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Nr. 438 Ministerkonferenz, Wien 27. Februar 1858 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 27. 2.), gesehen Bach 1. 3., Thun 2. 3, Bruck, gesehen Kempen 3. 3., Nádasdy, Für Se. Exzellenz den Herrn Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät Kellner; abw. Toggenburg.

MRZ. – KZ. 553 –

Protokoll der zu Wien am 27. Hornung 1858 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Stellung der Pfarrkinder vor den Seelsorger durch weltliche Macht

Der Kultusminister referierte über die zeuge seines Vortrags vom 15. Februar 1858, KZ. 692, MCZ. 609, zwischen ihm und dem Minister des Inneren obwaltende Meinungsverschiedenheit in betreff der Aufrechthaltung der Verordnung vom 9. Juni 1826 wegen Stellung der Pfarrkinder auf jedesmaliges Begehren des Seelsorgers durch die Ortsobrigkeit1.

Der Minister des Inneren erklärte, von seiner im Wege der schriftlichen Verhandlung abgegebenen, dort umständlich motivierten Meinung nicht abgehen zu können, daß die Frage, inwiefern zur Vollziehung geistlicher Anordnungen die weltliche Macht mitzuwirken habe, mit Aufhebung aller diesfalls früher bestandenen besonderen Vorschriften nur nach dem Inhalte des Konkordats2 gelöst werden dürfe. Nachdem nun dieses hierwegen ausdrücklich nichts anderes enthält, als daß Se. Majestät nicht zugeben werden, daß etwas geschehe, was die Geistlichkeit herabsetzen könnte, nachdem selbst in der Note vom 18. August 1855 nur die Bereitwilligkeit ausgesprochen ist, die Hilfe des weltlichen Armes zur Vollziehung der wider Geistliche gefällten Straferkenntnisse unter gewissen Bedingungen zu leihen3: so erscheine dieselbe auch in Fällen der hier besprochenen Art prinzipiell nicht festgestellta, sondern lediglich als Gegenstand der jedesmaligen besondern Verhandlung zwischen der Landesstelle und dem Ordinariate und nur in dringenden Fällen den Bezirksämtern einzuräumen, wo sie dieselbe ohne Anstand gewähren zu können erachten.

Aber auch der Kultusminister verharrte auf seiner, im Vortrage ausführlich entwickelten Ansicht, weil er sich nicht überzeugen kann, daß durch das Konkordat, welches zwar alle mit dessen Bestimmungen nicht im Einklang stehenden Gesetze und Verordnungen außer Wirksamkeit gesetzt hat, auch eine im Sinn und Geiste desselben gelegene Verordnung, wie die eingangs gedachte ist, habe aufgehoben werden wollen, welche Verordnung überdies eine reine polizeiliche, zur Aufrechthaltung der anerkannten Disziplinargewalt || S. 336 PDF || des Pfarrers über seine Gemeinde notwendige Maßregel bezielt und sicher nicht von solcher Tragweite ist, um deren Vollziehung erst von einer weitwendigen Verhandlung der oberen und obersten Verwaltungsbehörden abhängig zu machen.

Die Stimmenmehrheit der Konferenz schloß sich der Ansicht des Ministers des Inneren an, der Chef der obersten Polizeibehörde mit der Modifikation, daß vielleicht ein Mittelweg eingeschlagen und die Entscheidung der besprochenen Fälle dem Einvernehmen der Kreisbehörde mit dem Dekanate überlassen werden dürfte4.

II. Rekrutierungsgesetz (= Sammelprotokoll Nr. 437)

Fortsetzung der Beratung über das Rekrutierungsgesetz (in einem abgesonderten Protokoll).

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 22. April 1858.