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Nr. 384a Entwurf eines Ah. Handschreibens an Se. kaiserliche Hoheit den Herrn Erzherzog Ferdinand Maximilian über die Einflußnahme, die ihm in diplomatischen und militärischen Angelegenheiten zustünden, Mailand, 28. Februar 1857. (Beilage zu: MRP-1-3-05-0-18570205-P-0384.xml) - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; Beilage zum Originalprotokoll v. 5. 2. 1857.

MRZ. – KZ. –

[Tagesordnungspunkte]

Lieber …! Mit Beziehung auf Mein Handschreiben vom heutigen Tage, mit welchem Ich Euer Liebden zum Generalgouverneur im lombardisch-venezianischen Königreiche ernannt habe, behalte Ich Mir vor, Ihnen die Bestimmungen über Ihren diesfälligen Wirkungskreis, insoweit er die Zivilverwaltung umfaßt, und den einzuhaltenden Amtsverkehr nachträglich bekanntzugeben. Zugleich finde Ich Mich bestimmt, Ihre Aufgabe und Stellung mit Nachfolgendem näher zu bezeichnen.

Vor allem geht Meine Absicht dahin, daß Sie Mich und Unser Haus in dem Lande, das Ich Ihrer Leitung anvertraue, würdig repräsentieren und Sich ganz besonders angelegen sein lassen, dahin zu wirken, daß das dynastische Gefühl in der Bevölkerung belebt und gekräftiget, der Adel in seinen Interessen und sozialen Beziehungen mit Umsicht herangezogen und überhaupt in allen Klassen die Erkenntnis der Vorteile, welche denselben die Vereinigung mit der österreichischen Monarchie gewährt, durch eine gerechte, humane und alle Interessen eifrig fördernde Verwaltung zum Bewußtsein gebracht und nachhaltig gepflegt werde.

Ich empfehle Ihnen, über alle Ihnen unterstehenden Behörden und Organe ein stets wachsames Auge zu haben, Sich von den obwaltenden Bedürfnissen und bestehenden Mängeln und Gebrechen möglichst durch eigene Anschauung zu unterrichten und überhaupt Sich die vollkommene Kenntnis der Personen und Sachen im Lande anzueignen. Auch werden Sie in allen Geschäftszweigen nicht bloß auf eine gute, sondern auch auf rasche Geschäftsbehandlung zu dringen und insbesondere darauf zu halten haben, daß die Ihrer Entscheidung oder Einbegleitung vorbehaltenen Verhandlungen mit aller Beschleunigung und in der einfachsten Geschäftsform erlediget werden.

Ich finde es ferner Ihrer persönlichen Stellung und dem Zwecke Ihrer wichtigen Sendung angemessen, Ihnen auch gegenüber Meiner Armee im Lande einen hervorragenden Platz und einen bestimmten Wirkungskreis einzuräumen und die Ihnen zur Lösung Ihrer Aufgabe notwendige Einsicht in den Gang der äußern Politik zu sichern.

In ersterer Beziehung wird Ihnen zwar kein Kommando über Meine im lombardischvenezianischen Königreiche stationierten Truppen gebühren, da dieselben unter den Befehlen des Armeekommandanten zu stehen haben. Ich weise Ihnen jedoch die Macht zu, über das Militärwesen im Lande eine Oberaufsicht zu führen. Demzufolge sollen Sie berechtigt sein, die im genannten Königreiche dislozierten Truppen nach Umständen ausrücken zu lassen, Sich zu jeder beliebigen Zeit von dem Zustand derselben und aller Anstalten, welche sich auf die Militärverwaltung beziehen, durch unvermutete Visitationen selbst die Überzeugung zu verschaffen, die wahrgenommenen Mängel und Gebrechen dem Armeekommandanten der nötigen Abhilfe wegen bekanntzugeben und erforderlichenfalles Mir hierüber unmittelbar die Anzeige zu erstatten.

Der Armeekommandant ist auch verpflichtet, Euer Liebden von allen Bewegungen der Armee und von allen wichtigeren, das öffentliche Interesse berührenden Vorfallenheiten bei derselben in fortwährender schleuniger Kenntnis zu erhalten.

|| S. 273 PDF || Die Dislozierung der Armee im Lande hat stets im Einvernehmen mit Euer Liebden zu geschehen.

Sie werden übrigens in allen Beziehungen zu dem Armeekommandanten1 das engste dienstliche Einvernehmen zu pflegen und denselben von allen für die Sicherheit der Armee und des Landes und die militärischen Interessen wichtigen Vorfallenheiten und Wahrnehmungen in steter Kenntnis zu erhalten haben. Insofern es sich um Angelegenheiten gemischter Natur handelt, bei welchen die Zivil- und Militärverwaltung beteiliget erscheinen, bleibt es Ihnen vorbehalten, für den Fall, als diesfalls obwaltende Meinungsverschiedenheiten zwischen den kompetenten Zivil- und Militärlandes­behörden nicht im Wege des Einvernehmens mit dem Armeekommando geordnet werden können und Gefahr am Verzuge eintritt, die den Umständen angemessene provisorische Verfügung vorbehaltlich nachträglicher Einholung der höheren Genehmigung zu treffen.

Sollten Störungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung ausbrechen und dieselben eine solche Ausdehnung annehmen, daß die von den nächstberufenen Lokalchefs oder den Landeschefs zu deren Unterdrückung getroffenen Maßregeln nicht ausreichen, sondern die Notwendigkeit eintritt, umfassendere Vorkehrungen mit Aufbietung einer größeren militärischen Macht ins Werk zu setzen, so werden Sie darüber ohne Verzug mit dem Armeekommandanten ins Einvernehmen treten und darnach unter eigener Verantwortung die erforderlichen Anordnungen zu treffen, die Ausführung der für nötig erkannten militärischen Maßregeln aber dem Armeekommandanten zu überlassen haben.

Da es ferner die politisch wichtige Lage des lombardisch-venezianischen Königreiches und die eigentümliche Verhältnisse desselben gebieten, daß die oberste Autorität des Landes über alle wichtigen Fragen der äußern Politik, vorzüglich aber in jenen, welche die italienische Halbinsel und die Schweiz betreffen, fortan in voller Kenntnis erhalten werde, so finde Ich zugleich folgende Verfügungen zu treffen:

a) Meine bei den Regierungen der italienischen Staaten und in der Schweiz akkreditierten Missionen werden angewiesen, ihre politische Korrespondenz an Meinen Minister des Äußern unter offenem Siegel durch Ihre Hand zu leiten; und in gleicher Weise werden die an die genannten Missionen ergehenden politischen Erlässe des genannten Ministers bei Ihnen durchzulaufen haben.

Sollte die besondere Dringlichkeit den gedachten Durchlauf einer Korrespondenz oder eines Erlasses, die auch für Sie von Interesse sein könnten, nicht zulässig machen, so soll Ihnen gleichzeitig mit dem Abgange der Depesche eine Abschrift derselben zugesendet werden.

b) Außerdem beauftrage Ich Meinen Minister des Äußern, Sie von dem jeweiligen Stande der allgemeinen Politik und von den wichtigen Vorkommenheiten des Auslandes in fortlaufender rechtzeitiger Kenntnis zu erhalten und Ihnen alle bedeutenderen, an Meine Missionen ergehenden politischen Erlässe mitzuteilen. Nach Erfordernis der Umstände wird hiezu auch der Telegraf und der Chiffre zu benützen sein.

Zur Besorgung der Geschäfte wird Ihnen ein Kabinett mit dem aus der beiliegenden Tabelle ersichtlichen Personalstatus beigegeben.

|| S. 274 PDF || Von diesen Meinen Verfügungen setze Ich gleichzeitig Meine Minister, das Armee-und Marineober­kommando und die Chefs Meiner übrigen Zentralstellen zur Darnachachtung, so weit es sie betrifft, in die Kenntnis2. Franz Joseph.

Mailand, am 28. Februar 1857.