MRP-1-4-02-0-18600313-P-0124.xml

|

Nr. 124 Ministerkonferenz, Wien, 13. März 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 13. 3.), Thun 14. 3., Bruck 14. 3., Nádasdy 14. 3., Gołuchowski 14. 3., Thierry 14. 3., FML. Schmerling 14. 3.

MRZ. – KZ. 890 –

Protokoll der zu Wien am 13. März 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Verordnung über Abhaltung von Handelstagen

Um der Handelswelt eine Bürgschaft zu geben, daß ihre besonderen Interessen auch nach der Auflösung des Handelsministeriums einer sorgfältigen Beachtung werden gewürdigt werden, und um andererseits der Tätigkeit der Handels- und Gewerbekammern eine lebhaftere und korrekte Entwicklung zu verschaffen, deren Isolierung und die daraus entspringende Einseitigkeit ihrer Arbeiten zu beseitigen, sonach diese letzeren zu brauchbaren Substraten für Regierungsmaßregeln zu machen, endlich der Regierung selbst einen wertvolleren, dem höheren Standpunkte näher gebrachten Beirat in kommerziellen Angelegenheiten zu gewähren, hat der Finanzminister den Entwurf einer Verordnunga über die Abhaltung periodischer Versammlungen von Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammern unter der Benennung „Handelstage“ vorbereitet, denselben sämtlichen Mitgliedern der Konferenz zur vorläufigen Prüfung mitgeteilt und behufs der Erwirkung der Ah. Genehmigung Sr. Majestät heute in Vortrag gebracht1.

In der Hauptsache wurde der Entwurf von der Konferenz einstimmig angenommen, desgleichen zwei vom Justizminister beantragte, im § 7 ersichtlich gemachte Zusätze, deren letzerer damit begründet wurde, daß es Fälle geben könne, wo, wie z.B. bei Abfassung eines Wuchergesetzes, es auch einem anderen Ministerium erwünscht sein dürfte, sich des Beirates von Abgeordneten der Handelstage zu bedienen.

Der Minister des Inneren erhob nur das Bedenken, daß den sehr entfernten und kleineren Handelskammern die Absendung von Abgeordneten zum Handelstage wegen der nicht unerheblichen Kosten im Verhältnis zu ihrem gewöhnlichen Budget eine empfindliche Last erwachsen werde, die um so schwerer zu tragen wäre, je kleiner der Kreis ist, in dem sie mittelst Umlage bedeckt werden kann. Nach der Gegenbemerkung des Finanzministers dürfte jedoch dieses Bedenken sich beheben, weil einerseits zeuge der Erfahrung bei den mehrfachen Enquête­kommissionen2 die Abgeordneten in der Regel die Kosten aus eigenem bestreiten; andererseits ist die Abordnung zu den Handelstagen nach § 3 ohnehin fakultativ; hat die eine oder die andere Handelskammer || S. 20 PDF || eben kein besonderes Interesse, den Handelstag zu beschicken, so möge sie es unterlassen; hat sie es aber oder wird der Handelstag (§ 6) für obligatorisch erklärt (was ohnehin nur in außerordentlichen Fällen geschehen dürfte), so ist die Wichtigkeit der zu vertretenden Interessen wohl auch eines Opfers wert3.

II. Verordnung über Ausgleichsverfahren bei Zahlungseinstellung protokollierter Handels- und Gewerbsleute

Der Justizminister hat aus Anlaß vorgekommener Zweifel und Bedenken in der Anwendung der Verordnungen vom 18. Mai und 5. Juni 1859, RGBl. Nr. 90 und 108, über das Vergleichsverfahren bei Zahlungseinstellungen protokollierter Handelsleute und Fabrikanten4 zur Revision der darin enthaltenen Bestimmungen eine Kommission aus Abgeordneten seines, dann des Inneren und [des] Finanzministeriums, des Präsidenten v. Raule und Abgeordneten der Wiener Advokaten-, Notariats- und einiger Handelskammern zusammengesetzt. Man einigte sich dabei in dem Beschlusse, obige Verordnungen und die Erläuterung vom 1. August 1859, RGBl. Nr. 143, mit den durch die Verhältnisse gebotenen Änderungen in eine einzige Verordnung unter dem Titel „Vorschriften über das Ausgleichsverfahren bei Zahlungseinstellungen protokollierter Handelsleute etc.“ zusammen­zufassen5.

Der diesfällige Entwurf samt den Kommissionsanträgen und der Begründungb wurde sämtlichen Mitgliedern der Konferenz zur Prüfung mitgeteilt und in der heutigen Sitzung dem Wesen nach einstimmig angenommen.

Bei § 1, 3. Absatz, wurde über Bemerkung des Kultusministers statt „Venetien“ der dem Ah. Titel Sr. Majestät entsprechende Ausdruck „im lombardisch-venezianischen Königreiche“ gesetzt6.

Weiters beanständete der Kultusminister, daß während nach § 3 die Einleitung des Ausgleichs­verfahrens nie von Amts wegen zu geschehen hat, doch im § 6 das Gericht, wenn es Kenntnis von der Zahlungseinstellung erhält, cden Schuldner und einige Gläubiger darüber einvernehmen soll, ob ein solches Verfahren verlangt werde,c also doch gewissermaßen von Amts wegen vorzugehen angewiesen ist, wogegen der Justizminister erinnerte, daß sowohl nach den vorausgehenden Paragraphen dieses Entwurfs als nach §§ 2, 3, und 4 der ursprünglichen Verordnung von 1859 das kompetente Gericht von der Zahlungseinstellung auch durch die Gesellschafter etc., Notare oder andere Gerichte Kenntnis erhält und hiernach zur Amtshandlung aufgefordert wird.

Endlich erklärte sich der Kultusminister mit der Bestimmung des § 13 nicht einverstanden, daß zugleich mit der Einleitung des Ausgleichsverfahrens die Untersuchung des Benehmens des Schuldners und des Grundes der Zahlungseinstellung durch das Strafgericht zu veranlassen sei. Denn die bloße Zahlungs­einstellung, d. i. die augenblickliche Unvermögenheit der Erfüllung übernommener Verbindlichkeiten begründet noch nicht den Verdacht einer unredlichen oder betrügerischen, daher strafbaren Handlung.

|| S. 21 PDF || Inzichten einer solchen kommen im Laufe des Verfahrens ohnehin zutage, und dann erst hätte die strafgerichtliche Untersuchung einzutreten. So bestimmen es auch die §§ 16 und 26 der Verordnung von 1859, wobei es nach dem Erachten des Kultusministers umso mehr zu verbleiben hätte, als ddie Ehre des unverschuldeten Zahlungsunfähigen nicht ohne Not durch die Einleitung strafgerichtlicher Erhebungen gefährdet werden sollted . Die Minister der Justiz und des Inneren verteidigten dagegen diese evon den Komiteemitgliedern des Handelsstandes gewünschtee Bestimmung des § 13 mit der Bemerkung, daß dieselbe einerseits auch bei Kridataren nach der Konkursordnung platzgreift und daß sie hier insbesondere noch darum beibehalten wurde, um denjenigen Gläubigern, welche gemäß § 29, von der Majorität überstimmt, sich der Ausgleichung wider ihren Willen unterwerfen müssen, die möglichste Bürgschaft dafür zu gewähren, daß ein unredlicher oder betrügerischer Vorgang nicht stattgefunden habe7.

III. Notizen über Pferdeausfuhr

Über eine abermalige Mitteilung des FML. Ritter v . Schmerling , daß wieder ein bedeutender Transport von Pferden aus Österreich nach Landshut abgegangen sei, behielt sich der Finanzminister vor, in der nächsten Konferenz unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät unter Vorlegung der Zollamts­ausweise Auskunft zu erstatten8.

IV. Notizen über heimgewiesene Ungarn aus den päpstlichen und den Ligatruppen

Nach einer dem Armeeoberkommando zugekommenen Notiz sollen fmehrere Individuenf aus den Reihen der für Se. Heiligkeit Angeworbenen gund wegen Exzessen Entlassenen als auch Überläufer, hierunter Ungarn, der Truppen der italienischen Ligag mit Pässen in ihre Heimat geschickt worden sein9.

Der Polizeiminister hat nur von vier derlei Individuen der päpstlichen Truppen (gegen welche nach Vorschrift verfahren wird) etwas, von anderweitigen Instradierungen10 aber nichts erfahren11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 19. März 1860.