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Nr. 94 Ministerkonferenz, Wien, 14. Jänner 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

MRZ. – KZ. 318 –

Protokoll der zu Wien am 14. Jänner 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Kriegsdekorationen bei zwei Orden und die Militärverdienstkreuze

Der Ministerpräsident verlas das Ah. Kabinettschreiben vom 12. Jänner 1860 über die Gründung von Kriegsdekorationen des kaiserlich österreichischen Leopoldund Eisernen-Krone-Ordens, dann des Militärverdienstkreuzes, wegen dessen Verlautbarung durch das Reichsgesetzblatt nach Versicherung des FML. Ritters v. Schmerling von Seite des Armeeoberkommandos das Erforderliche verfügt wird1.

II. Mitteilung von Zeitungsartikeln an Hofrat Wit

Der Ministerpräsident teilte den sämtlichen Mitgliedern der Konferenz die Bitte des Hofrats Wit, daß ihm die Gegenstände, worüber sie in seiner Zeitung eine Besprechung wünschen sollten, bekanntgegeben und die Artikel aus fremden Zeitungen, worüber sie Auskünfte verlangen, bezeichnet werden mögen, zur geeigneten Berücksichtigung mit2. Bei diesem Anlasse ersuchte der Polizeiminister um Überlassung der im Liechtensteinschen Palais disponibel werdenden Amtslokalitäten an Wit, welche der Finanzminister sofort zusicherte3.

III. Kaiserliche Verordnung über Umschreibung und Devinkulierung von Staatsobligationen

Der Finanzminister referierte den seinem Vortrage vom 12. Jänner 1860 beigeschlossenen Entwurf einer kaiserlichen Verordnung, worin zur Ausführung des § 4 des Ah. Patents vom 23. Dezember 1859 über die Direktion der Staatsschuld das Verfahren bei Umschreibungen und Devinkulierungen von Staatsschuldverschreibungen vorgezeichnet wird. Der seinem vollen Inhalte nach vorgelesene Entwurf bot keinen Anlaß zu einer Erinnerung4.

IV. Grundsätze über Besetzung erledigter Dienststellen

Zur Durchführung der in allen Zweigen der Verwaltung beabsichtigten Einschränkung hielt es der Finanzminister für notwendig, daß sich die Chefs sämtlicher || S. 371 PDF || Zentralstellen über bestimmte Grundsätze in Ansehung der Wiederbesetzung erledigter Dienstposten einigen. Als solche glaubte er in Vorschlag bringen zu sollen:

1. Die Wiederbesetzung sich erledigender Posten bei Behörden, deren Fortbestand oder Einschränkung bereits in Frage steht, hat zu unterbleiben, bei andern aber aus dem Stande der in Disponibilität befindlichen oder ihr entgegensehenden Beamten zu erfolgen, also bis dahin offen zu bleiben und nur im äußersten Dringlichkeitsfalle substitutorisch stattzufinden.

2. Die Landesbehörden haben sich wegen Wiederbesetzung derjenigen Posten, die sie nach ihrem Wirkungskreise selbst zu vergeben befugt wären, an die vorgesetzten Ministerien zu wenden.

3. Alle Anträge auf Statusvermehrungen haben auf sich zu beruhen.

Der Ministerpräsident besorgte, daß diese Grundsätze Unzufriedenheit und Besorgnis unter dem Beamtenstande erregen und hiermit nachteilig auf den Dienst selbst zurückwirken dürften. Hiergegen bemerkte der Finanzminister , daß sie vielmehr geeignet sein dürften, die nach und nach in Disponibilität kommenden Beamten über ihr Schicksal zu beruhigen, indem sie ihnen über ihre vorzugsweise Unterbringung auf erledigte Posten Bürgschaft gewähren. Allein, auch der Justizminister teilte die Befürchtung des Ministerpräsidenten und setzte weiters hinzu, er sei immer bemüht gewesen, dafür zu sorgen, daß erledigte Justizdienstposten nur nach dem wirklichen Bedürfnisse und, soweit geeignete Quieszenten vorhanden, zunächst mit diesen besetzt werden. Jene Grundsätze aber in ihrer Allgemeinheit anzunehmen vermöge er nicht, solange nicht eine erhebliche Verminderung in den Justizgeschäften eingetreten ist. Die diesfälligen Ausweise geben aber bisher das Gegenteil zu entnehmen. Die Justizgeschäfte haben sich seit 1851 nahezu verdoppelt. 600 Prozesse liegen allein beim Obersten Gerichtshofe unerledigt. Die Zahl der Arrestanten beträgt 24.000. Es ist also an eine Offenlassung erledigter Stellen in seinem Ressort nicht zu denken, ohne die Geschäfte in gänzliche Stockung geraten und die Rückstände noch mehr anwachsen zu lassen. Die Reformen, welche im Gerichtsverfahren mittelst Einsetzung von Friedensrichtern5, Bestellung der Notare als Gerichtskommissäre etc. in Antrag gebracht wurden6, können, falls sie die Ah. Genehmigung erhalten sollten, nicht vor einem Jahre zur Ausführung kommen. So lange dürfen aber die inzwischen offen werdenden Plätze nicht unbesetzt bleiben, weil sonst die Rückstände noch mehr anwachsen und dann von dem nach Ausführung der Reformen reduzierten Personale nimmer bewältigt werden würden. Der Justizminister könnte daher bezüglich seines Verwaltungszweiges kein anderes Zugeständnis machen, als daß er in seiner schon eingangs bemerkten Bemühung fortfahren und die Obergerichte auffordern werde, keinen Posten zu besetzen, bevor nicht dessen Unentbehrlichkeit angezeigt ist, und sich bei der Kanzleibranche statt der Offiziale und Akzessisten mit Diurnisten zu behelfen. Ebensowenig wie der Justiz- konnte der Unterrichtsminister sich derzeit für die Grundsätze des Finanzministers erklären.

|| S. 372 PDF || Es a sei allerdings die Auflassung oder Reduzierung von allerhand Lehranstalten angeregt worden7. Er werde sich beeilen, hierüber sobald als möglich Ah. Entschließungen zu erwirken8. Bevor solche erflossen seien, sei es aber offenbar unmöglich, den bestehenden Anstalten die erforderlichen Lehrkräfte zu versagen. Auch bezüglich des Personalstatus des Ministeriums sei eine Reduktion vorgeschlagen, weit über das von ihm für ausführbar erachtete Maß. Inzwischen erledigte Stellen unbesetzt zu lassen, sei, ohne das Ministerium zu ruinieren, unmöglich, nachdem ihm ohnehin bereits seit zwei Jahren eine Reihe der besten Arbeitskräfte ohne Ersatza entzogen worden sind9.

V. Entlassung lombardischer Stiftlinge aus den k. k. Erziehungshäusern

Der Minister des Inneren brachte zufolge Ah. Befehls vom 3. Oktober 1859 die Verhandlung wegen Entlassung der lombardischen Stiftlinge aus dem Theresianum und anderen Konvikten, wo solche bisher untergebracht waren, zum Vortrage in der Konferenz10.

Nach dem diesfalls bei den Militärerziehungsanstalten angenommenen Grundsatze wären diese Stiftlinge, insofern sie infolge des Friedensschlusses aufhören, österreichische Untertanen zu sein, nach Ablauf der Kündigungsfrist aus den Erziehungsanstalten zu entlassen, bezüglich des Stiftungsgenusses oder Stipendiums für verlustig zu erklären, ihnen aber freizustellen, als Kostzöglinge in der Anstalt zu verbleiben11.

Der Ministerpräsident erklärte sich aus politischen Gründen gegen diese Verfügung. Es scheint ihm von Wichtigkeit zu sein, Anknüpfungspunkte mit der lombardischen Bevölkerung zu unterhalten und denjenigen Teil ihrer Jugend, welcher die Wohltat der unentgeltlichen Erziehung in unseren Anstalten genießt, sowie deren Angehörige der k. k. Regierung zur Dankbarkeit zu verpflichten. Er würde daher für die Belassung des Stiftungsgenusses derselben stimmen. Neue aufzunehmen wäre natürlicherweise nicht angezeigt.

Seinem Antrage traten die Minister der Finanzen, der Justiz, Polizei und der Unterrichtsminister, letzterer mit dem Vorbehalte der weiteren Anträge rücksichtlich der Verwendung der lombardischen Stiftungsplätze in Zukunft bei, wogegen FML. Ritter v. Schmerling , konsequent mit dem bei den Militärerziehungsinstituten beobachteten Vorgange, sich dem Antrage des Ministers des Innern anschloß, bwobei jedoch zu bemerken, daß die obangezogenen Maßnahmen nicht vollständig durchgeführt und einige wenige Lombarden auf venezianischen Stiftungsplätzen in den Anstalten belassen wurdenb wobei jedoch zu bemerken, daß die obangezogenen Maßnahmen nicht vollständig durchgeführt und || S. 373 PDF || einige wenige Lombarden auf venezianischen Stiftungsplätzen in den Anstalten belassen wurden.12

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 20. Jänner 1860.