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Nr. 57 Ministerkonferenz, Wien 5. November 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 5./15. 11.), Thun 7. 11., Bruck 7. 11., Nádasdy 7. 11., Gołuchowski 8. 11., Thierry 8. 11., Seldern.

MRZ. – KZ. ? –

Protokoll der zu Wien am 5. November 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Über die Anträge der Zollenquetenkommission

Der Finanzminister referierte über die Resultate der Verhandlungen der Zollenquetenkommission aus Anlaß der Majestätsgesuche der Wiener Shawl-, Baum[woll]- und Schafwoll[waren]fabrikanten, der Seidenzeug- und Bandmachergewerbe Wiens, der österreichischen Kammgarnspinner und der Industriellen des Reichenberger Handelskammerbezirks um Revision der bezüglichen Zollsätze, dann mehrere Eisenwerksbesitzer um ausnahmslose Aufrechthaltung der gesetzlich bestehenden Eisenzölle, Beschränkung der Begünstigungen für Eisenbahnunter­nehmungen und Abänderung der Besteuerungs­weise des Bergbaues1.

Nachdem diese in den sub 1–5 beiliegenden Denkschriftena, dann in den Vorträgen Beilagen 6 und 7 näher auseinandergesetzten und gewürdigten Eingaben nach vorläufiger Verhandlung in den betreffenden Provinzialkommissionen bei der unter dem Vorsitze des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften Freiherrn v. Baumgartner zusammengesetzten Zentralenquetekommission in neun Sitzungen umständlich diskutiert worden waren, hat man die aus der Diskussion resultierenden Anträge in der zehnten Sitzung in der beiliegenden Übersicht zusammengefaßt. Die meisten dieser Anträge sind einstimmig, die übrigen bis auf einen meist mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Stimmenmehrheit beschlossen worden. Jener eine (Beschluß Nr. 9 der Übersicht) betreffend die Erhöhung des Zolles auf rohe Baumwollgarne von 5 fr. 25 Kreuzer auf 6 fr. erhielt gleich geteilte Stimmen, ward jedoch vom Präsidenten in dem Begleitungsberichte verworfen, weil die ohnehin nicht ungünstige Lage der Spinnereien weniger Rücksicht als die der inländischen Webereien verdient, weil ferner die Spinnereien bei dem Zolle von 5 fr. 25 Kreuzer bestehen können, zu einer Vermehrung derselben aber einen erhöhten Reiz zu gewähren nicht geboten ist, wogegen die Webereien durch die Zollerhöhung empfindlich getroffen werden würden. Aus diesen Gründen vereinigte sich auch der Finanzminister mit der auf Beibehaltung des bestehenden Zolles gerichteten || S. 222 PDF || Ansicht des Freiherrn v. Baumgartner, welcher übrigens auf die Schwierigkeiten aufmerksam machte, welche sich der praktischen Durchführung des Antrages sub 10, die Zölle nach Feinheitsnummern abzustufen, entgegenstellen würden. Von den übrigen mit Einstimmigkeit oder Majorität beschlossenen Anträgen erhielten alle, mit Ausnahme des Subbeschlusses Nr. 8, die Zustimmung des Freiherrn v. Baumgartner und des Finanzministers. Gegen den sub 8 gestellten Antrag, die Stabilitätsperiode des Zolltarifs mit drei Jahren festzusetzen, ergibt sich nämlich das Bedenken, daß sie zu kurz sei, um dem Industriellen zu gestatten, etwas darauf zu unternehmen, und der Finanzverwaltung, die Wirkung eines Zollsatzes gehörig zu beobachten. Der Finanzminister erklärte sich daher mit dem Präsidenten für eine Stabilitätsperiode von fünf Jahren, wornach dann auch der Antrag sub Nr. 27 entsprechend zu modifizieren sein wird.

Die Konferenz erklärte sich mit diesen Anträgen und dem vorgelesenen Resolutionsentwurfe einverstanden, der Minister des Inneren mit dem Beisatze, daß es angemessen wäre, das Publikum über das Resultat der Verhandlung nach erfolgter Ah. Genehmigung mittels eines offiziösen Zeitungsartikels zu belehren, was zu veranlassen der Finanzminister zusicherte2.

II. Wegen Mitteilung der Verhandlung über die Branntwein­steuer an das Armeeoberkommando

GM. Graf Seldern war beauftragt, den Wunsch auszusprechen, daß die Verhandlung wegen Reform der Branntweinsteuer nach ihrem Abschlusse dem Armeeoberkommando bezüglich der Militärgrenze mitgeteilt werden möchte, worauf der Finanzminister bemerkte, daß, nachdem diese Angelegenheit ohnehin in der Konferenz zur Beratung kommen wird, dem Vertreter des Armeeoberkommandos vorbehalten bleibe, hiebei die Interessen der Militärgrenze wahrzunehmen3.

In der heutigen Sitzung ward auch die Beratung über die Kontrolle des Staatsschuldenwesens begonnen, worüber ein abgesondertes Protokoll ausgefertigt werden wird4.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 20. Dezember 1859.