MRP-1-4-02-0-18600626-P-0181.xml

|

Nr. 181 Ministerkonferenz, Wien, 26. Juni 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Kaiser; BdE. und anw. Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 27. 6.), Thun 28. 6., Nádasdy 27. 6., Gołuchowski 27. 6., Thierry 28. 6., Plener 28. 6., FML. Schmerling 29. 6.

MRZ. – KZ. 2087 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 26. Juni 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Geschäftssprache der Behörden im Temescher Banat und in Galizien

Der Minister des Inneren referierte gemäß des in der hohen Konferenz am 23. d. M. erhaltenen Ah. Auftrages1 seine au. Anträge in bezug auf die Geschäftssprache der Behörden im serbisch-banatischen Verwaltungsbezirke und in Galizien, mit welchen Anträgen der Justizminister sich in allen Punkten vereinigt hat.

Die weiteren au. Anträge über die Geschäftssprache der Behörden in Ungarn und Siebenbürgen werden demnächst unterbreitet werden2. In Böhmen sei diese Angelegenheit bereits in der Art geregelt, daß sich kein Bedürfnis zu einer Änderung herausgestellt hat. Minister Graf Gołuchowski las zuerst den anverwahrten Verordnungsentwurfa, in welchem der Gebrauch der Sprachen bei allen Behörden des serbisch-banatischen Verwaltungsgebietes im inneren Dienste und den Parteien gegenüber geregelt würde. In erster Beziehung wurde festgesetzt, daß der innere Dienst der Behörden und Ämter aller Dienstzweige im Lande sowie der diesfällige Verkehr derselben untereinander, dann mit den Behörden und Ämtern anderer Kronländer und mit den Zentralstellen in deutscher Sprache stattzufinden habe. Im Verkehre mit Parteien gilt als Grundsatz, daß sich die Behörden und Ämter aller Dienstzweige den Parteien gegenüber einer diesen verständlichen Sprache zu bedienen haben. Den Parteien wird, nebst dem Gebrauche des Serbischen, Ungarischen und Deutschen noch in den Kreisen mit walachischer und kroatischer Bevölkerung gestattet, sich der bezüglichen Sprachen in ihren Eingaben zu bedienen. In den übrigen Kreisen könnte die Einbringung von kroatischen oder walachischen Eingaben nicht gestattet werden, da es nicht möglich ist, alle Ämter im ganzen Lande mit Beamten zu dotieren, die der fünf Landessprachen mächtig sind. Man könne daher diesfalls nicht weiter gehen, als der dringende Bedarf fordert.

Die Konferenz fand gegen die Bestimmungen des vorgelesenen Entwurfes nichts zu erinnern, doch brachte Reichsrat v. Plener in Anregung, ob es denn auch opportun sei, im gegenwärtigen Zeitpunkte, während der Session des verstärkten Reichsrates, neue detaillierte Normen über die so delikate Sprachenfrage zu erlassen. Dies werde unvermeidlich viel Aufsehen und im Reichsrate vielleicht das Befremden erregen, daß diese Sache ohne seine vorläufige Vernehmung gesetzlich geregelt wird. Reichsrat v. Plener würde daher glauben, daß, wenn überhaupt diese Regelung schon jetzt unaufschieblich geworden ist, || S. 178 PDF || die Behörden in unaufsichtiger Weise auf die bestehenden Vorschriften zu weisen und zugleich zu belehren wären, inwieferne sie bezüglich der Geschäftssprache dermal ein anderes Verfahren einzuhalten haben. Im Ressort des Finanzministeriums würde dies vollkommen genügen. Der Minister des Inneren erwiderte, daß für die politischen Behörden eine eingehendere Normierung unvermeidlich sei, daß sie sich ohne wiederholte Irrtümer und Mißgriffe zurechtfinden. Übrigens sei die Geschäftssprache in gewissen Kronländern keine allgemeine Reichsangelegenheit. Auch der Justizminister glaubte, daß eine solche genaue Normierung nötig sei, weil die Behörden sich häufig nicht an die bestehenden Vorschriften halten, was sehr unangenehme Folgen hatte. Diesen Eigenmächtigkeiten muß ein Ziel gesetzt werden, doch könne dies auch einfach durch eine Ministerialverordnung ohne Berufung auf einen besonderen Ah. Befehl erreicht werden. Die Ah. Genehmigung würde dann bloß pro foro interno der Konferenz erteilt, und wenn dieselbe durch die Ah. Schlußfassung über das gegenwärtige Protokoll dem Ministerpräsidenten eröffnet worden ist, werde derselbe Abschriften der Ag. genehmigten Grundsätze den beteiligten Ministern zur weiteren Verfügung übersenden. Se. Majestät der Kaiser geruhten diese Form der Hinausgabe der Weisungen an die Landesbehörden bin Galizien und der Woiwodschaft Serbien etc.b zu genehmigen.

Der Minister des Inneren las hierauf die Bestimmungen über die Geschäftssprache bei den Behörden in Galizien.

Der Justizminister erklärte, er sei mit diesen Bestimmungen völlig einverstanden bis auf einen Punkt, nämlich die den Advokaten eingeräumte volle Freiheit, ihre Parteien in polnischer, ruthenischer oder deutscher Sprache zu vertreten3. Diese Freiheit werde voraussichtlich zur Folge haben, daß die meisten Advokaten, nationalen Tendenzen huldigend, auch die ruthenischen Parteien in polnischer Sprache vertreten werden. Dies sei nicht bloß an und für sich, sondern insbesondere auch deswegen bedauerlich, weil man den ungarischen Advokaten dieselbe Befugnis nicht werde verweigern können, welche dann ohne Verzug im ganzen Lande, und zwar auch in den slawischen Komitaten, ihre Eingaben in ungarischer Sprache verfassen werden. Dies wird nun im Justizdienste die größten Schwierigkeiten hervorrufen, indem eine beträchtliche Anzahl Beamte in jenen Komitaten der ungarischen Sprache nicht mächtig ist und es an völlig geeigneten ungarisch sprechenden cund schreibendenc Justizbeamten für so viele Dienstposten auf einmal fehlt. Der Kultusminister fand des jedenfalls unzulässig, daß die Regierung den Gerichten durch die Advokaten eine andere Sprache als die der Bevölkerung und der Parteien, die sie vertreten, aufzwingen lasse und dadurch am Ende genötigt werde, die Gerichte mit Männern zu besetzen, die nicht sowohl der Sprache der Bevölkerung als der der Advokaten mächtig seien. Wollte man den Advokaten die Sprache ihrer Eingaben unbedingt frei stellen, so müßte doch dem Gericht freigestellt bleiben, die Erledigung ohne Rücksicht darauf in der Sprache der Partei zu erlassen. Was Ostgalizien anbelange, so dürfte als Regel aufzustellen sein, daß die Advokaten sich der deutschen oder ruthenischen Sprache, und nur bei Vertretung polnischer Parteien der polnischen Sprache zu bedienen berechtiget seien.d es jedenfalls unzulässig, daß die Regierung den || S. 279 PDF || Gerichten durch die Advokaten eine andere Sprache als die der Bevölkerung und der Parteien, die sie vertreten, aufzwingen lasse und dadurch am Ende genötigt werde, die Gerichte mit Männern zu besetzen, die nicht sowohl der Sprache der Bevölkerung als der der Advokaten mächtig seien. Wollte man den Advokaten die Sprache ihrer Eingaben unbedingt frei stellen, so müßte doch dem Gericht freigestellt bleiben, die Erledigung ohne Rücksicht darauf in der Sprache der Partei zu erlassen. Was Ostgalizien anbelange, so dürfte als Regel aufzustellen sein, daß die Advokaten sich der deutschen oder ruthenischen Sprache, und nur bei Vertretung polnischer Parteien der polnischen Sprache zu bedienen berechtiget seien. Der Justizminister bemerkte jedoch, daß die Advokaten in vielerlei Fällen ohne Zweifel durch falsche Angaben über die Nationalität ihrer Parteien es verstehen werden, sich die Befugnis zum Plädieren in polnischer (ungarischer) Sprache zu erschleichen. Der Minister des Inneren machte darauf aufmerksam, daß man die geographische Abteilung von Ost- und Westgalizien nicht für die Geschäftssprache absolut maßgebend machen könne, indem z.B. der Lemberger Kreis Ostgaliziens eine überwiegende polnische Bevölkerung hat. Andererseits sei nicht zu verkennen, daß die ruthenische Sprache noch so wenig in die höheren Schichten gedrungen ist, daß viele Advokaten wahrhaft außer Stand sein würden, ruthenische Satzschriften zu verfassen.

Nach längerer Erörterung geruhten Se. Majestät der Kaiser das Auskunftsmittel zu bezeichnen, daß die Advokaten die polnischen Parteien in edeutscher oder polnischer Sprachee und die Ruthenen entweder ruthenisch oder deutsch zu vertreten haben, welcher Grundsatz sich auch mit logischer Konsequenz und ohne Nachteil für den Justizdienst in Ungarn werde durchführen lassen.

Der Minister des Inneren übernahm es, die entsprechende Veränderung im Texte des vorgelesenen Entwurfs nachträglich vorzunehmen und der Ah. Genehmigung bei Vorlage dieses Protokolls zu unterbreiten. fSelber lieget hier beif .4

II. Zollbegünstigungen für England

Reichsrat v. Plener referierte über das Ergebnis seiner Erhebungen in betreff der großbritan­nischerseits gewünschten Zollbegünstigungen5.

Was den Ausgangszoll auf Bauholz betrifft, so sei derselbe äußerst geringfügig und könnte vom finanziellen Standpunkte leicht geopfert werden. Allein, es bestehe nebst dem Zolle noch eine andere und höhere Abgabe, „Diritto d’alboraggio“, welche auf die Ausfuhr von Schiffbauholz deswegen gelegt wurde, um die einheimische Reederei zu schützen6. Der Zoll auf Strazzen7 betrage seit der im Interesse der einheimischen Papierfabrikation || S. 280 PDF || eingetretenen Erhöhung an der Seegrenze 2 fl., an der Landesgrenze 4 fl. per Zentner. Dermals werden nur mehr 8–20.000 Zentner Hadern jährlich ausgeführt, früher bis 41.000 Zentner. Der Bedarf der einheimischen Papierfabrikation beträgt circa eine Million Zentner. Eine Herabsetzung dieser Zölle würde allerdings kein namhaftes finanzielles Opfer kosten, ja vielleicht sogar vorteilhaft sein, sich jedoch in der Beziehung als bedenklich darstellen, weil sie mit der vor kurzem nach Beendigung der Zollenquete den Industriellen Österreichs von der Regierung feierlich zugesicherten Stabilität des Zollsystems im Widerspruche stünde8. Freilich wurde die Abänderung der Zollsätze aus Anlaß von Verträgen vorbehalten, allein, hiebei hatte man offenbar nur Verträge im Auge, wobei der fremde Staat für die Zollbegünstigung ein ähnliches Äquivalent gewährt. England aber könne erklärtermaßen uns keine Zollbegünstigung gewähren, und der politische Vorteil, welcher beabsichtigt wird, könne nicht als Vertragsbedingung stipuliert werden. Die sehr rührige Agitation der österreichischen Papierfabrikanten sei vor ein paar Jahren erst durch die Zollerhöhung beschwichtigt worden. Deren Herabsetzung ohne irgendein erkennbares Motiv werde die Agitation aufs neue provozieren, welche die jüngst gegebenen Zusicherungen geltend machen werde. Andererseits sei die österreichische Regierung auch dem [Deutschen] Zollvereine gegenüber in der Beziehung gebunden, daß sie dem Zollvereine die gleichen Begünstigungen zuerkennen muß, welche in anderer Richtung bewilligt werden9.

Der Kultusminister schlug vor, mit England eine Unterhandlung wegen der fraglichen Zollherabsetzung anzuknüpfen, jedoch unter der Andeutung, daß selbe erst in dem Jahre 1865 ins Leben zu treten hätte. Der Ministerpräsident glaubte unter den gegenwärtigen politischen Konjunkturen den größten Wert auf die Gewinnung der englischen Allianz legen zu sollen. Diesem wichtigen Ziele gegenüber müsse man über kleine Hindernisse hinausgehen. Ein Auskunftsmittel dürfte sich darin finden lassen, die Zölle auf Hadern bloß an den Seegrenzen herabzusetzen, wobei dann die Zollvereinsschiffahrt ebenso wie die englische davon Vorteil ziehen könnte, ohne doch die einheimische Fabrikation zu sehr zu drücken. Was das Bauholz betrifft, so sei die Eröffnung eines ergiebigen Absatzes für den Holzreichtum in Kroatien ein Vorteil, auch in nationalökonomischer Beziehung. Graf Rechberg würde einen Wert darauf legen, sofort zur Eröffnung von Unterhandlungen mit Lord Loftus10 ermächtigt zu werden, und zwar zum Behufe einer unmittelbar, nicht erst nach Jahren ins Leben tretenden Zollherabsetzung. Der Justizminister schloß sich dem Antrage des Ministerpräsidenten an.

Die Schlußberatung über diesen Gegenstand wurde bis dahin vertagt, wenn die Äußerung des Marineoberkommandos über die Zulässigkeit der Herabsetzung des Zolles auf Bauholz an das Ministerium des Äußern eingelangt sein wird11.

|| S. 281 PDF || Se. Majestät geruhten schließlich die bei dem Kultusministerium anhängigen Verhandlungen über die Synode der nichtunierten Serben12 und über die Rechtsakademie zu Hermannstadt zu urgieren12.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen gund genehmige die bezüglich der Geschäftssprache im Temeser Banate und in Galizien zu erlassenden Vorschrifteng . Franz Joseph. Wien, den 1. Juli 1860.