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Nr. 240 Ministerkonferenz, Wien, 6. Dezember 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 6. 12.), Gołuchowski 8. 12., Mecséry 8. 12., Lasser 10. 12., Szécsen, Plener 11. 12., FML. Schmerling 12. 12.; abw. Degenfeld, Vay.

MRZ. – KZ. 4275 –

Protokoll der zu Wien am 6. Dezember 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses Grafen v. Rechberg.

I. Ermächtigung der lombardisch-venezianischen Zentralkongregation zur Ämterbesetzung

Zufolge Ah. Befehls vom 25. November 1860 ist über den Antrag des Staatsministers auf Ermächtigung der lombardisch-venezianischen Zentralkongregation, die Systemisierung des Personal- und Salarialstandes nicht nur des eigenen Hilfsamts-, sondern aller vom Landesfonds erhaltenen Anstalten selbst auszusprechen, die Beratung in der Ministerkonferenz zu pflegen und dabei zugleich zu erwägen, in welcher Form der Ah. Beschluß Sr. Majestät über den vorliegenden und ähnliche andere Anträge zu erlassen wäre1.

In merito rechtfertigte der Staatsminister seinen Antrag damit, daß sowohl in den bereits publizierten als auch in den noch in Verhandlung stehenden Landesstatuten den Landtagen die gleiche Berechtigung eingeräumt wird.

In forma bemerkte er, daß, nachdem es sich hier nicht um ein förmliches Landesstatut, sondern nur um eine teilweise Erweiterung des Wirkungskreises der Zentralkongregation handelt, kein Grund bestehen dürfte, für den diesfalls zu erlassenden Ah. Beschluß eine andere Form zu wählen als diejenige, welche rücksichtlich der kürzlich bewilligten Erweiterung der Wirksamkeit der Kongregation, deren Folge eben die Notwendigkeit der Vermehrung ihres Beamtenstandes gewesen, in Anwendung gebracht worden ist, nämlich die Erlassung einer Ah. Entschließung auf den Vortrag des Staatsministers2.

Die Konferenz war in beiden Beziehungen mit dem Antrage des Staatsministers einverstanden3.

|| S. 142 PDF || Minister Graf Szécsen ergriff diesen Anlaß zu der Bemerkung, daß, wenngleich die gegenwärtigen politischen Verhältnisse Italien gegenüber die Erlassung eines Landestatuts für das lombardisch-venezianische Königreich widerraten, doch wenigstens zur Ausarbeitung eines solchen Statutes geschritten werden sollte, damit nicht die Meinung Platz greife, die Regierung könne oder wolle für es nichts tun, weil sie es überhaupt für eine Landesverfassung nicht geeignet gehalten oder die Aussicht auf dessen Verbleiben bei der Monarchie aufgegeben habe.

Die Beratung hierüber wurde einem späteren geeigneteren Zeitpunkte vorbehalten, nachdem der Ministerpräsident bemerkt hatte, wie bedenklich es jetzt wäre, an dem in dem Lande so tief gewurzelten Institute der Kongregationen zu rütteln4.

II. Statuten des böhmischen vaterländischen Museums

Der Staatsminister referierte über eine zwischen ihm und dem Ministerium für Kultus und Unterricht einer-, dann dem Polizeiministerium andererseits obwaltende Meinungsverschiedenheit über die Stellung des Ausschusses der böhmischen vaterländischen Museumsgesellschaft zu dem bei ihr bestehenden Komitee für Verbreitung guter tschechischer Bücher und dem Fonds desselben (Matica česka)5.

Nach der Darstellung des Entstehens dieses Vereins und des sukzessiven Bestrebens des Komitees für tschechische Literatur, sich von der Gesellschaft zu emanzipieren, ging der Staatsminister auf die Verhandlungen über, welche bezüglich der Erneuerung der Statuten gepflogen worden sind. Infolge derselben wurde zwar mit Ah. Entschließung das Statut des Museums bestätigt und verordnet, daß dem Komitee für tschechische Literatur von dem Museum eine Instruktion afür die böhmische Sektion über das Gebaren mit der Matica erteilt werdea .6 Allein, das Museum verlangte, daß in seine Statuten auch die Bestimmungen über jenes Komitee (Sektion)b und die Matica aufgenommen werden, wornach Se. Majestät unterm 13. Juni 1859 die nochmalige Verhandlung dieses Gegenstandes mit dem Beisatze anzubefehlen geruhten, es sei in Erwägung zu ziehen, ob nicht für das Komitee ein besonderes Statut zu verfassen sei7.

Die hiernach gepflogenen Verhandlungen haben nun zu dem Resultate geführt, daß einstimmig anerkannt wurde, es sei für das Komitee kein eigenes Statut zu verfassen, weil es nicht ein selbständiger Verein ist, sondern als eine Sektionsabteilung des Museums der Aufsicht und Kontrolle des Museumsausschusses untersteht. Wohl aber war das Polizeiministerium dafür, daß die Bestimmungen über die Kuratel cdes Komiteesc, || S. 143 PDF || dann über die Gebarung mit dem Fonds dseitens des Komiteesd in die Museumsstatuten selbst aufgenommen werden, wogegen das Unterrichts­ministerium und der Minister des Inneren beziehungsweise der Staatsminister der Meinung waren, die eBestimmungen in betreff des Komitees nicht in das Museumsstatut aufzunehmen, sondern in einem besonderen Anhange zu demselben die Zwecke des Fonds der Matica česka sowie auch der Art der Gebarung mit diesem Fonds zusammenzufassen, für die böhmische Sektion (Komitee) dagegen hätte eine von der Statthalterei zu genehmigende Instruktion zu geltene .

Nach der Ansicht des mit den diesfälligen Verhältnissen näher bekannten Polizeiministers handelt es sich vornehmlich darum, den Grundsatz der Abhängigkeit des Komitees für tschechische Literatur und seiner Gebarung mit dem Fonds von dem Ausschusse des Museums sowie der Stellung des ersteren unter die Kontrolle des letzteren in bestimmter Form zur Geltung zu bringen, damit dem Streben des Komitees, sich unabhängig zu machen und über die Geldmittel der Matica, wie es bisher leider geschah, ohne Rücksicht auf wahres literarisches Verdienst, bloß nach persönlicher Gunst und selbst zu Parteizwecken zu verfügen, wirksam Einhalt getan werde. Kann dies mittelst einer Instruktion oder eines Anhanges zu den Museumsstatuten erreicht werden, so wäre dagegen wohl nichts einzuwenden; aber ebensowenig schiene es einem Anstande zu unterliegen, derartige Bestimmungen in das Museumsstatut selbst aufzunehmen, vielmehr schiene diese letztere Modalität den Vorzug zu verdienen, weil bloße Instruktionen wenig helfen, wenn dem Ausschusse nicht schon in den Statuten sein Einfluß auf die Gebarung des Komitees gesichert ist.

Der Staatsminister hielt die Ansicht fest, daß jener Zweck auch auf die von ihm beantragte Art erreicht werden wird, indem sowohl der Ausschuß als auch das ihm untergeordnete Komitee durch die Gebarungsinstruktion, welche vom Statthalter zu sanktionieren sein wird, an die Bestimmungen derselben gebunden ist. In die Museumsstatuten aber gehören sie nicht, weil der Fonds, die Matica česka, nicht ein dem Museum gehöriger, sondern durch Subskription gebildeter Fonds ist. fEs sei nur notwendig, daß in einem Anhange zu den Statuten ausgedrückt werde, in welcher Weise mit dem Fonds der Matica česka gebart werden soll und wem die Kontrolle zusteht.f

Eben darum aber, bemerkte Minister v. Lasser , und weil dem Museumsausschusse – wie es scheint – das Recht bestritten wird, eine Kontrolle über das Gebaren des Komitees mit dem Fonds auszuüben und demselben in dieser Beziehung beschränkende Instruktionen zu geben, wird es notwendig sein, dem Ausschusse dieses Recht statutenmäßig zu sichern, mithin in die Museumsstatuten selbst eine Bestimmung aufzunehmen, welche dieses Recht ausdrücklich anerkennt.

Hiermit vereinigten sich nicht nur der Polizeiminister, sondern auch die übrigen Votanten der Konferenz8.

III. Verwarnung des Journals „Ostdeutsche Post“

Das Journal „Ostdeutsche Post“ vom 6. Dezember 1860 enthält zwei Artikel, wovon der eine die Regierung in einer Weise angreift, die geeignet ist, ihre Autorität zu erschüttern, und der andere die rechtliche Grundlage der bisher erschienenen Landesstatute vom 20. Oktober aus dem Grunde bestreitet, weil die in den Jahren 1849 und 1850 erlassenen noch zu Recht beständen.

In Verbindung mit anderen ähnlichen Angriffen, welche die Zeitschrift sich in ihren Blättern vom 22. und 28. Oktober, 21. und 25. November erlaubt hat, zeigen diese Artikel eine fortgesetzte Tendenz in einem der Staatsgewalt so feindlichen Sinne, daß gegen dieses Journal nach den Bestimmungen des Preßgesetzes mit einer Verwarnung vorgegangen werden könnte.

Der Polizeiminister hat in dieser Absicht den Entwurf der Begründung dieser Verwarnung aufgesetzt, welchen er vorlas, nahm jedoch Anstand, auf deren wirkliche Hinausgabe anzutragen, weil der erste Artikel des Blatts vom 6. d. [M.] persönliche Angriffe auf die Minister enthält, mithin die Verwarnung aus diesem Anlasse als das Ergebnis einer persönlichen Gereiztheit der Minister angesehen werden würde. Auch bezweifelte er, daß eine solche Verwarnung den gewünschten Erfolg einer Mäßigung erreichen werde9.

Die Mehrheit der Konferenz teilte die Ansicht über die Rechtmäßigkeit der Verwarnung, und der Ministerpräsident sowie der Staatsminister würden selbst in dem Umstande, daß der erste Artikel persönliche Angriffe enthält, kein Bedenken finden, auch dieses Artikels wegen mit der Verwarnung vorzugehen, weil die darin enthaltene Beschuldigung, das Ministerium gehe in einem dem kaiserlichen Diplom widersprechenden Sinne vor, eine absichtliche Entstellung des von ihm seit 22. August 1859 eingehaltenen Vorganges ist und weil ihm die Lösung seiner Aufgabe unmöglich wird, wenn man dem systematisch fortgesetzten feindseligen Bekämpfen aller Regierungsmaßregeln nicht mit allem Ernst entgegentritt. An dem Erfolge der Verwarnung ist nicht zu zweifeln, sobald im dritten Falle die Einstellung des Journals unnachsichtlich eintritt; aber es muß der Anfang damit gemacht und vor der Anwendung des gesetzlichen Mittels nicht zurückgeschreckt werden.

Die Minister v. Lasser und Graf Szécsen teilten zwar die Ansicht des Polizeiministers bezüglich des ersten Artikels; nachdem aber der zweite, gegen den Ausspruch des kaiserlichen Diploms vom 20. Oktober, die Rechtsbeständigkeit der Landesverfassungen von 1849 und 1850 behauptet, so schiene ihnen derselbe in Verbindung mit den früheren Angriffen auf die Statute vom 20. Oktober genügendes Material zur Erteilung einer Verwarnung darzubieten, nur wäre dieselbe ausdrücklich auf diesen zweiten Artikel zu gründen, um jeden Schein persönlicher Rücksichten dabei zu vermeiden.

Dieser Meinung trat auch FML. v. Schmerling bei; es war somit die Mehrheit der Konferenz für die sofortige Erteilung der Verwarnung.

Der Leiter des Finanzministeriums trat dagegen der Ansicht des Polizeiministers bei, daß der vorliegende Anlaß zu einer Verwarnung nicht geeignet wäre, und zwar auch nicht einmal bezüglich des zweiten Artikels, weil seines Wissens wenigstens die provisorischen Gesetze über die Landesvertretung von den Jahren 1849 und 1850 gesetzlich || S. 145 PDF || nicht zurückgenommen worden sind, mithin die Frage über deren Bestand, die in dem gedachten Artikel besprochen wird, allerdings eine Diskussion noch zulässig macht10. Überhaupt aber fände er allzu strenge Maßregeln gegen die Presse nicht angezeigt, da sie bezüglich der Landesstatute wirklich nur der Ausdruck der öffentlichen Meinung ist, die sich davon anderes erwartet hat, als was darin gegeben worden11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 4. Februar 1861.