu beanständen, daß hiernach Kaiser und Landtag auf gleiche Linie gestellt werden und der kaiserlichen Sanktion, welche doch erst die Gesetzeskraft verleiht, keine ausdrückliche Erwähnung geschieht. Der Staatsminister wird diesen Passus entsprechend modifizieren2. Im § 17, Absatz 3, wird die Wiederholung des Wortes „Anordnungen“ durch stilistische Verbesserung zu vermeiden sein. Zu § 33 erinnerte der Staatsminister, es sei selbstverständlich, daß der Landmarschall das Recht habe, die Galerie bei unziemlichem Benehmen der Zuhörerschaft räumen zu lassen. Dies wird in der Geschäftsordnung noch bestimmt ausgesprochen || S. 90 PDF || werden. Im § 41 vermißten Se. Majestät das Sistierungsrecht des Landmarschalls. Der Staatsminister erörterte, daß dieser Ausspruch nicht nötig sein dürfte, indem der Landtag als solcher keine Exekutivbehörde ist, sondern seine Beschlüsse nur durch den Ausschuß oder die politischen Behörden vollziehen könne. In beiden Fällen könne daher der Landmarschall die Sistierung faktisch eintreten lassen, ohne daß es nötig sei, es hier auszusprechen und dadurch dem Landtage indirekte ein Vollzugsrecht zuzuerkennen. Auf die Bemerkung des Finanzministers , daß es sach- und zweckgemäßer und offener wäre, wenn der Landmarschall gleich in der Landtagssitzung den Beschluß sistiere, statt ihn nachträglich in der Eigenschaft als Präsident des Ausschusses zu paralysieren, erwiderte der Staatsminister , daß ein kluger Landmarschall ohnehin gleich in der Sitzung seine entschiedene Einsprache vorbringen werde.
Landtagswahlordnung: Bei § 7 geruhten Se. Majestät auf die Belästigung der Wähler aus verschiedenen Städten hinzuweisen, welche dadurch entsteht, daß sie zum gemeinschaftlichen Wahlorte hinreisen müssen. Dies werde von der Beteiligung abhalten. Der Staatsminister bemerkte, daß es für diesen unleugbaren Übelstand keine andere Abhilfe gäbe als indirekte Wahlen, welche aber jetzt allgemein unbeliebt sind. Die Minister v. Lasser und Baron Mecséry glaubten ebenfalls, daß diesfalls jetzt nichts zu ändern und den Landtagen zu überlassen wäre, selbst darum anzusuchen, was wohl viele tun werden. § 37. Se. Majestät geruhten anzuordnen, daß die Bestimmung des Absatzes 1 dahin zu ändern sei, daß die Bürgermeister überhaupt — so wie in Wien — Vorsitzende der Wahlkommissionen zu sein haben, da es für die Gemeindevorsteher kränkend wäre, sich einen Gemeinderat bei diesem Akte vorgezogen zu sehen3.
B) Spezielle Bestimmungen der einzelnen Statute.
Niederösterreich: Zu § 3, d, wurde Ah. angeordnet, den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften aus den Landtagsmitgliedern zu streichen, nachdem dieses Institut keine Landesanstalt ist und dessen Präsident angemessener seinen Platz im Reichstage finden würde. Auf die Ah. Bemerkung, daß die zweite Gruppe der Städte, Märkte und Handelskammern in diesem Kronlande, so wie in den meisten übrigen, relativ am zahlreichsten vertreten sei, versichert der Staatsminister , daß man sich bei Ausmittlung der Mitgliederzahl sorgfältig an die Steuerquote gehalten habe.
Salzburg: Nach längerer Erörterung entschieden Se. Majestät Allerhöchstsich für die Beibehaltung des in der Amtssprache bereits eingebürgerten Ausdruckes „Landeschef4“.
Oberösterreich: Se. Majestät geruhten Ah. anzuordnen, daß der § 24, welcher in keinem anderen Statute vorkommt und auch hier entbehrlich erscheint, weggelassen werde.
|| S. 91 PDF || Böhmen: Se. Majestät geruhten zu erwähnen, daß Karolinenstadt (Dorf)b und Smichow (Markt) unrichtig als Städte genannt werden, was zu rektifizieren ist.
Schlesien: Der Bischof von Breslau erscheint nicht unter den Landtagsmitgliedern. Da er jedoch auch zum österreichischen Episkopat gehört, er daher als sujet mixte zu betrachten kommt, [und da] der Minister des Äußern gegen dessen Berufung in den schlesischen Landtag vom internationalen Standpunkte keine Schwierigkeiten erblickt und Bischof Förster seinen ausgezeichneten persönlichen Eigenschaften nach im Landtage sehr gut wirken wird, geruhten Se. Majestät Ah. anzuordnen, daß der Bischof von Breslau eine Virilstimme im schlesischen Landtage erhalte.
Galizien: Se. Majestät geruhten zu bemerken, daß die Berufung auf das Gemeindegesetz vom 17. März 1849 5, welches dortland unbekannt ist, nicht am Platze sei. Im § 22 der Wahlordnung sei statt § 15 der § 14 zu zitieren.
Bukowina: Nachdem — wie der Finanzminister erklärte — in diesem Lande kein landständisches Vermögen besteht, wird infolge Ah. Anordnung die entsprechende Berichtigung im Statute vorgenommen werden müssen.
Dalmatien: Se. Majestät der Kaiser geruhten, die Frage zur Beratung zu bringen, ob es angezeigt erscheine, schon jetzt ein vollständiges Landesstatut für dieses Königreich zu erlassen, oder ob man sich darauf beschränken könne, jetzt bloß eine Landtagswahlordnung zu publizieren, wobei der Landtag vorderhand nichts anderes zu tun hätte, als die Deputierten zur Verständigung mit Kroatien und die Mitglieder des Unterhauses zu wählen. Die Bitte der letzten dalmatinischen Deputation sei selbst nicht weitergegangen. Das Land wünsche nur, eine Gelegenheit zu erhalten, sich über die Wiedervereinigungsfrage auszusprechen. Die Regierung hat auch kein Interesse, in der ständischen Organisierung Dalmatiens jetzt weiter zu gehen, zumal sie dadurch die Kroaten, deren Haltung eine im allgemeinen löbliche ist, verstimmen würde. Der Präsident des kroatisch-slawonischen Hofdikasteriums bittet, Se. Majestät wollen geruhen, der im Ah. Handschreiben vom 5. Dezember v. J. an den Ban ausgesprochenen Ah. Geneigtheit zur Wiedervereinigung Dalmatiens mit Kroatien6 Folge zu geben. Diese Angelegenheit sowie die Vertretung der Militärgrenze bewegen die Gemüter in Kroatien beinahe fieberhaft, und die Erlassung eines vollständigen Landesstatuts für Dalmatien in diesem Augenblick würde in Kroatien einen peinlichen Eindruck hervorbringen, weil man darin die Ah. Präjudizierung der bis jetzt noch offenen Anschlußfrage erblicken würde. Minister Graf Szécsen trat dieser Meinung bei. Der Minister des Äußern sprach sich über die Notwendigkeit aus, das slawische Element in Dalmatien als das Österreich freundliche zu kräftigen gegenüber den Bestrebungen der sehr rührigen italienischen Minorität. Der Staa Antrage des Staatsministers tsminister äußerte, es schiene ihm angezeigt, daß bei dem bevorstehenden großartigen Ah. Akte Dalmatien allein nicht von der Verleihung eines vollständigen Landesstatuts ausgeschlossen bleibe. Die Unparteilichkeit der Regierung || S. 92 PDF || in der Anschlußfrage könne immerhin dadurch vollkommen gewahrt werden, daß sich Allerhöchstenortes in dem Einberufungspatente sowohl als in einem an Ritter v. Schmerling zu erlassenden Ah. Handschreiben dahin ausgesprochen werde, die Tätigkeit des Dalmatiner Landtages habe sich vorderhand und bis zur Entscheidung der Wiedervereinigungsfrage bloß auf die Wahlen, ohne Bestellung des ständischen Ausschusses, zu beschränken7. Die Minister des Krieges, der Polizei und des Handels, dann Baron Pratobevera und Ritter v. Lasser traten dem Antrage des Staatsministers bei. bDer Minister der Finanzen erachtete es für ein Gebot der Gerechtigkeit, Dalmatien gegenüber Kroatien vollkommen gleichberechtigt zu stellen, demselben eine vollständige Landtagsordnung zu geben, indem der zutagegetretene Wunsch Kroatiens nach Vereinigung keinen Anlaß zu einer Verkümmerung Dalmatiens geben dürfte und nur ohne eine solche eine gedeihliche Lösung der Vereinigungsfrage möglich sei.c Der Minister der Finanzen erachtete es für ein Gebot der Gerechtigkeit, Dalmatien gegenüber Kroatien vollkommen gleichberechtigt zu stellen, demselben eine vollständige Landtagsordnung zu geben, indem der zutagegetretene Wunsch Kroatiens nach Vereinigung keinen Anlaß zu einer Verkümmerung Dalmatiens geben dürfte und nur ohne eine solche eine gedeihliche Lösung der Vereinigungsfrage möglich sei. Im § 10 der Wahlordnung fehlt vor „einhundert Gulden“ das Wort „wenigstens“.
Wien, den 21. Februar 1861. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 27. Februar 1861. Empfangen am 27. Februar 1861. Erzherzog Rainer.